„Wir entwickeln eine Vision für die Sportstadt Frankfurt 2040“
Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef wünscht sich mehr gemeinsame Anstrengung für die Sportvereine und wirbt für die Teilnahme an der Fachtagung „Sportentwicklungsplanung und Demokratieförderung“ am 29. und 30. September.

18.09.2025

Wie können wir Sportentwicklungsplanung so gestalten, dass sie nicht nur Bewegung und Infrastruktur fördert, sondern auch Demokratie, Teilhabe und gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt? Diesen Fragen widmet sich die Fachtagung „Sportentwicklungsplanung und Demokratieförderung“ am 29. und 30. September, zu der die Stadt Frankfurt am Main ins Haus am Dom einlädt. Die Tagung, die sich in erster Linie an Sportentwicklungsplaner*innen aus Kommunen und Vertreter*innen des organisierten Sports richtet, soll Impulse für die Praxis liefern, Beteiligung stärken und Netzwerken und Austausch ermöglichen. Anmeldungen sind noch bis zum 25. September hier möglich. Warum diese Veranstaltung auch für die Stadt Frankfurt eine besondere ist, erklärt Oberbürgermeister Mike Josef (42/SPD) im Interview.
DOSB: Herr Josef, welche Rolle spielt Sportentwicklungsplanung aktuell in Ihrer Kommune und warum ist sie für Sie ein wichtiges Instrument?
Mike Josef: Die Stadt Frankfurt hat im Jahr 2011 ihren ersten Sportentwicklungsplan veröffentlicht. Seitdem ist viel passiert. Inzwischen leben hier 100.000 Menschen mehr, auch die Anzahl der Mitglieder in den Vereinen ist in dem Zeitraum stark gestiegen. Waren im Jahr 2010 noch 150.000 Personen in Frankfurter Sportvereinen organisiert, hat sich diese Zahl mit Ende des Jahres 2024 auf 340.000 Mitgliedschaften mehr als verdoppelt! Die Anzahl der Vereine und damit auch der Sportstätten ist dagegen ziemlich konstant geblieben. Das zeigt schon die Chancen, aber auch die Herausforderungen, die in dem Thema Sportentwicklungsplanung stecken.
Wo spüren Sie die gestiegene Begeisterung für Sport besonders?
Immer mehr Menschen aus ganz unterschiedlichen Zielgruppen interessieren sich für Sport und Bewegung, was toll ist und was wir als Stadt Frankfurt sehr gerne unterstützen. Das betrifft neben Vereinsaktivitäten auch die Bewegung im Grünen, im öffentlichen Raum sowie im Rahmen von selbstorganisierten Angeboten. In dem Themenfeld hat sich in den vergangenen 15 Jahren im Zuge des ersten Sportentwicklungsplans schon sehr viel getan, auch durch die gute Zusammenarbeit mit dem Sportkreis sowie der Sportjugend Frankfurt, die als Mittler zwischen Stadtverwaltung und Vereinen eine wichtige Rolle spielen. Trotzdem gibt es aktuelle Themen, die wir aufgreifen müssen, wie zum Beispiel Qualität und Quantität von Sportstätten, Schule und Verein, Nachhaltigkeit, Vielfalt und die Frage nach dem Ehrenamt. Daher haben wir im Sommer einen Prozess zur Fortschreibung der Sportentwicklungsplanung für Frankfurt gestartet. Wir möchten gemeinsam mit den städtischen Partnern sowie dem organisierten Sport eine „Vision Sport in Frankfurt 2040“ entwickeln. Diese soll wegweisend sein, wie Sport und Bewegung zukünftig für Frankfurterinnen und Frankfurter aussehen können.
Inwiefern sehen Sie den Sport als Raum zur Förderung demokratischer Werte wie Mitbestimmung, Fairness und Vielfalt? Welche Rolle spielen Sportvereine und Ehrenamtliche bei der Stärkung von Demokratie und gesellschaftlichem Zusammenhalt?
Der Sport und die Vereine sind ein Spiegel der Gesellschaft und damit auch Orte von Demokratie und Vielfalt. Hier können im Kleinen wie im Großen Werte wie Fairness, Toleranz, Verantwortung und Teamgeist vermittelt und gelebt werden. Und das in einem Umfeld, in dem Menschen aus allen Ziel- und Altersgruppen aufeinandertreffen. Da kommt es mal zu Konflikten die gelöst werden müssen, und es braucht Engagierte, die sich kümmern, um beispielsweise Jugendparlamente oder andere Teilhabeprozesse im Verein zu lenken. Allen Ehrenamtlichen kommt dabei eine entscheidende Rolle zu, die zukünftig auch immer wichtiger werden wird, denn sie sind das Rückgrat und der Motor der allermeisten Sportvereine. Allerdings ist es auch wichtig, klar zu sagen, dass selbst die beste Sportentwicklungsplanung und die engagiertesten Vereine nicht die Aufgabe haben, alle gesellschaftlichen Konflikte zu lösen. Das entspricht nicht dem Ziel und Selbstverständnis der Beteiligten. Sie nicht zu überfordern, sondern zu motivieren für ihren Einsatz, ist die große Herausforderung, die über die Zukunft des Vereinssports entscheiden könnte. Dass es dank großen Einsatzes funktionieren kann, sehen wir auch an den Frankfurter Vereinen, von denen sich viele engagieren für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt. 2025 geht daher der Sportpreis der Stadt an Vereine, die in genau diesem Themenfeld besonders aktiv sind. Die Gewinner werden im November verkündet.
Inwiefern können kommunale Instrumente wie Sportentwicklungsplanung ein Werkzeug zur Bearbeitung von gesellschaftspolitischen Konflikten sein?
Die kommunale Sportentwicklungsplanung ist aus unserer Sicht ein ideales Werkzeug, um Themen wie Demokratieförderung, Vielfalt und gesellschaftlichen Zusammenhalt aufzugreifen. Der Kommune kommt dabei eine besondere Aufgabe zu, denn sie fungiert als Bindeglied zum organisierten Sport. Vor allem die Quantität und Qualität der Sportstätten stehen in den allermeisten Fällen in der Verantwortung der Stadtverwaltungen, damit werden Grundlagen für eine solide und nachhaltige Vereinsarbeit geschaffen. Vor allem im Prozess der Weiterentwicklung der Sportentwicklungsplanung setzen wir in Frankfurt auf Teilhabeprozesse mit verschiedenen Zielgruppen. Wir werden uns aber auch mit Fragen beschäftigen wie: Wer gestaltet den Raum? Und wo gibt es dabei Raum für Sport außerhalb der genormten Sportstätten? Was sind gute und auch schlechte Orte für Bewegung, welche Konflikte können entstehen und wie kann man sie lösen?
Wo sehen Sie dabei die größte Herausforderung?
Diejenigen zu erreichen, die bisher wenig Kontakt haben zu Bewegung, sei es, weil sie in Quartieren und Stadtteilen leben, in denen es wenige Angebote gibt, oder weil sie bisher wenige persönliche Berührungspunkte zum Thema haben. Das muss uns gelingen, um eine zukunftsweisende Sportentwicklungsplanung aufzustellen. Darüber hinaus müssen wir als Stadtverwaltung an einem Strang ziehen. Die „Vision Sport in Frankfurt 2040“ soll als eine ämterübergreifende Strategie verstanden werden, die ein gesundes und bewegtes Leben in unserer Stadt fördert. Daher freuen wir uns über die Fachtagung „Sportentwicklungsplanung und Demokratieförderung“, um in den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Kommunen sowie dem organisierten Sport zu kommen und zu hören, wie es in anderen Städten und Kommunen funktioniert und wo Stolpersteine liegen, die wir im besten Fall vermeiden können, oder welche guten Beispiele wir uns für unseren Prozess abschauen können.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten: Welche Entwicklung sollte es in den nächsten fünf Jahren geben, damit Sport, Kommune und Demokratieförderung noch enger miteinander verzahnt werden?
Es wäre super, wenn die Themen Sportentwicklung und Demokratieförderung zukünftig noch selbstverständlicher zusammengedacht werden würden. Dass Beteiligungsprozesse, aber auch Angebote und Maßnahmen, die gesellschaftlichen Zusammenhalt im Sport fördern, weiter genutzt und vorangetrieben werden. Dazu sollten im Idealfall der organisierte Sport, aber auch die Kommunen die Vereine noch stärker unterstützen. Daher wünsche ich mir, dass wir alle an einem Strang ziehen und das Ziel vor Augen haben, zukünftig noch mehr Menschen in Bewegung zu bringen.
Zur Person
Seit dem 11. Mai 2023 ist Mike Josef Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main. Aktuell ist der 42 Jahre alte SPD-Politiker auch Dezernent für die Hauptverwaltung und den Sport. Dieser liegt ihm besonders am Herzen. Trotz vollen Terminkalenders versucht er, auch selbst Sport und Bewegung nicht zu kurz kommen zu lassen. Schon in der Jugend war er als Fußballer aktiv und ist heute Fan der beiden Bundesligamannschaften von Eintracht Frankfurt.