Vereinsentwicklung: Der Vorstand bestimmt die Richtung

Im Seminar des Freiburger Kreises plädierte DTB-Präsident Rainer Brechtken für eine neue Qualität im Binnenklima zwischen Führung und Abteilungen.

Mehr Menschen in die Vereine holen, dazu Bedarf es einer starken Vereinsführung. Copyright: picture-alliance
Mehr Menschen in die Vereine holen, dazu Bedarf es einer starken Vereinsführung. Copyright: picture-alliance

Wie sieht ein Fachverband die Abteilungen? Rainer Brechtken, Präsident des Deutschen Turnerbundes (DTB), hat den Auftritt beim Frühjahrsseminar des Freiburger Kreises (FK) in Bergedorf am zweiten Mai-Wochenende zur einer kritischen Standortbestimmung der Vereinsentwicklung genutzt. „Die Abteilung ist ein Teil des Ganzen. Der Verein als Ganzes muss eine Strategie haben. Sie brauchen einen kleinen Vorstand, der strategisch denkt, aber dann muss entschieden werden. Es geht nur, wenn ich es auch mit professionellen Mitteln mache.“ Eine Kurskorrektur und Absage an den weitverbreiteten Separatismus von Sparten, Mannschaften und Gruppen. „Ein Verein, der nur die Summe der Abteilungen ist, wird meines Erachtens scheitern. Der Vorstand ist die strategische Instanz der Vereins. Er bestimmt die Richtung.“

Zentrale Steuerung verrät Führungsstärke: „Ich muss die Gesamtstrategie haben, in die sich die Abteilungen hineinbegeben.“ Dazu gehört die Integrationen, gerade der Sozialschwächeren, wo weniger das Angebot als vielmehr die Änderung des Lebensstils eine Rolle spielt. Brechtken: „Netzwerke bilden, die Menschen in den Verein holen.“ Neue Formen der Zusammenarbeit, dazu  flexible Angebote helfen Brechtken unterstrich Wert und Ausrichtung auf marktfähige Außenwirkung. Markenpolitik, „da liegt eine große Chance, unsere guten Angebote zu positionieren.“ Die Konkurrenzsituation um Kinder und mit kommerziellen Anbietern (Studios) oder Schulsportvereinen verlangt hochqualifiziertes Personal - in Kindersportschulen etwa, die qualitative Bewegungsmuster und Grundlagen-Ausbildung betonen - sowie reizvolle Sportstätten: „Sie werden die Frage ökonomisch nicht mehr richtig gestalten können, das wird nicht aufgehen.“ Die größten Mitglieder-Einbußen registriert der organisierte Sport derzeit in der Altersklasse zwischen 25 bis 50 Jahren. Brechtken„Wir verlieren nicht nur die Alten, wir verlieren auch die Kinder und wir verlieren potentielle Mitarbeiter.“ Der Bedarf an klassischem Wettkampfsport, Grundbaustein in der Sozialisation von Kindern (Regeln, Rücksicht, Teamgeist) ist nachhaltig, denn viele Jugendliche neigen dazu, sich zu messen. Andererseits gilt es für sie bedarfsgerechte Formen des Wettkampfsports zu entwickeln.

Der demografische Faktor beschert den Vereinen fundamentale Veränderungen. Brechtken: „Kooperationen sind dringend geboten.“ Gerade im Mannschaftssport. In der Vereinsentwicklung sieht der DTB-Präsident keine Not für flexible Nischen-Clubs und große, professionell geführte Vereine, welche die Differenzierung der Angebote abbilden. „Große Sorge machen mir die kleinen Vereine“, mit unprofessionellen Strukturen und geringer Investitionskraft. Auch die Entwicklung, dass Schulsportvereine den Wettkampfsport übernehmen, nagt an der Struktur der Sportbewegung (Ganztagsschule, Konkurrenzkampf um Hallenzeiten und Kinder).

Bei der Rolle der Verbände übte Brechtken Selbstkritik: „Ich weiß, wir sind nicht überall so, wie ich mir das vorstelle. Ich glaube, dass sich die Fachverbände mehr zum Dienstleister entwickeln müssen.“ Hier herrsche Nachholbedarf. Bei der Zukunftsgestaltung, „besteht die Notwendigkeit, das solidarisch zu tun. „Die Verbände müssen sich bewegen“, bleibt eine zentrale Forderung der Großvereine - gerade bei der Geldverteilung. Einen ersten Schritt soll im Dezember die Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) gehen. Die Reform „des Unsinns und der Vielfalt“ (Brechtken) bei der Bestandserhebung ist beschlussreif. Auf die Forderung nach einem Präsidialausschuss Zukunftssport im DOSB reagierte er nicht.

„Wer heute investieren muss, braucht das Zuschusssystem“, warb der Spitzenfunktionär für das Zusammenspiel von öffentlicher Hand und Fachverbänden beim Reizthema Finanzen. Die Finanzströme gelte es leistungs- und basisbezogen zu steuern, die Gestaltung der Kriterien dringend zu überprüfen. Sportförderung müsse sich inhaltlich zu legitimieren und nicht länger pauschal.

„Beschäftigen wir uns eigentlich mit den Abteilungen? Wer blickt über den Tellerrand?“ In Arbeitsgruppen ging das FK-Seminar dem Binnenverhältnis Gesamtverein - Sparten auf den Grund. Schnell wurde der Zwiespalt offenbar: Solidargemeinschaft oder Kostenstelle? Identifikationsdefizite im Gesamtverein (Sparten) und Abteilungen (Mannschaften). Kommerzialisierung ehrenamtlicher übergreifender Dienstleistungen. Mangel an interner Kommunikation, nicht abgestimmt Information nach außen. Wer steuert die Finanzen? Was tut der Hauptverein für die Abteilungen? Reichlich Strukturschwächen taten sich auf: Hauptsache der Laden läuft. Eine Orientierungslinie wurde deutlich: Sportfachlich ist die Abteilung autonom, strategisch und wirtschaftlich gibt der Gesamtvorstand den Kurs vor.

Das Echo auf das Frühjahrsseminar im Sportforum der TSG Bergedorf war mit 66 von 166 Mitgliedsvereinen groß. Die FK-Vorsitzende Silvia Glander (Ratingen) unterstrich: „Das Thema wird offensichtlich gut angenommen.“ Mit Hannover 96, TSG Seckenheim (Mannheim) und TV Augsburg wurden drei Mitglieder neu aufgenommen. Damit zählt die AG größerer deutscher Sportvereine 166 Mitglieder und repräsentiert über 700.000 Mitgliedschaften.


  • Mehr Menschen in die Vereine holen, dazu Bedarf es einer starken Vereinsführung. Copyright: picture-alliance
    Mehr Menschen in die Vereine holen, dazu Bedarf es einer starken Vereinsführung. Copyright: picture-alliance