Ein Kommentar von DOSB-Präsident Thomas Weikert
Sport ist meine Leidenschaft. Meinem Verein, dem Tischtennisclub Elz 1947 e.V., bin ich seit meiner Jugend treu. Damit bin ich einer von zig Millionen Menschen in Deutschland, die dem Sport gerade erst einen Rekord beschert haben. 28.764.951 Mitgliedschaften zählen unsere Sportvereine im Land. Nie waren es mehr.
Eine Halle, ein Tisch, ein Schläger, ein Ball, ein Gegenspieler. Mehr brauche ich nicht, um Spaß zu haben, um Freundschaften zu knüpfen, um Alltagsstress abzubauen. Der Sport ist für mich mehr als eine gesunde Freizeitbeschäftigung. Durch meinen Verein habe ich unzählige wunderbare Menschen kennengelernt, habe gesehen, wie Kinder und Jugendliche Spaß am Sport finden, am sich miteinander messen, wie ehrgeizige Menschen lernen, mit Niederlagen umzugehen und Gegnern Respekt zu zollen. Werte, von denen unsere Gesellschaft enorm profitiert und von denen ich mir in unserem Umgang miteinander mehr wünschen würde.
Als Jugendlicher bin ich Mitte der Siebzigerjahre dem TTC Elz beigetreten und habe mich dort als Jugendvertreter ehrenamtlich eingebracht. Diese Aufgabe hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich dem Ehrenamt bis heute, rund 50 Jahre später, zutiefst verbunden bin. Mittlerweile auf anderer Ebene als Präsident des DOSB und Vorsitzender meines Heimat-Sportkreises Limburg-Weilburg. Aber nach wie vor auch im TTC Elz. Seit mehr als drei Jahrzehnten bin ich dort Geschäftsführer.
Mittlerweile bin ich über 60 und die Frage stellt sich sicherlich: Wie lange kann ich dieses Ehrenamt noch ausüben? Und wer folgt mir?
Mit diesen Fragen bin ich und ist mein Verein nicht allein. Ich sehe, wie Sportvereine jeden Tag damit kämpfen, dass zu wenig Personal vorhanden ist. Egal ob Vorstand, Kassenwartin, Übungsleiter oder Trainerin – unsere 86.000 Sportvereine suchen händeringend nach Unterstützung, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Die Bindung und Gewinnung von Ehrenamtlichen, von Trainerinnen, von Schiedsrichtern zählt für Vereine zu den größten Herausforderungen.
Der Rückgang des Engagements liegt vor allem an veränderten Rahmenbedingungen. Die Anforderungen an und Ansprüche von Menschen heute sind andere als früher. Viele wollen sich nicht langfristig für ein Amt binden, sondern lieber kurzzeitig aushelfen bei einem Vereinsfest, an der Kasse am Spieltag, als Co-Trainerin. Ich kann das verstehen und gleichzeitig mache ich mir Sorgen um den Sport – Mitgliederrekord hin oder her. Es ist höchste Zeit, dass die Rahmenbedingungen für das Ehrenamt so angepasst werden, dass es wieder attraktiver wird und Menschen sich gerne engagieren. Das können wir im Sport nicht allein.
Als Sportverband können wir keine Rentenpunkte für ehrenamtliches Engagement einführen, wir können die Ehrenamtspauschale nicht eigenständig erhöhen, wir können in der Gesellschaft nicht mit einer Zauberformel für mehr Anerkennung für ehrenamtliches Engagement sorgen. Dazu braucht es die Politik.
Wenn 28.764.951 Mitgliedschaften in 86.000 Sportvereinen eins bedeuten, dann das: Sport im Verein bringt mehr Menschen zusammen als irgendein anderer Bereich unserer Gesellschaft. Er verbindet, er hält gesund, er integriert und sozialisiert. Und er hat mehr Unterstützung verdient.
Ich weiß, dass nicht jeder in seiner Jugend einem Verein beitreten wird, um Jugendwart zu werden. Das erwarte ich auch nicht. Ich erwarte aber, dass die Politik die Rahmenbedingungen so verbessert, dass Jugendliche und Erwachsene sich engagieren wollen, dass sie das Gefühl haben, dass es sich lohnt, ein Ehrenamt auszuüben. Dass sie dafür die finanzielle, gesellschaftliche und politische Anerkennung erhalten, die sie verdient haben.
Nur dann gelingt uns auch der nächste Mitgliederrekord im Sport. Und dann werde ich auch jubeln.
(Autor: Thomas Weikert, DOSB-Präsident)