„Lassen Sie uns diese Geschichte gemeinsam weiterführen“
Beim Festakt zum 75. Jahrestag der Gründung des Deutschen Sportbundes stellten alle Beteiligten im Neuen Rathaus in Hannover die Gemeinschaft des deutschen Sports in den Vordergrund und riefen zu Geschlossenheit und Zuversicht auf.

10.12.2025

Unter dem eindrucksvollen Wandgemälde des Schweizer Künstlers Ferdinand Hodler, der sich die Einführung der Reformation in Hannover im Jahr 1533 zum Thema genommen hatte, lief Aydan Özoguz am Mittwochmittag zu Höchstform auf. Die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Sport und Ehrenamt, gekleidet in einen signalroten Hosenanzug, der ihre Zugehörigkeit zur SPD angemessen untermalte, hatte die undankbare Aufgabe, beim Festakt zum 75. Jahrestag der Gründung des Deutschen Sportbundes (DSB) als Dritte zum Grußwort anzutreten. Doch die Worte, die sie im Hodler-Saal des Neuen Rathauses in Hannover fand, in dem exakt 75 Jahre zuvor die Gründungsversammlung des DSB stattgefunden hatte, hallten nach.
„Die Gründung des DSB zeigt ein Stück deutscher Geschichte, geprägt von Menschen, die an die Kraft des Sports geglaubt haben. Lassen Sie uns diese Geschichte gemeinsam weiterführen. Sorgen wir dafür, dass der Sport ein Lernort für basisdemokratische Prozesse bleibt“, rief die Hamburgerin den rund 110 geladenen Gästen zu. Damit war der Ton gesetzt für eine Feierstunde, die im Schnelldurchlauf den Bogen von der Historie bis in die Zukunft schlug, und deren Tenor nicht nur aus den Festreden, sondern auch in vielen Gesprächen herauszuhören war: Nur gemeinsam kann der deutsche Sport seine extrem wichtige Rolle für die gesellschaftliche Entwicklung ausfüllen.
Thomas Weikert, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), der 2006 aus der Fusion von DSB und Nationalem Olympischen Komitee (NOK) hervorgegangen war, sagte in seinem Grußwort: „Die Idee von 1950, alle Kräfte des Sports zu bündeln, hat sich durchgesetzt, sie trägt bis heute und hoffentlich noch weit in die Zukunft hinein. Gerade in Zeiten, in denen die Demokratie gefährdet ist, brauchen wir eine Erinnerungskultur. Wir stehen zu unseren Werten und setzen mit aller Kraft unsere gemeinschaftliche Arbeit fort.“ Belit Onay, Oberbürgermeister der Stadt Hannover, bot seine Unterstützung für die Zukunftsprojekte des deutschen Sports an. „Wir sind bereit mitzuwirken, wir gehen diesen Weg gemeinsam“, sagte der Grünen-Politiker.
In einer von Eva Werthmann, Leiterin der DOSB-Verbandskommunikation, moderierten Talkrunde konnte der Sporthistoriker Andreas Höfer, Direktor des Deutschen Sport- und Olympiamuseums in Köln, interessante historische Fakten beisteuern. Als nach dem Zweiten Weltkrieg prosperierende Sportstadt, aus der 1950 der deutsche Rugby-Meister stammte und die die ersten deutschen Meisterschaften der Nachkriegszeit im Kanu und Rudern ausrichtete, wurde Hannover vor 75 Jahren als Gründungsort der Sportdachorganisation ausgewählt. Heinrich Hünecke, erster Präsident des Landessportbundes Niedersachsen, wurde als Stellvertreter des ersten DSB-Präsidenten Willi Daume gewählt. „Es war eine Sternstunde des deutschen Sports, derer sich die Protagonisten damals nicht gewahr waren. Aber es herrschte Einigkeit darüber, dass es ein Dach brauchte, das dem deutschen Sport Schutz und Sicherheit geben konnte“, sagte Höfer.
Reinhard Rawe, seit 2014 Vorstandsvorsitzender des LSB Niedersachsen, verriet, dass er zehn der 91 DSB-Gründungsmitglieder noch persönlich gekannt habe. „15 von den 91 kamen aus Hannover, neun weitere aus Niedersachsen“, sagte er – und plädierte anschließend deutlich dafür, die Autonomie des Sports nicht infrage zu stellen. „Der DOSB muss als Stimme des Sports ein starker, unabhängiger Partner der Politik bleiben!“ DOSB-Vizepräsidentin Kerstin Holze unterstrich, dass der Dachverband diese Rolle für seine 102 Mitgliedsorganisationen auch künftig mit voller Energie wahrnehmen wolle. „Wir müssen und werden die Stimme des Sports gegenüber unseren Partnern sein. Die Kraft des Sports ist größer als die Herausforderungen, die vor uns liegen!“
Um den Bogen in die Zukunft zu schlagen, schilderte als vierter Talkrunden-Gast Lene Bösing ihren Blick auf diese Herausforderung. Die 16 Jahre alte Rollschuhläuferin, die sich in ihren Vereinen SC Hameln und RST Hummetal ehrenamtlich engagiert, formulierte zwei Wünsche an Politik und Gesellschaft. „Die Hallenzeiten müssen besser geregelt werden, wir haben zu viele Engpässe im Training. Und ich wünsche mir, dass Werte wie Fairness, Toleranz und Respekt im Sport wieder mehr gelebt werden. Sie haben in den vergangenen Jahren etwas gelitten“, sagte die Schülerin – und bekam dafür Szenenapplaus aus dem Publikum.
Zu diesem zählten in erster Linie Vertreterinnen und Vertreter aus der Sportpolitik. Aus Berlin war LSB-Präsident Thomas Härtel angereist. Hamburg war mit LSB-Präsidentin Katharina von Kodolitsch und Sportstaatsrat Christoph Holstein vertreten, Schleswig-Holstein mit LSB-Hauptgeschäftsführer Till Wöllenweber. Aus Bayern war Stephan Mayer, sportpolitischer Sprecher der CSU, zugegen, das Land Nordrhein-Westfalen repräsentierten LSB-Präsident Stefan Klett und der Vorstandsvorsitzende Christoph Niessen. Das DOSB-Präsidium vertraten neben Weikert und Holze noch die Vizepräsidenten Martin Engelhardt und Stefan Raid. Vom Vorstand waren der Vorsitzende Otto Fricke und Michaela Röhrbein, Vorständin Sportentwicklung, dabei.
Der Festakt am Mittwochmittag war nur der Auftakt einer illustren Reihe an Sportgroßveranstaltungen, die in den kommenden Jahren auf Hannover zukommen. 2026 ist die Landeshauptstadt Niedersachsens Gastgeber des Formats „Die Finals“ mit deutschen Meisterschaften in 25 Sportarten, deren Geschäftsführer Hagen Boßdorf im Neuen Rathaus viele Gespräche führte. 2027 gastiert die Handball-WM der Männer in der ZAG-Arena, zwei Jahre später die Frauenfußball-EM in der Heinz-von-Heiden-Arena. Und sollte Hamburg den Zuschlag für die Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Spiele erhalten, wäre Hannover als Teil des Konzepts dabei. „Wir wünschen uns sehr, dass die Spiele wieder nach Deutschland kommen. Aber ich bitte um Nachsicht dafür, dass wir Hamburg besonders die Daumen drücken“, sagte Oberbürgermeister Onay. Bei aller Betonung der Gemeinsamkeit an einem Tag, der die Geschichte des deutschen Sports mit seiner Zukunft verband, sollte ein solches Stück Lokalpatriotismus gestattet sein.







