„Zukunft in Bewegung - vom Mitspielen zum Mitgestalten“
22. Juni 2024: Die Türkische Gemeinde Deutschland (TGD) und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hatten zur Abschlussveranstaltung der Projekte „Bewegte Zukunft“ und „Bewegte Zukunft UEFA EURO 2024™“ eingeladen. Unter der Moderation von Fatma Erol-Kılıç diskutierten spannende Gäste die Ergebnisse aus drei Jahren Projektlaufzeit.
24.06.2024
Sport gemeinsam gestalten - Visionen für unsere Sportlandschaft
„Wie gestalten wir den Sport und die Sportstruktur in einer diversen Gesellschaft wie der unseren, damit mehr Menschen mit Migrationsgeschichte maßgeblich im organisierten Sport repräsentiert sind?“ In den Räumen des Deutschen Sport & Olympia Museums in Köln, dem kulturellen Hotspot des deutschen Sports, stand diese Frage bei der Abschlussveranstaltung des Projektes „Bewegte Zukunft“ und Begleitprojektes „Bewegte Zukunft UEFA EURO 2024™“ im Mittelpunkt. Vertreter*innen aus dem organisierten Sport, der Wissenschaft, Migrant*innen-Organisationen und Vereinen ließen das Projekt Revue passieren und hinterfragten kritisch, ob das Ziel der Projekte - die Förderung von Menschen mit Migrationsgeschichte in Entscheidungspositionen im deutschen Sport voranzutreiben - erreicht werden konnte.
„Projekte leben von Mitspieler*innen und bei „Bewegte Zukunft“ hatten wir das große Glück, herausragende beeindruckende anpackende Menschen mit an Bord zu haben.“, so begrüßte Michaela Röhrbein, DOSB-Vorständin Sportentwicklung, die Anwesenden gemeinsam mit Serkan Genç, stellvertretender Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde Deutschland e.V. und Zakia Chlihi, Referatsleiterin im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. In Bezug auf die derzeit laufende EM 2024 wurde festgestellt, das solche Großveranstaltungen immer viele positiven Nachrichten mit sich bringen, positive Veränderungen und Annäherungen in unsere Gesellschaft entstehen lassen. „Sport ist ein guter Anfang, Veränderungen voranzutreiben!“ war das Motto des Auftakts.
Dennoch gab Michaela Röhrbein in Bezug auf das Projekt zu bedenken, „dass in Sportvereinen im Verhältnis zu unserer Gesellschaft, weniger Menschen mit Migrationsgeschichte aktiv sind. Und in den Vorständen von Sportverbänden und Vereinen sieht es noch viel drastischer aus. „Bewegte Zukunft“ hat ganz konkrete Anregungen erarbeitet, wie wir das verändern können. Das bietet uns eine riesige Chance.“ Serkan Genç ergänzte passend dazu: „Das Projekt "Bewegte Zukunft" hat sehr gute Best-Practice Lösungen erarbeitet. Nun ist es Zeit diese in die Strukturen des Sports zu tragen und flächendeckend umzusetzen.“
Das Projekt „Bewegte Zukunft“ - Ein Rückblick auf drei Jahre Projektarbeit
Die beiden Projektkoordinator*innen Nicola Franke (DOSB) und Younis Kamil (TGD) gaben im Anschluss einen Überblick über die Ziele, Meilensteine und Erfolge. „Bewegte Zukunft " wurde Ende 2021 ins Leben gerufen mit dem Ziel, Hürden und Gelingensbedingungen für die Erhöhung des Anteils von Menschen mit Migrationsgeschichte und ihren Vereinen im organisierten Sport zu analysieren.
Aufbauend auf den Erkenntnissen aus drei Fokusgruppen, die in Sachsen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen im ersten Projektjahr durchgeführt wurden, entstanden fünf Teilprojekte:
- Quote für Menschen mit Migrationsgeschichte in den Strukturen des organisierten Sports
- Interessenvertretung migrantisch geprägter Sportvereine
- Kompetenzzentrum für Menschen mit Migrationsgeschichte und ihre Vereine
- Strukturelle Förderung für migrantisch geprägte Sportvereine
- Förderung des Ehrenamts im Sport unter Menschen mit Migrationsgeschichte
In allen fünf Teilprojekten wurden Lösungsansätze und Handlungsempfehlungen erarbeitet, die mit dem Ende der Projektlaufzeit kommuniziert werden.
Neben der Interessensvertretung migrantisch geprägter Sportvereine, die aus dem Projekt „Bewegte Zukunft“ heraus gegründet wurde, stellte Otto Addo, ehemaliger Dortmunder Mittelfeldspieler und derzeit Nationaltrainer von Ghana, bei der Veranstaltung sein Projekt „Roots - against racism in sports“ vor. Gemeinsam mit Mitstreiter*innen verfolgt er das Ziel Menschen zu vertreten, die im Sport Rassismuserfahrungen gemacht haben, ihnen eine Stimme zu geben und aktiv gegen alltägliche Diskriminierungen und Rassismus vorzugehen.
Eric M`barga, Beauftragter für Kinder-/Jugendschutz und Prävention beim FC Bayern München konnte mit einer emotionalen Keynote “Zur Wichtigkeit der Repräsentation von Menschen mit Migrationsgeschichte im organisierten Sport“ die Teilnehmer*innen mitnehmen, warum Repräsentanz und Austausch auf Augenhöhe wichtig sind: „Angesichts des demographischen Wandels braucht es PoC-Role Models in Macht- und Führungspositionen des organisierten Sports, um die verschiedenen Communities zum Mitmachen zu animieren! Es braucht neue und kreative Ansätze, um die diverse Zusammensetzung unserer Gesellschaft abzubilden.“ Er appellierte, dass es für die Zukunft im Sport Menschen braucht, welche die Lebenswelten und Verletzungen der Sportler*innen (er)kennen, mit denen sie zu tun haben, diskriminierungssensibel und nachhaltig die physische und mentale Gesundheit der Sportler*innen in den Vordergrund stellen und dass Menschen die Macht haben, dafür sorgen, dass die Sportler*innen mit Migrationsgeschichte ihre Deutungshoheit behalten.
Nach der Mittagspause hatten die Teilnehmer*innen die Möglichkeit in drei Workshopphasen konkretes Wissen für ihre Arbeit in den Vereinen vor Ort zu sammeln und sich mit Expert*innen auszutauschen. Unter anderem standen Workshops zum Thema „Gründung einer Interessenvertretung“, „Erfolgreiche Social Media für meinen Verein“, Dein Verein vernetzt: Erfolgreich Kontakte knüpfen“ und „Interkulturalität spielend lernen“ zur Auswahl. In einer weiteren Session stellte Ronny Blaschke sein aktuelles Buch „Spielfeld der Herrenmenschen - Kolonialismus und Rassismus im Fußball“ vor und trat mit den Teilnehmer*innen in den Dialog.
Migrant*innensportvereine als Potenzial für die Zukunft
Das anschließende als Streitgespräch anmoderierte Rededuell mit Dr. Özgür Özvatan, Dr. Asmaa El Idrissi, Dr. Thaya Vester, Frank Eser und Prof. Dr. Silvester Stahl diskutierte lebhaft die Rolle und das Potenzial migrantischer Sportvereine.
Vor allem wurde hervorgehoben, dass sich die Vereinslandschaft in Deutschland keinen organisierten und ehrenamtlichen Sport ohne migrantische Sportvereine leisten kann. Die Schwierigkeit besteht vor allem darin, sich der Frage zu stellen, wie wir gesamtgesellschaftlich mit etablierten Vereinen und Migrant*innensportvereinen arbeiten werden. Wie können wir in Zukunft gemeinsam agieren und wie schaffen wir es, sowohl Safe Spaces für Menschen mit Migrationsgeschichte zu schaffen - die mit migrantischen Sportvereinen oft gestellt werden - und nicht-migrantische Sportvereine interkulturell zu öffnen. Rassismus und Diskriminierung sind in der Vereinslandschaft nach wie vor allgegenwärtig und solange keine inklusiven Strukturen geschaffen werden, auf Leitungsebene keine diverse Besetzung bestehen, ist eine realistische Abbildung unserer diversen Gesellschaft im Sport und im Verein nicht möglich.
Zum Abschluss der Veranstaltung gaben Cana Nurtsch von der TGD sowie Sabine Landau vom DOSB noch einen Ausblick auf die nächsten Schritte der gemeinsamen Kooperation, und einen Einblick, an welchen Stellen die Ergebnisse des Projektes konkret in die Arbeit des DOSB einfließen.
Die Projekte Bewegte Zukunft und Bewegte Zukunft UEFA EURO 2024™ werden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verwaltet und vom Bundesministerium des Innern und für Heimat gefördert.
(Quelle: DOSB)