Aufbruch in ein neues Leben

Seit 2005 leitet die Diplomsportwissenschaftlerin Romy Mäuslin im Auftrag des DOSB in Kambodscha ein ungewöhnliches Projekt. Sie hilft behinderten Menschen, durch Rennrollstuhlsport neues Selbstvertrauen zu finden.

Romy Mäuslein (re.) betreut in Kambodscha im Auftrag des DOSB behinderte Menschen. Fotos: DOSB
Romy Mäuslein (re.) betreut in Kambodscha im Auftrag des DOSB behinderte Menschen. Fotos: DOSB

Bei dem Projekt geht es um Aufbau und Etablierung eines Programms für körperbehinderte Menschen. Im Mittelpunkt stehen Rennrollstühle, mit deren Hilfe Männer und Frauen nicht nur neue Beweglichkeit, sondern vor allem auch neues Selbstvertrauen bekommen können. Initiiert hat das Programm die „Cambodian National Volleyball League (Disabled)“, unterstützt vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Im Auftrag des DOSB ist Romy Mäuslein jährlich für sechs Monate in dem von Krieg und Armut geschundenen Land tätig.

Immer mehr betroffene Menschen, so Romy Mäuslein, möchten in Kambodscha die Angebote für Rennstuhlsport in Anspruch nehmen. Die Interessenten kommen aus unterschiedlichen Gründen: Viele junge Leute leiden an Kinderlähmung, denn Anfang der 80er Jahre waren in Kambodscha die Polio-Impfungen nicht wirksam. Dazu kommen Opfer der jahrzehntelangen Kriege in Kambodscha. Neben den Kriegsverletzten von damals gibt es heute eine große Zahl von Menschen, die von den noch in den Böden versteckten Minen schwer verletzt werden. Meistens kann ihnen nur durch (Doppel-) Amputationen geholfen werden. Nicht immer haben diese Menschen den Mut, ein neues Leben zu beginnen. Deshalb ist die engagierte Sportwissenschaftlerin sehr froh darüber, dass immer mehr Menschen die Eigeninitiative ergreifen und sich
um einen Platz in den Sportprojekten kümmern. „Dies ist eine positive Entwicklung“, so Romy Mäuslein, und verweist darauf, dass sie bereits nach kurzer Projektlaufzeit sechs Teams mit beinahe vierzig behinderten Sportlerinnen und Sportlern betreut: „Es ist sehr schön zu beobachten, dass mehr und mehr Frauen den Teams beitreten. Es besteht auch schon eine Warteliste.“

Intensive Vorbereitungen

Im Vorfeld erstellte ich in Deutschland eine Liste, welche Sportgeräte und Lehrmaterialien für meine Arbeit notwendig wären. Der Deutsche Olympische Sportbund übernahm die Bestellung und den Versand der Materialien nach Kambodscha. In Phnom Penh erhielt die Botschaft die Sportmaterialien und händigte diese offiziell an die ‘Cambodian National Volleyball League‘, kurz CNVLD aus. Des Weiteren startete ich in Deutschland eine Spendenaktion für die CNVLDSportler. Mehr als 300 Paar Turnschuhe und sechs Rollstühle konnte der DOSB nach Kambodscha senden. In Deutschland fand die Spendenaktion großen Anklang und in Kambodscha konnte damit den Sportlerinnen und Sportlern geholfen werden. In Deutschland besorgte ich mir Lehrmaterialien und Fachliteratur, wie einen Schullehrplan für das Fach Sport oder Literatur für den Rennrollstuhlsportbereich, die mir in Kambodscha bei meiner Arbeit behilflich sein sollten. Aufgrund von Tipps, Anregungen und hilfreichen Erfahrungen eines deutschen Rennrollstuhlsportlers erarbeitete ich einen Trainingsplan für die kambodschanischen Sportler. Mehrfach fuhr ich zum Training des Rennrollstuhlfahrers nach Mannheim, um Eindrücke und neue Ideen für mein Training zu bekommen. Gleichzeitig erarbeitete ich mir Kenntnisse über das Land und die Landessprache ‘Khmer‘.“

Alltag und Selbstvertrauen

Bei dem Sportprogramm in Kambodscha geht es um richtigen Wettkampfsport, deshalb legt Romy Mäuslein großen Wert auf einen genauen Übungsplan. Gleichwohl steht die Vermittlung von neue Lebenserfahrungen im Alltag an erster Stelle: „Am 3. Trainingstag stand ein Ausflug zum Markt auf dem Trainingsplan. Für die zwei ganz frisch verletzten jungen Frauen war es der erste Ausflug in die Stadt. Sie waren aufgeregt, aber auch verängstigt – wegen des Verkehrs und natürlich weil sie sich noch nicht sicher im Rennrollstuhl bewegen, aber auch weil sie das erste Mal mit ihrer Behinderung in der Öffentlichkeit auftreten mussten. Aber es lief prima. Sie sahen toll aus, mit dem Lächeln im Gesicht, den blauen Helmen, den T-Shirts und ihren schwarzen
Rennrollstühlen. Wir haben unterwegs angehalten, waren beim Fotografen. Auf
dem Rückweg haben wir angehalten und Zuckerrohrsaft getrunken. Saverk, eine der Sportlerinnen, begegnete mehreren Freundinnen, die gerade aus ihrer Schule kamen. Dort war die junge Frau bis vor ihrem Unfall Schülerin. Jetzt kann sie nicht mehr zur Schule gehen, weil die Stockwerke hinderlich sind und weil sie nicht mehr bei ihrem Onkel leben darf. Der hat seit dem Unfall nicht mehr mit ihr gesprochen. Schön wäre es, wenn der Sport den jungen Frauen mehr Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein geben kann.“

Probleme bleiben nicht aus

Eine wichtige Aufgabe für Romy Mäuslein ist die gemeinsame Arbeit mit den kambodschanischen Kollegen. Probleme bleiben nicht aus: „Leider musste ich am Anfang feststellen, dass einige der Trainer dem vereinbarten Trainingsplan nicht folgten, sondern übten nur, was sie spontan für richtig hielten. Da stellte sich mir die Frage: Akzeptieren sie den Trainingsplan nicht oder vielleicht meine Person? Oder sind sie es nicht gewohnt sich an einen Plan zu halten? Im Nachhinein würde ich sagen, dass sie überfordert waren mit dem detaillierten Trainingsplan und vor allem damit, diesen zukünftig selbständig umzusetzen. Heute geht alles besser. Ein gemeinsamer Lernprozess ist sichtbar.“

Wettkampf!

Im September 2007 fand in der Stadt Battambang erstmals ein öffentlicher Wettkampf im Rennrollstuhlsport statt: „Am Morgen des Wettkampftages ging es früh los. Nach einer Eröffnungsrede begann das 1. Rennen - 200 Meter der Frauen, gefolgt von den 200-Meter-Rennen der Männer und dem gemeinsamen 5000-Meter-Rennen. Abgesehen von den spannenden Rennen war es schön zu sehen, dass sich um die Straßenabsperrungen eine Menschentraube gebildet hatte, dass die Zuschauer jubelten und die Sportler sich feiern ließen. Auch mit dem Feedback Anderer kann ich sagen: Es war ein gelungener Wettkampf und Auftakt in Battambang.“

Dieser Artikel von Uli Jäger erscheint ab Mitte Februar in der Aktionszeitung  von "Fair Play for Fair Life 2008". Die Zeitung kann kostenlos beim Herausgeber "Brot für die Welt" bezogen werden.


  • Romy Mäuslein (re.) betreut in Kambodscha im Auftrag des DOSB behinderte Menschen. Fotos: DOSB
    Romy Mäuslein (re.) betreut in Kambodscha im Auftrag des DOSB behinderte Menschen. Fotos: DOSB