„Kienbaum ist ein sehr wichtiger Baustein des Stützpunkt-Netzwerks“
Olaf Tabor (54), Vorstand Leistungssport im DOSB, erläutert die Rolle des nationalen Leistungszentrums in Kienbaum und sagt, warum Olympiastützpunkte keine Konkurrenz, sondern Partner im Leistungssportsystem sind.

13.10.2025
DOSB: Olaf, dem „Kienbaum Olympisches und Paralympisches Trainingszentrum“ wird im deutschen Sport eine besondere Bedeutung zugeschrieben. Warum?
Olaf Tabor: Es ist das einzige Trainingszentrum dieser Art, das wir in Deutschland haben. Seine Bedeutung ist aus der Historie herzuleiten. Kienbaum war ein wichtiges Trainingszentrum der damaligen DDR, dessen großer Vorteil war, an einem ablenkungsfreien Ort ein hoch spezialisiertes Training für eine große Bandbreite an Sommer- und Wintersportarten anbieten zu können. Das hat man nach der Wende sinnvollerweise erhalten und ausgebaut.
Weil es oft durcheinandergerät: Erläutere bitte einmal den Unterschied zwischen einem Trainingszentrum wie Kienbaum und einem Olympiastützpunkt.
Das KOPT ist eine Agglomeration, also ein Zentrum zahlreicher Spezialtrainingsstätten mit großen Unterkunfts- und Versorgungskapazitäten, die ausschließlich dem Spitzensport gewidmet ist. Dort finden vorwiegend Lehrgänge der Nationalmannschaften aus unterschiedlichen Sportarten statt, häufig in Vorbereitung auf internationale Zielwettkämpfe. Das KOPT verfügt allerdings nicht selbst über Fachpersonal für trainingswissenschaftliche, medizinische, physiotherapeutische oder psychologische Versorgung, wie es zum Beispiel an OSP vorgehalten wird. Um es vereinfacht zu sagen: Olympiastützpunkte und Bundesstützpunkte sind Orte für das tägliche Training, das KOPT ist ein Ort für gezielte Lehrgangsmaßnahmen. Alle Elemente des Stützpunktsystems – Olympiastützpunkte, Bundes- und Landesstützpunkte sowie das Trainingszentrum in Kienbaum – haben spezifische Funktionen und Aufgaben mit ihren jeweiligen Mehrwerten für die Leistungsentwicklung der Athletinnen und Athleten.
Was macht den Standort Kienbaum einzigartig?
Es gibt wohl kaum einen zweiten Standort in Deutschland, der quer durch eine breite Sportartpalette über solch ausgezeichnete Trainingsmöglichkeiten verfügt. Ein großer Vorteil ist neben den Trainingsstätten insbesondere die Abgeschiedenheit, zumindest aus trainingstechnischer Sicht. In Kienbaum gibt es keine Ablenkung. Berlin ist weit genug weg und die ÖPNV-Anbindung zu dünn, um spontan dorthin zu fahren. In Kienbaum liegt der Fokus komplett auf dem Training. Insbesondere für Sportarten, die hochgradig trainingsintensiv sind, ist das Zentrum perfekt geeignet und deshalb als Lehrgangsstandort und gerade in der Vorbereitung auf Schlüsselevents wie Olympische Spiele unverzichtbar. Dazu kommt, dass Kienbaum auch ein Dienstort der Bundespolizei ist. Das heißt, dass Kaderathletinnen und -athleten, die bei der Bundespolizei angestellt sind, eine zusätzliche Möglichkeit haben, die dortigen Trainingsmöglichkeiten zu nutzen.
Im deutschen Sport scheint sich ein Trend herauszubilden, spezielle Standorte als „Campus“ auszubauen. Ist das die Zukunft?
Die Campus-Idee wird aktuell tatsächlich intensiv diskutiert. Gemeint sind bestehende Standorte, an denen rund um einen OSP zahlreiche Bundesstützpunkte und weitere Dienstleister wie Schule, Hochschule, Medizinzentrum und so fort angesiedelt sind. Das Zusammenwirken dieser Akteure erscheint vorteilhaft, weil sie eine hohe Betreuungs- und Unterstützungsqualität bei sehr kurzen Entfernungen sicherstellen können. Diese Kompaktheit eines spezifischen Dienstleistungsangebots ist Kienbaum nicht unähnlich. Ich denke, wir brauchen in Deutschland solche Standorte: Kienbaum im Norden und noch zwei weitere in anderen Teilen des Landes. Damit wären wir noch besser aufgestellt.
Ist der DOSB an der Finanzierung von Kienbaum beteiligt?
Nein, wir haben keine finanziellen Mittel, die wir selbst in das Stützpunktsystem hineingeben könnten. Kienbaum ist, wie schon gesagt, im Vergleich zu den Stützpunkten, bei denen auch Länder und Kommunen an der Finanzierung beteiligt sind, ausschließlich bundesgefördert. Beteiligt sind wir allerdings am Trägerverein, der vor allem von ausgewählten Landessportbünden sowie olympischen Spitzenverbänden getragen wird. In meiner Funktion als Vorstand Leistungssport im DOSB bin ich gleichzeitig Vorstandsvorsitzender dieses Trägervereins, in dessen Führungsgremium neben einem Landessportbunds- auch drei Spitzenverbandsvertreter sowie ein weiteres Mitglied aus dem DOSB mitarbeiten.
Vielen Dank für die Aufklärung!