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Ein bisschen mehr Frisbee würde uns allen guttun

Ultimate Frisbee gilt als eine der fairsten Sportarten der Welt. Bei den World Games in Chengdu überzeugte die deutsche Auswahl mit starken Auftritten, verpasste zwar knapp eine Medaille, aber erhielt den „Spirit-Award“ als fairste Mannschaft im Turnier.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

17.08.2025

Frisbee-Spieler*innen stehen Arm in Arm im Kreis.

Am Ende fehlte dem deutschen Ultimate-Frisbee-Team nicht viel für eine Medaille. Im kleinen Finale um Bronze verlor die Auswahl gegen Frankreich mit 10:13 und musste damit das erste Edelmetall für ein europäisches Team in der World-Games-Geschichte der Trendsportart den französischen Gegenspieler*innen überlassen. „Es war ein Spiel auf Augenhöhe. Wir hatten einige unglückliche Entscheidungen, die dazu geführt haben, dass Frankreich das Spiel nach Hause bringen konnte. Es hat uns auch ein wenig das Glück gefehlt, das ist bitter“, sagte Headcoach Henning Frede nach Spielende. Auch Spielerin Joana Erdmann (31/PTSV Jahn Freiburg) haderte mit der Niederlage: „Bei Gleichstand hätten wir im Angriff die Chance auf den entscheidenden Universe-Punkt gehabt, mit dem wir gewonnen hätten.“

In der Vorrunde hatte Team Deutschland mit Siegen gegen Gastgeber China und Japan überzeugt und dem späteren Goldmedaillengewinner USA bei der knappen 12:13-Niederlage alles abverlangt. Trotzdem reichte es „nur“ zum vierten Rang. Ein starkes, aber auch frustrierendes Ergebnis. „In den entscheidenden Spielen haben wir es nicht ganz geschafft, unsere Topleistung abzurufen, das macht den Unterschied auf diesem Niveau aus“, resümierte Erdmann.

Fairness als Grundprinzip

Dass die deutsche Mannschaft trotz verpasster Medaille den Spirit-Award, eine Art Sonderpreis für das fairste Auftreten, gewann, zeigt die besondere Bedeutung des Fairplays im Ultimate. Nach jedem Spiel bilden beide Teams gemeinsam einen Kreis, bedanken sich und sprechen wertschätzend übereinander. „Es gehört dazu anzuerkennen, dass das andere Team gewonnen hat. Auch wenn es nach Niederlagen schwerfällt, der Respekt gegenüber dem Gegner ist fest in unserer Sportkultur verankert“, so Erdmann. So gibt es neben dem Teamkapitän auch einen Spirit-Captain, der stets das faire Verhalten seiner Mitspieler*innen im Blick hat.

  • Es gehört dazu, anzuerkennen, dass das andere Team gewonnen hat. Auch wenn es nach Niederlagen schwerfällt, der Respekt gegenüber dem Gegner ist fest in unserer Sportkultur verankert.

    Joana Erdmann
    Athletin Ultimate Frisbee
    PTSV Jahn Freiburg

    Der Spirit im Ultimate wird in fünf Kategorien bewertet: Fairness, Respekt, Regelkenntnis, Kommunikation und positive Einstellung. Das deutsche Mixedteam überzeugte in allen Bereichen und begeisterte zudem die chinesischen Zuschauer*innen und Volunteers mit seiner sympathischen Ausstrahlung. „Wir sind stolz, dass wir das geschafft haben. Es zeigt, dass man Leistung und Fairness verbinden kann“, sagt Erdmann.

    Ein Sport ohne Schiedsrichter

    Ultimate wird mit sieben Spieler*innen pro Team auf einem 100 Meter langen und 37 Meter breiten Feld gespielt. Ziel ist es, die Scheibe durch Pässe in die gegnerische Endzone zu bringen, ohne mit der Scheibe in der Hand laufen zu dürfen. Körperkontakt ist verboten.

    Das Besondere: Es gibt keine Schiedsrichter. Lediglich sogenannte Game Advisors unterstützen bei strittigen Situationen mit einer neutralen Perspektive und dem Aufzeigen der Regeln. Entscheidungen treffen aber immer die Spieler*innen selbst. „Die Kernregel ist: Alle spielen fair. Frisbee funktioniert nur mit gegenseitigem Vertrauen“, erklärt Game Advisor Meret Trapp aus Deutschland, die in Chengdu im Einsatz war.

    • Porträtfoto Meret Trapp

      Die Kernregel ist: alle spielen fair. Frisbee funktioniert nur mit gegenseitigem Vertrauen.

      Meret Trapp
      Advisor Ultimate Frisbee
      JinX Midnight Berlin

      Trapp, die selbst aktive Frisbeespielerin des aktuellen deutschen Meisters JinX Midnight in Berlin ist, ist eine von zwei Deutschen, die international als Game Advisor aktiv sind. „In meinen Augen ist es wichtig, dass es keine klassischen Schiedsrichter beim Ultimate gibt. Sonst würden die Spieler aufhören, Verantwortung für ihre Entscheidungen zu übernehmen. Damit geht gegenseitiges Vertrauen verloren.“ In Deutschland werden die Spiele ohne Advisors ausgetragen – ein Unterschied etwa zu den USA, wo bei großen Turnieren sogar Schiedsrichter*innen eingesetzt werden.

      Der Deutsche Frisbeesport-Verband will künftig mehr Game Advisors ausbilden, um bei Meisterschaften internationaler aufgestellt zu sein. „Die Advisors helfen, das Spiel professioneller zu machen, ohne den Grundgedanken des Sports aufzugeben“, so Trapp. Die Verantwortung soll weiter bei den Spieler*innen selbst liegen, die das Spiel gemeinsam regeln. Ein guter Kompromiss, solange die festgelegten 30 Sekunden zur Entscheidungsfindung ausreichen.

      Erdmanns Weg zu den World Games

      Für Joana Erdmann war die Teilnahme in Chengdu ein Karrierehöhepunkt. Zum Frisbee kam sie während ihres Pharmazie-Studiums über den Hochschulsport der Universität Freiburg. Kommiliton*innen nahmen sie 2016 mit zum Training des PTSV Jahn Freiburg – dem einzigen Verein der Stadt mit Frisbee-Angebot. Keine Seltenheit, schließlich gibt es in Deutschland nur wenige Städte, in denen mehr als ein Verein gemeldet ist. Im Breisgau entwickelte sie sich schnell zur Leistungsträgerin, stieg mit dem Team in die Erste Liga auf und feierte 2022 die Deutsche Meisterschaft. Über diesen Weg führte ihr sportlicher Aufstieg bis in die Nationalmannschaft und nun zu den World Games. „Dieser Sport hat seitdem mein Leben mitbestimmt. Man wächst nicht nur spielerisch, sondern auch menschlich durch die Werte, die der Sport vermittelt.“

      „Es ist schade, dass der Frisbeesport so wenig Aufmerksamkeit bekommt“

      In Deutschland gibt es inzwischen gut 200 Vereine mit mehr als 10.000 Aktiven. Der Deutsche Frisbeesport-Verband arbeitet mit seinen elf Landesverbänden (plus zwei in Gründung) daran, Strukturen aufzubauen und den Sport bekannter zu machen. Erdmann sieht noch viel Potenzial: „Es ist schade, dass Ultimate hierzulande noch so wenig Aufmerksamkeit bekommt. Wir brauchen mehr Jugendarbeit, AGs in Schulen und Angebote an Unis. Wer einmal mitspielt, versteht sofort, was diesen Sport so besonders macht. Alle sind willkommen. Man findet schnell Anschluss und Freunde, kann aber ebenso seine sportliche Performance aufs höchste Niveau entwickeln und es bis zu den World Games schaffen.“

      Für Erdmann zählt am Ende aber nicht nur das reine Ergebnis, sondern die Haltung: „Wir wollen gewinnen, aber nicht um jeden Preis. Fairness, Respekt und Gemeinschaft sind Werte, die weit über das Spielfeld hinaus wirken.“ Ein Vorbild für andere Sportarten? Warum nicht? Ein bisschen mehr Frisbee würde uns allen guttun. Überzeugen kann man sich schon am 30./31. August, wenn bei Erdmanns Verein PTSV Jahn Freiburg die Deutschen Meisterschaften im Mixed stattfinden.

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