Wenn die sozialen Tankstellen vorübergehend geschlossen sind

Autor Detlef Kuhlmann wünscht sich, dass die sozialen Tankstellen - sprich Sportvereine - wieder bald geöffnet sind.

Die Sportvereine hoffen bald wieder auf eine Miteinander im Verein. Foto: picture-alliance
Die Sportvereine hoffen bald wieder auf eine Miteinander im Verein. Foto: picture-alliance

Es ist schon seit längerer Zeit populär, Sportvereine als soziale Tankstellen zu bezeichnen, vorzugsweise in gut gemeinten politischen Statements. Seit der Corona-Pandemie hat dieser Tankstellen-Vergleich Konjunktur. Alfons Hörmann, der viel gefragte Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, hat z.B. das Bild gebraucht, um uns schon heute auf die sehnlichst erwartete Zeit nach der Pandemie optimistisch einzustimmen: „Die Vereine werden wieder die Rolle der sozialen Tankstellen des Landes einnehmen und eine wichtige gesellschaftliche Rolle spielen.“ Punkt!

Die meisten sozialen Tankstellen in Deutschland sind gerade wieder vorübergehend geschlossen - da bleibt Zeit, den Vergleich zwischen Tankstelle und Sportverein aufzugreifen und im Bild zu differenzieren. Soviel vorweg: Nimmt man nur die reinen Zahlen in Augenschein, dann stehen Sportvereine im Vergleich deutlich besser dar: Während es „nur“ rund 14.400 richtige Tankstellen gibt, sind wir hierzulande mit knapp 90.000 sozialen Tankstellen deutlich dichter besiedelt. Während richtige Tankstellen mit dem dort erhältlichen Treibstoff für fremdgesteuerte Mobilität sorgen, bieten Sportvereine mit ihren Angeboten „Kraftstoff“ für vielfältige Motorik unserer selbst - mehr noch:

In richtigen Tankstellen gibt es meist noch eine Menge anderer Produkte, die man dort kaufen kann. Im Sportverein kann man so gesehen zwar nichts dergleichen kaufen, aber trotzdem eine ganze Menge von dem unaufgefordert und geradezu gratis mitnehmen, was direkt oder indirekt mit dem Sporttreiben zu tun hat und was man woanders so nicht bekommt - egal, ob wir diese „Produkte“ mit Gesundheit und Gemeinschaft, mit sozialem Wohlbefinden und mit regelgeleitetem Wettstreit etc. umschreiben oder auf Erziehung und Bildung etc. fokussieren.

Und was verbindet nun richtige Tankstellen mit richtigen Sportvereinen? Der Stadtforscher Frank Eckardt von der Bauhaus-Universität Weimar bezeichnet sowohl Tankstellen als auch Sportvereine beispielhaft als Sozialräume, in denen Menschen auf ganz unterschiedliche Weise zusammenkommen. Solche Räume haben Bedeutung für ihr Leben und ihr Lebensgefühl. Wenn also die sozialen Tankstellen in diesem Jahr erstmals in ihrer Geschichte gleich zweimal kurz hinter einander vorübergehend geschlossen worden sind, dann bleibt das nicht folgenlos - einerseits für die Menschen, die dort als aktive oder passive Mitglieder angeschlossen sind, und genauso für diejenigen, die dort haupt- oder ehrenamtlich engagiert sind und Verantwortung tragen. So ganz nebenbei hat die vorübergehende Schließung Folgen selbst für die Menschen, die wir noch als Mitglieder gewinnen wollen, die aber momentan vor „verschlossenen Zapfsäulen“ stehen … während an den richtigen Tankstellen der Treibstoff weiterhin fließt!

Was nun? Die Unterstützung durch Soforthilfefonds und Sonderförderprogramme sind so naheliegend wie notwendig, gleiches gilt für die zukünftigen Investitionszuschüsse, wie sie jüngst der Freiburger Kreis gefordert hat. Aber können sie auch all die immateriellen Schäden in den sozialen Tankstellen ausgleichen, die sich im Grunde gar nicht beziffern lassen, weil dafür keine Geldströme fließen und der entstandene Schaden nicht in brennender Flamme lodert? Nicht alle Vereine sind von der Pandemie in gleicher Weise betroffen, aber jeder Verein muss (s)einen Weg aus der Krise von heute auf morgen meistern.

Denn für die Zeit danach hat Alfons Hörmann eins schon unmissverständlich angekündigt - siehe oben: „Die Sportvereine werden wieder die Rolle als soziale Tankstellen spielen.“ Ach, wenn doch heute schon dieser Wunsch Wirklichkeit würde …

(Autor: Prof. Dr. Detlef Kuhlmann)

In jeder Ausgabe der DOSB-Presse, die wöchentlich erscheint, gibt es einen Kommentar zu aktuellen Themen des Sports, den wir hier veröffentlichen. Diese mit Namen gezeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die offizielle DOSB-Meinung wieder.


  • Die Sportvereine hoffen bald wieder auf eine Miteinander im Verein. Foto: picture-alliance
    Männer und Frauen stehen in einer Sporthalle auf einer Bank mit gehobenen Armen Foto: LSB NRW