THEMA DES MONATS SEPTEMBER: FAIRPLAY IM FUßBALLVEREIN – ETHNISCHE KONFLIKTE VERHINDERN

Hannover (ids) – Fußball kann bekanntlich die Emotionen anheizen, nicht nur bei Fans, auch bei den Spielern. Vor allem in Problembezirken von Großstädten passiert es immer wieder: Pöbeleien auf dem Platz zwischen gegnerischen Spielern, zwischen Spielern und Schiedsrichtern, zwischen Spielern und Zuschauern. Manchmal enden die verbalen Gefechte als Schlägerei.

 

Link zum Forschungsprojekt der Universität Hannover
Link zum Forschungsprojekt der Universität Hannover

Studien haben nach Auskunft des Gewaltforschers Gunter A. Pilz (Hannover) belegt, dass die Gewalt im Jugendfußball zugenommen hat. Vor allem Jugendliche mit Migrationshintergrund sind demnach beteiligt. Die immer wiederkehrende Folge solcher Konflikte auf dem Rasen sind Spielabbrüche, Sportgerichtsverhandlungen und der Ausschluss von Spielern aus Verein und Verband.

 

In Hannover entsteht ein Netzwerk aus Sport und Sozialarbeit

 

Dieser Ablauf ist wiederum für den Integrationsprozess von nichtdeutschen Jugendlichen ein wenig wünschenswertes Szenario. In Hannover läuft seit nunmehr vier Jahren ein Projekt, das diesen Kreislauf unterbrechen soll. Ein Netzwerk aus Sportverein, Schule und Sozialarbeit will in einer Art Pilotprojekt Konflikte und Gewalt schon im Ansatz erkennen und verhindern.

 

Im Mittelpunkt steht Hasan Yilmaz. Der 33-Jährige ist Sozialpädagoge und fungiert als Schnittstelle im sozialen Umfeld der Jugendlichen. „Ich halte ständigen Kontakt zu den Jugendlichen, ihren Vereinen und den Eltern", erklärt Yilmaz. Er spricht mit Fußballspielern ausgewählter und besonders problembehafteter eigen- und gemischt-ethnischer Fußballvereine und veranstaltet regelmäßige Arbeitsgruppen in der Schule. Beteiligt sind Kids ab 13 Jahren aus den Clubs SV 07 Linden, SV Damla Genc und TuS Marathon Hannover.

 

Hasan Yilmaz im Gespräch mit Jugendlichen (Alle Fotos: Yilmaz).

 

Das Projekt wird unterstützt vom Land Niedersachsen sowie vom niedersächsischen Fußballverband und läuft unter der Federführung von Gunter A. Pilz. Der Konfliktforscher am Institut für Sportwissenschaft der Uni Hannover fordert schon lange eine stärkere Vernetzung von Sport und Sozialarbeit, um den Integrationsgedanken effektiv umsetzen zu können.

 

Nicht nur Fußball: Die Kids schreiben auf, wo Ihnen der Schuh drückt.

 

Hasan Yilmaz hat in Hannover alle Hände voll zu tun. Ein wichtiger Punkt bei seiner Arbeit mit jugendlichen Fußballspielern ist das Konzept der Selbstverpflichtung. Dabei kommen die Mannschaften vor potenziell brenzligen Spielen mit dem Sozialarbeiter zusammen und stellen unter seiner Anleitung Regeln für sich selbst auf. Nicht pöbeln, Zuschauerprovokationen ignorieren, Schiedsrichter­ent­schei­dungen akzeptieren gehören dazu. „Ich habe zum Beispiel vor einem Spiel mit den Trainern beider Mannschaften verabredet, dass eigene Spieler ausgewechselt werden, wenn sie den Schiedsrichter anmachen. Das hat funktioniert." Den Druck zum richtigen Verhalten über das eigene Team aufbauen, das ist Teil des Selbstverpflichtungskonzepts.

 

Auf dem Platz geht es jetzt fairer zu

 

Hasan Yilmaz ist für diese Mittlerposition ein geeigneter Kandidat. Das sozialpädagogische „Handwerk" hat er im Studium mitbe­kom­men. Eine wichtige Rolle spielt aber auch der persönliche Hintergrund. Geboren in Lüneburg, verbrachte Yilmaz seine ersten Schuljahre auf Wunsch der Eltern in der Türkei, kam aber recht bald nach Deutschland zurück. Er spricht türkisch und kurdisch und hat durch seinen kulturellen und sprachlichen Hintergrund bei türkisch- und kurdisch-stämmigen Spielern und deren Eltern einen Vertrauensvorschuss.

 

Sie erzählen ihm ihre Probleme, hören ihm zu und hören auf seinen Rat. Yilmaz hat durch ständigen Kontakt und die Einbindung aller Betroffenen ein Netzwerk geknüpft, in dem Konflikte entschärft werden können, bevor sie entstehen. „Mit einer Selbstverpflich­tungs­er­klä­rung ist es natürlich utopisch, Konflikte völlig auszu­schlie­ßen, aber wir haben es geschafft, dass die Spieler sich bewusster verhalten, dass sie merken, wenn sie sich daneben benehmen, und dass sie das dann hinterher auch zugeben können."

 

Am Institut für Sportwissenschaft an der Universität in Hannover wird das Projekt zur Gewaltprävention im Jugendfußball ständig in Seminaren thematisiert und wenn möglich optimiert. Hasan Yilmaz zieht nach vier Jahren eine positive Bilanz: „In den drei Vereinen, mit denen ich bei meiner Arbeit Kontakt habe, ist die Gewalt auf jeden Fall zurückgegangen. Um das alles noch effektiver zu machen, bräuchten wir aber auch noch mehr Sozialarbeiter."


  • Link zum Forschungsprojekt der Universität Hannover
    Link zum Forschungsprojekt der Universität Hannover