Neuer Entwurf für ein Sportfördergesetz: Was steht drin und was fehlt?
Seit vergangenem Donnerstag, 23. Oktober, liegt ein neuer Entwurf seitens der Politik für ein Sportfördergesetz vor. Was das für den Sport bedeutet, wo Chancen und Probleme liegen und wie es weitergehen soll.

31.10.2025

Wie wird der deutsche Spitzensport wieder erfolgreicher? Diese Frage stellen sich Sport und Politik bereits seit einigen Jahren. Ausgangspunkt der Debatte ist vor allem die sinkende Anzahl der Medaillen des Team Deutschland bei Olympischen Sommerspielen. Diesem Trend möchte man entgegenwirken und das System so aufstellen, dass Verbände und Athlet*innen am Ende die bestmöglichen Bedingungen vorfinden, um erfolgreich arbeiten zu können.
Ziel ist es, den deutschen Leistungssport, seine Athlet*innen und Verbände wieder in die Weltspitze zu führen – konkret bei Olympischen (Sommer)Spielen wieder unter die Top 5, im Winter weiterhin unter die Top 3 aller Nationen und im nicht-olympischen Sport bei den World Games ebenfalls unter die Top 3. Das Sportfördergesetz soll diesem Ziel einen Rahmen geben.
Kernelement des Gesetzes ist die geplante Gründung einer sogenannten Spitzensport-Agentur. Diese soll in Zukunft unabhängig und mit der größtmöglichen sportfachlichen Expertise Förderentscheidungen treffen können, die voll und ganz den Erfolg und die Potenzialausschöpfung im Spitzensport als Zielmarke haben.
Der erste Anlauf zu einem deutschen Sportfördergesetz war am Bruch der Ampelkoalition im Bund gescheitert, die sich dem Thema nicht weiter widmen konnte. Die neue Staatsministerin für Sport und Ehrenamt, Dr. Christiane Schenderlein, hatte nach ihrem Amtsantritt angekündigt, das Thema wieder aufgreifen und das Vorhaben vorantreiben zu wollen.
Am 23. Oktober 2025 wurde der 57-seitige sogenannte Referentenentwurf des Bundeskanzleramtes für ein neues Sportfördergesetz veröffentlicht. Viele Punkte und Formulierungen orientieren sich dabei an dem ursprünglichen Entwurf der alten Bundesregierung. Es gibt jedoch auch einige gravierende Änderungen, die teilweise im Gegensatz zu bisherigen Absprachen stehen. Welche Veränderungen das sind und weshalb wir diese kritisieren, zeigen wir euch hier.
1. Wieso braucht es ein Sportfördergesetz?
Kurze Antwort in drei abstrakten Worten: Planungssicherheit, Bürokratieabbau, Leistungsfähigkeit.
Es gab in Deutschland bisher noch nie ein Gesetz, das die Förderung des Spitzensports und die Verantwortung des Bundes für die Spitzensportförderung klar festgeschrieben hat. Mit jeder Bundesregierung musste der DOSB die Höhe und die Bedingungen der Förderung für den Leistungssport in Deutschland neu aushandeln. Das kostet viel Kraft und Zeit und verhindert eine gute, langfristige Planung. Ein Sportfördergesetz kann deshalb bei der Planungssicherheit helfen, wenn es eine Förderung des Leistungssports verbindlich festschreibt und nicht mehr abhängig macht von z.B. politischen Unwägbarkeiten.
2. Welche Rolle spielt die Spitzensport-Agentur im Sportfördergesetz?
Als wichtiger Teil – vielleicht sogar das Herzstück – des Sportfördergesetzes gilt die Gründung einer unabhängigen Spitzensport-Agentur. Durch die zentrale Zusammenlegung vieler Aufgaben in dieser Agentur soll das Personal in Sportverbänden entlastet werden. Sie sollen weniger Zeit am Schreibtisch mit Förderanträgen und Verwaltungsaufgaben und dafür mehr Zeit mit und für Athlet*innen verbringen können, um die es letztendlich geht. Die Agentur soll also dabei helfen, unnötige Bürokratie im System abzubauen bzw. zwingend nötige Verwaltungsaufgaben dorthin zu verlagern.
Durch die Planungssicherheit in der Förderung des Leistungssports und weniger Bürokratie dank einer unabhängigen Spitzensport-Agentur könnten die Verbände und die Athlet*innen sich also wieder mehr auf ihren Sport konzentrieren.
3. Wo liegen die Probleme bei dem aktuellen Gesetzentwurf?
Die aktuelle Bundesregierung hat es leider versäumt, die Schwachstellen des alten Gesetzentwurfs zu beseitigen. Gravierender noch, sie hat diese Probleme teilweise verschärft.
Die größten Baustellen sind die fehlende Unabhängigkeit der Spitzensport-Agentur, die aus dem Entwurf gestrichene Kooperation zwischen Politik und Sport auf Augenhöhe sowie der ausbaufähige Bürokratieabbau. Hinzu kommt, dass die Bundesregierung das wichtige Bekenntnis zur finanziellen Verantwortung des Bundes für den Spitzensport im neuen Entwurf gestrichen hat.
4. Was ändert sich an der Struktur der Agentur?
Im jetzt vorliegenden Referentenentwurf sieht das Bundeskanzleramt eine starke Verschlankung des einflussreichen Stiftungsrats vor. Dieser soll von ehemals geplanten 16 Personen auf nunmehr fünf Personen schrumpfen – drei besetzt der Bund, je eine die Länder und der Sport. Diese Verkleinerung des Stiftungsrats begrüßen wir grundsätzlich, da dies zu mehr Entscheidungskraft beitragen könnte. Allerdings hat die Politik dabei vor allem die Plätze von Sport und Ländern gestrichen und sich selbst damit mehr Macht und Entscheidungshoheit zugesichert.
Vor dem Hintergrund der Unabhängigkeit der Agentur ist dies kritisch zu sehen. Die Politik kann somit massiv Einfluss nehmen auf sportfachliche Entscheidungen, die sich eigentlich an Erfolg und Potenzial orientieren sollten und nicht (mehr) an Partikularinteressen.
Wirklich unabhängig kann die Agentur und der für das operative Geschäft zuständige Vorstand dann nicht mehr arbeiten.
5. Entsprechen diese Neuerungen den Vereinbarungen in Kurz- und Feinkonzept?
Nein. Politik und Sport sollten sich in der Agentur auf Augenhöhe begegnen und jeder seine Expertise einbringen. Laut aktuellem Gesetzentwurf soll nun aber nur der Sport Kompetenzen abgeben, die Bundespolitik eignet sich dafür sogar neue Kompetenzen an.
Damit widerspricht das Bundeskanzleramt deutlich den bisherigen Vereinbarungen. In einem gemeinsam vom Bundesinnenministerium, DOSB und Ländern ausgearbeiteten Kurzkonzept aus dem September 2023 heißt es wörtlich: „In der Sportagentur begegnen sich der organisierte Sport und die staatlichen Akteure auf Augenhöhe und gleichberechtigt. Die Unabhängigkeit der Sportagentur in ihren fachlichen Entscheidungen ist für alle Beteiligten eine der wesentlichen Grundvoraussetzungen. Insbesondere wird die Sportagentur die Förderentscheidungen eigenständig und fachlich unabhängig treffen.“
6. Muss bei Verwendung von Steuergeldern nicht die Politik das letzte Wort haben?
Klar ist: Die Förderung des Spitzensports wird aus Steuergeldern finanziert – und ein verantwortungsvoller Umgang mit diesen Steuergeldern ist die Grundvoraussetzung, um auch in Zukunft diese Förderung weiterzuführen. Im Sinne einer demokratischen Legitimationskette befürworten wir den nötigen Grad an Kontrolle durch die Politik in der Agentur. Jedoch ist im aktuellen Gesetzentwurf die notwendige Balance aus Flexibilität beim Einsatz von Ressourcen und Kontrolle nicht gegeben.
Der Spitzensport ist ein hart umkämpftes Feld, bei dem man nicht mit strikten Vorgaben und wenig Flexibilität an die Weltspitze kommt. Man sieht bei bestehenden Stiftungen oder Agenturen wie der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) oder der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND), dass diese Abwägung gut möglich ist. Auch im Ausland wird dieses Modell aus Expertise, Unabhängigkeit und Aufsicht bereits erfolgreich praktiziert. Der Sport fordert also nichts, was nicht an anderer Stelle schon existiert und funktioniert.
7. Gibt es Erleichterungen beim Thema Bürokratie?
Alle sind sich einig, dass im aktuellen System ein zu hohes Maß an Bürokratie herrscht, was dazu führt, dass Sportverbände oftmals von der eigentlichen Arbeit mit den Athlet*innen abgehalten werden, weil sie sich mit Verwaltungsaufgaben beschäftigen müssen. Ein Grund hierfür ist unter anderem die zu hohe Anzahl von beteiligten Organisationen bei der Vergabe von Fördermitteln. Diese wollte man unbedingt reduzieren, indem man die neue unabhängige Spitzensport-Agentur ins Leben ruft, die bestehende Organisationen bei bestimmten Aufgaben ablösen kann und damit Ressourcen bündelt.
Hier war der alte Entwurf schon einen Schritt weiter, da der Agenturvorstand und sein Expertenteam in weitestgehender Autonomie alle Belange der Steuerung und Förderung selbst umsetzen und verwalten konnte. Die administrative Förderabwicklung hätte die Agentur bspw. selbst übernehmen oder selbst einen Dienstleister beauftragen können. Hier fällt der neue Entwurf weit hinter den Stand des gescheiterten Ampelentwurfs zurück: Der Agenturvorstand bekommt das Bundesverwaltungsamt als Dienstleister vorgeschrieben. Damit bleibt allerdings das alte Problem bestehen. Das hohe Maß an Bürokratie, das aktuell besteht, bleibt oder ufert sogar noch aus. Denn wenn alle bestehenden Organisationen weiterhin an Fördervergaben beteiligt sind und zusätzlich noch eine neue Agentur ins Spiel kommt, dann hat man am Ende nicht für eine schlankere Struktur und mehr Effizienz gesorgt, sondern einfach nur einen neuen Player in den Raum geworfen. Das hieße für Verbände und die verantwortlichen Personen im Sport keine Verbesserung in diesem Bereich.
Das ursprüngliche Ziel – die Förderprozesse effizienter zu machen – wird durch den neuesten Entwurf wieder zurückgeworfen. Es droht sogar eine Verschlechterung gegenüber dem Status Quo.
8. Beschwert sich der DOSB jetzt nur, weil er seine Macht im System erhalten will?
Ganz klare Antwort: nein. Oder noch klarer: Im Gegenteil, wir möchten sogar Verantwortung abgeben, nämlich an die unabhängige Spitzensport-Agentur. Die Übereinkunft war, dass alle Beteiligten Verantwortung (und auch Steuerungsmöglichkeiten) an die Agentur abgeben, damit diese effizient arbeiten kann. Das Problem ist: Die Bundespolitik kündigt mit dem neuen Entwurf diese Übereinkunft einseitig auf bzw. erfüllt ihre vereinbarten Pflichten schlicht nicht.
Es geht bei dieser Reform auch gar nicht um den DOSB. Es geht um den gesamten Sport, um die Förderung der Athlet*innen, die Arbeit der Verbände, von Sportdirektor*innen und von Bundestrainer*innen. Diese Gruppen haben wir vor Augen und möchten sie unterstützen.
Wir äußern uns lautstark, weil wir sehen, dass der Gesetzentwurf in die falsche Richtung steuert und den beteiligten Personen und damit dem Leistungssport in Deutschland nicht helfen würde.
9. Wie geht es jetzt weiter?
Der Prozess des vergangenen Jahres hat gezeigt, dass nach dem Referentenentwurf noch viel passiert. Damals unterschied sich der finale Gesetzentwurf auch deutlich vom ersten Referentenentwurf – und bis zum parlamentarischen Verfahren, in dem weitere Änderungen möglich sind, ist es nicht einmal gekommen.
Auch jetzt gilt wieder: Dieser erste Entwurf geht nun in die Abstimmung und ist keinesfalls die finale Version. Wir wollen zusammen mit der Politik weiter an der geplanten Reform arbeiten. Der aktuelle Zeitplan sieht vor, dass bis Ende 2025 ein Entwurf im Bundeskabinett vorliegt, damit das Gesetz bis Sommer nächsten Jahres vom Bundestag verabschiedet werden kann. Ob dieser Zeitplan am Ende aber eingehalten werden kann, steht auch noch auf einem anderen Blatt.
Bis dahin werden wir uns als DOSB weiter in die Diskussion einbringen, konkrete Verbesserungsvorschläge unterbreiten und versuchen, ein gutes Ergebnis für den Sport, die Athlet*innen und alle beteiligten Personen zu erzielen. Leider hat der Auftakt mit dem jetzt vorliegenden Referentenentwurf und auch mit dem Vorgehen der Bundesregierung bei der Veröffentlichung den Prozess nicht vereinfacht.
Grundsätzlich ist es wichtig, dass wir mit der Reform und dem Sportfördergesetz so schnell wie möglich vorankommen, damit Klarheit herrscht für Verbände und Athlet*innen. Wenn wir das schaffen, dann können wir guter Dinge in die sportliche Zukunft blicken und unser Ziel von Top 5- bzw. Top 3-Platzierungen bei Olympischen Spielen und World Games auch erreichen und verstetigen.
