Christa Thiel: "Im Konzert der besten Nationen gut angesiedelt"

Die Vizepräsidentin des Deutschen Sportbundes, Christa Thiel, sieht ihre Erwartungen an das deutsche Team bei den Olympischen Spielen in Athen erfüllt. Es sei gut im Konzert der besten zehn Nationen angesiedelt. Im Interview mit der dsb-website freut sie sich über jeden Dopingfall, denn dies zeige die Wirksamkeit der Kontrollen.  Das Interview im Wortlaut:

 

Christa Thiel ist Prä­si­den­tin des Deutschen Schwimm-Verbandes und Vize­prä­si­den­tin des Deutschen Sport­bundes (Foto: DSB-Archiv)
Christa Thiel ist Prä­si­den­tin des Deutschen Schwimm-Verbandes und Vize­prä­si­den­tin des Deutschen Sport­bundes (Foto: DSB-Archiv)

   DSB-PRESSE: Wie fällt Ihre Bilanz für das deutsche Team nach bisher zwölf Tagen Olympia in Athen aus?
CHRISTA THIEL: “Einen solchen Wettbewerb wie Olympia sollte jeder immer erst endgültig bewerten, wenn er wirklich zu Ende ist. Derzeit nehmen wir Rang sechs ein, aber der Platz fünf könnte noch erreichbar sein. Selbst wenn es am Ende Platz sechs in der Nationenwertung wird, ist es kein Reinfall. Zum einen werden die Medaillen immer breiter unter den Nationen verteilt, als es früher der Fall war. Daraus geht hervor, dass die Wahrscheinlichkeit für jede Nation auf die Medaillen immer geringer wird. Zum anderen müssen wir einfach sehen, dass es weltweit im Sport Veränderungen und Entwicklungen gibt. Die Länder, die in der Nationenwertung vor uns stehen, haben sowohl vom finanziellen als auch vom menschlichen Potenzial her ganz andere Mittel zur Verfügung. Dennoch: Im Konzert der zehn besten Nationen sind wir immer noch gut angesiedelt.”
 
   DSB-PRESSE: Bei den letzten Spielen von Sydney waren Sie noch im Auftrag der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA unterwegs. Nun gibt es hier eine Menge Dopingfälle. Wie bewerten Sie diese Häufung?
   Thiel: “Überzogen gesagt: Ich freue mich über jeden positiven Fall, denn es zeigt, dass das System der Kontrollen greift. Die Sportler, die keine unerlaubten Griffe zu den Medikamenten machen, können mittlerweile stärker geschützt werden, denn die wissenschaftliche Methodik in der Analyse hat Fortschritte gemacht. Der Hase ist nicht immer nach dem Igel da, sondern mittlerweile auch häufiger vor ihm. Und die Sportler, die nicht dazu gehören, werden vor die Türe gesetzt.”
 
   DSB PRESSE: “Die deutschen Leichtathleten haben beklagt, dass sie sich im Vergleich zu anderen Nationen ungleich behandelt fühlen. Haben sie Recht?
   Thiel: “Es ist richtig, was die Leichtathleten beklagen. Wir haben einfach ein strengeres System in Deutschland. Wir haben zwar ein Reglement der WADA, welches von allen Nationen anerkannt ist. Aber WADA-Reglement und die Umsetzung in die Praxis der Länder sind zweierlei. Die Harmonisierung zwischen beiden ist noch nicht überall erfolgt, das Kontrollsystem wird international noch unterschiedlich gehandhabt. Es geht dabei um Kontrollen ohne Ankündigung und die Reglungen zur Einreise der Kontrolleure. Sie müssen einreisen können, ohne dass irgendjemand im Land davon weiß. Aber dies ist ein ganz schwieriges Feld, das über die Sportpolitik hinausgeht.”
 
   DSB PRESSE: Ein ganz anderes Thema: Sie waren hier an der Spitze des Schwimm-Teams. Wie fällt Ihre Beurteilung aus?
   Thiel: “Sie kann natürlich nur spartenmäßig erfolgen. Unsere Wasserballer haben die Erwartungen in einem hohen Maße übererfüllt. Allein, dass sie unter den ersten Sechs sind, ist ein tolles Ergebnis. Und sie können noch mehr schaffen. Bei den Wasserspringern ist nach dem jetzigen Stand der Dinge das Soll mit einer Medaille erfüllt. Bei den Schwimmern sind wir nicht ganz unzufrieden. Die Zahl der Medaillen ist mit fünf schon gut, aber es hätte eine andere Farbe dabei sein können. Hanna Stockbauer und Franziska van Almsick waren auf Goldkurs, sie haben auch alles gegeben. Aber es hat nicht sollen sein. Zum Trost: Es gibt auch andere wie Popow, die das nicht geschafft haben. Auch bei den erzielten persönlichen Bestzeiten hätte es etwas mehr sein können. Es hat 16 Bestzeiten gegeben, 24 hatte Cheftrainer Beckmann angedacht. Aber eins ist nach Athen klar: Wir werden auch künftig eine der führenden Nationen im Weltschwimmsport sein. Darüber hinaus haben wir im Gefüge des deutschen Sports nicht schlecht abgeschnitten.”
 

 
Die 4x200-m-Staffel um Franziska van Almsick nach dem Gewinn der Bronzemedaille (Foto: Bongarts)
 
   DSB PRESSE: Sie hatten zuletzt das Verhältnis zu den Medien kritisiert. Kam es dort zu einer Verbesserung?
   THIEL: “Es hat sich auf jeden Fall zum Positiven verändert. Beim TV, wo es um einen Sender ging, hat es ja sogar Protest von Seiten des Publikums gegeben. Wir haben die Kritik dann gegenüber dem Sender geäußert, und es wurde besser. Ich sehe nicht ein, dass wir alles hinnehmen müssen. Es gibt doch auch andere, die es gut machen. Wir wollen keine kritischen Berichte verhindern, sondern nur respektlose und ehrverletzende Äußerungen gegenüber unseren Sportlerinnen und Sportlern.”
 
   DSB PRESSE: Wie war denn Ihr persönlicher Eindruck?
   Thiel: “Was in unserem Team passierte, war ganz positiv. Wir haben uns als ganz geschlossener Verband erlebt, über die Fachsparten hinweg. Auch jetzt noch besuchen die Schwimmer die Wettkämpfe der Springer. Es hat keinerlei Schuldzuweisungen gegeben, selbst bei Niederlagen nicht, sondern nur konstruktives Nach-Vorne-Denken. So etwas gab es in der Geschichte des Verbandes noch nie.”


  • Christa Thiel ist Prä­si­den­tin des Deutschen Schwimm-Verbandes und Vize­prä­si­den­tin des Deutschen Sport­bundes (Foto: DSB-Archiv)
    Christa Thiel ist Prä­si­den­tin des Deutschen Schwimm-Verbandes und Vize­prä­si­den­tin des Deutschen Sport­bundes (Foto: DSB-Archiv)