Entgegnung von Vorwürfen gegenüber dem NOK
NOK-Anwalt Dr. Günter Paul hat heute (13.02.2004) in einem ausführlichen Interview in der Allgemeinen Zeitung Mainz zur Problematik der DDR-Dopingopfer Stellung genommen. Gleichzeitig entgegnet Dr. Paul Aussagen, die Anwalt Jens Steinigen in einem Interview in der Zeit (Ausgabe vom 05.02.2004) gegenüber dem NOK erhoben hat.
Das Interview der Allgemeinen Zeitung Mainz im Internet:
http://www.allgemeine-zeitung.de/meldungen/objekt.php3?artikel_id=1370829
Im folgenden das Interview im Wortlaut:
NOK-Anwalt nimmt Jens Steinigen ins Visier Im Frankfurter Schadenersatzprozess um DDR-Staatsdoping wird der Ton rauer / Werden Vergleichsgespräche "sabotiert"?Vom 13.02.2004 Von Ulrich Gerecke FRANKFURT Recht und Gerechtigkeit sind oft zwei verschiedene Paar Schuhe. Diese Erfahrung macht derzeit Dr. Günter Paul. "Wir haben Mitgefühl mit den DDR-Dopingopfern und wollen, dass ihnen geholfen wird", sagt der Rechtsanwalt. "Aber dafür gibt es ja den Entschädigungsfonds für Dopingopfer." Aus diesem Topf bekamen die Geschädigten jeweils knapp 10000 Euro. "Deshalb stelle ich mir schon die Frage, ob noch weitere Ansprüche gerechtfertigt sind", meint Paul. Der Fall, von dem der 62-Jährige spricht, wird seit Herbst 2003 vor dem Landgericht Frankfurt verhandelt. Klägerin: Karen König, in der früheren DDR Leistungsschwimmerin. Beklagter: das Nationale Olympische Komitee (NOK), vertreten durch Paul. Klageantrag: Haftung für staatlich verordnetes Doping in der früheren DDR. Ein Thema, bei dem das NOK öffentlich in die Defensive geraten ist. "Ich gehe davon aus, dass es bis zum Bundesgerichtshof geht", hat sich Paul auf einen Prozessmarathon eingestellt. Es geht um viel Geld, denn König verlangt Schadenersatz für ihre durch DDR-Staatsdoping erlittenen körperlichen Schäden. Haftbar dafür ist nach Ansicht von Königs Anwalt Jens Steinigen das NOK, weil es das Restvermögen des liquidierten NOK des einstigen Arbeiter- und Bauern-Staates übernommen hat. Sollte König gewinnen, drohen dem NOK weitere Klagen von über hundert DDR-Dopingopfern - mit ruinösen Folgen. "Es gibt keine Schuld""Das NOK für Deutschland hat sich immer schon für den Kampf gegen das Doping eingesetzt und ist auch weiterhin zur Hilfe und Unterstützung bereit", versichert Paul. Juristisch aber sei der Verband nicht haftbar. "Es gibt keine Schuld", betont Paul, weil das damalige Dopingsystem vom Deutschen Turn- und Sportbund (DTSB) gesteuert worden sei, nicht aber vom DDR-NOK, wie Steinigen behauptet. Das sei schon vor drei Jahren im Strafverfahren gegen den früheren DTSB-Chef Manfred Ewald klargestellt worden: "Da wurde das DDR-NOK mit keinem Wort erwähnt." Deshalb habe auch kein Dopingopfer nach der Wende beim DDR-NOK Schadenersatzansprüche angemeldet, als es darum ging, aus den verfügbaren Millionen alle offenen Schulden zu begleichen. "Das lag den betroffenen Athleten damals völlig fern. Das DDR-NOK war auch nur eine winzige Organisation, die sich an dieser Riesenaufgabe schon organisatorisch nicht beteiligen konnte." Neben der Kernfrage der Haftbarkeit für Schäden aus dem DDR-Doping sei auch nicht bewiesen, ob Königs gesundheitliche Schäden wirklich durch die staatliche Pillenmast verursacht worden sind. Auch beim Thema Verjährung, die Paul je nach dem anwendbaren Recht bei etwa drei Jahren nach Kenntnis von den Schäden und vom Schädiger ansiedelt, ist für den Anwalt nicht das letzte Wort gesprochen: "Ich sehe dem weiteren Verfahren recht gelassen entgegen." Mittel sind zweckgebundenAllerdings wird der Ton immer rauer. So hat König-Anwalt Steinigen stets behauptet, das NOK sei der richtige Adressat für die Forderungen, weil es 5,4 Millionen Mark aus der Konkursmasse des DDR-NOK kassiert habe. Vorige Woche erklärte Steinigen in einem Interview mit der "Zeit", das NOK West habe von diesem Geld 2,2 Millionen Mark zum Stopfen von Haushaltslöchern verwendet und hinzugefügt: "Das grenzt an versuchten Prozessbetrug." Diese Aussage bringt Paul auf die Palme. "Ich werde meinem Mandaten empfehlen, das nicht hinzunehmen", schlägt er dem NOK vor, notfalls auch gegen Steinigen vorzugehen. Der König-Anwalt ist im DDR-Sportsystem groß geworden, wurde 1992 Biathlon-Olympiasieger. "Er müsste es besser wissen", sagt Paul, "mit dieser Aussage hat er sich total disqualifiziert." Denn über die 5,4 Millionen Mark sei zweckgebunden, hauptsächlich für die Förderung infrastruktureller Maßnahmen im Bereich des Sports in den neuen Bundesländern, verfügt worden. "Das NOK darf diese Mittel nicht für andere Zwecke ausgeben, sonst könnte es sich strafbar machen." "Unanständige" AussagenWas die Aussage Steinigens für Paul "unanständig und erschütternd" macht, ist der Zeitpunkt. Erst im Januar hätten sich beide Parteien auf ein Gespräch ohne Vorbedingungen verständigt. "Mit seinen Aussagen hat Steinigen die Möglichkeit für einen außergerichtlichen Vergleich sehr erschwert, er hat das Gespräch vielleicht sogar mit Absicht sabotiert." Man wird sich also wieder vor dem Kadi treffen, wenn ein Vergleichsgespräch unmöglich geworden sein sollte, obwohl Paul den von Bundesregierung und Deutschem Sportbund (DSB) eingerichteten Entschädigungsfonds für Dopingopfer für das beste Instrument hält.