Nach der ersten Woche schon weit über 12.000 Teilnehmer und fast 60.000 gelaufene km: Die Resonanz für den bundesweiten 24-Stunden-Staffellauf "Deutschland läuft für Frieden und Toleranz" ist beachtlich. Viele Menschen wollen gemeinsam mit dem Programm des Deutschen Sportbundes "Integration durch Sport" für eine bessere Eingliederung werben. Hätten Sie jemals mit einer solchen Teilnahme gerechnet?
Steffen Reiche: Die Zahl hat meine kühnsten Hoffnungen übertroffen. Es ist ein großer Erfolg, der zeigt, dass sportliche Aktion und politische Aussagen gut zusammengehen. Der integrative Faktor von Sport beweist hier seine große gesellschaftliche Kraft.
Bei der Auftaktveranstaltung in Potsdam haben Sie von einer Ausweitung der Idee auf die wichtigsten EU-Hauptstädte gesprochen. Wie realistisch ist eine solche Vision von einem Toleranz-Lauf in ganz Europa?
Steffen Reiche: Ich denke, die Entwicklung des Laufs hat es schon ganz gut deutlich gemacht. Aus einer lokalen Veranstaltung wurde innerhalb von nur wenigen Jahren ein Deutschland weites Ereignis. Das "Europäische Jahr der Erziehung durch Sport", das die EU für dieses Jahr ausgerufen hat geht ebenfalls auf eine brandenburgischen Anstoss zurück. Ich habe dafür in Brüssel geworben. Das Europa der Regionen hört also auf diese Signale und deshalb bin ich sicher, dass wir über kurz oder lang auch in anderen europäischen Ländern einen Toleranz-Lauf haben werden.
"Der integrative Faktor von Sport beweist hier seine große gesellschaftliche Kraft."
Sie sprechen von einer Ausweitung. Im Bundesinnenministerium gibt es dagegen Pläne, die Mittel für das Integrationsprogramm zu kürzen. Ist dieses nicht in Zeiten von wachsender Gewaltbereitschaft bei vielen männlichen Aussiedlern nicht gerade das falsche Signal?
Steffen Reiche: Natürlich sind diese Kürzungsvorstellungen immer kritisch zu betrachten. Auch bei Vorstellungen von einer Ausweitung sollten wir uns aber von Visionen leiten lassen und das auch ungeachtet von finanziellen Realitäten, die sich auch negativ auf die Mittel für das Integrationsprogramm auswirken können. Die Ergebnisse der ersten Wochen der bundesweiten 24-Stunden-Staffelläufe „Deutschland läuft für Frieden und Toleranz" belegen, dass neben erforderlichen Mitteln viel wesentlicher die vorhandene Bereitschaft ist, sich über sportliche Aktivitäten für Toleranz und Frieden zu engagieren. Dieses Ergebnis macht Mut, dass beginnend mit gegenwärtigen Vorstellungen, die europaweite Ausdehnung von Berlin aus zu starten ebenso ein solcher Erfolg wird.
Die Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom November 2003 gibt zusätzlich Mut, dass mit der Erklärung des Jahres 2005 zum „Internationalen Jahr des Sports und der Leibenserziehung als Mittel zur Förderung der Bildung, der Gesundheit, der Entwicklung und des Friedens", einen weiteren Impuls für die Fortsetzung von sportlichen Aktivitäten in diesem Sinne zu erhalten.
Was kann getan werden, um die drohenden Kürzungen noch abzuwenden?
Steffen Reiche: Sicher wird das durch Verantwortliche in den verschiedenen Bereichen und Ebenen angesprochen werden müssen. Alle Beteiligten und Interessierten sollten ihre Kräfte allerdings nicht ausschließlich darauf konzentrieren den Kampf gegen die drohenden Kürzungen in den Vordergrund zu stellen. Wir sollten viel mehr Kraft darauf verwenden und auch die ersten positiven Erfahrungen nutzen, um in Kürze die vorhandene bundesweite Resonanz auch auf wichtige EU-Hauptstädte auszudehnen. Hier gibt es schon Ansätze und Kontakte, um dieses trotz drohender Kürzungen zu realisieren. Natürlich ist bei im Raum stehenden Kürzungen dadurch ein noch stärkeres bürgerschaftliches Engagement zur Umsetzung gefragt. Die gegenwärtige vielfache Annahme im bundesweiten Staffellauf und die vorgesehene Ausweitung auf wichtige EU-Hauptstädte werden zusätzlich Motivation für diese erhöhten ehrenamtlichen Aufwendungen sein.