Neues Freiwilligensurvey: Sport bleibt Vorreiter trotz sinkender Engagementquote
Sportvereine bleiben Spitze! Das zeigen die neuen Zahlen des Deutschen Freiwilligensurvey. Doch die Zahl der Engagierten sinkt. Wo Sportvereine ansetzen können, um Freiwillige zu finden und zu halten – und wo die Politik gefragt ist.

18.11.2025

Sportvereine bleiben die mit Abstand beliebtesten Orte für freiwilliges Engagement in Deutschland.
Das geht aus dem neusten Deutschen Freiwilligensurvey (FWS) hervor, der im Auftrag der Staatsministerin für Sport und Ehrenamt, Dr. Christiane Schenderlein (CDU), erstellt wurde. Für die Studie werden seit 1999 alle fünf Jahre mehr als 27.000 Menschen in Deutschland zu ihrem freiwilligen Engagement befragt. Der 6. FWS ist am 14. November erschienen.
Wie der Sport darin abschneidet und was Sportvereine daraus lernen können, zeigen wir euch hier.
Sport bleibt Vorreiter
Im Jahr 2024 sind 36,7 % der Bevölkerung ab 14 Jahren in Deutschland freiwillig engagiert, das entspricht 26,97 Millionen Menschen.
Von diesen knapp 27 Millionen Menschen engagieren sich rund 13 % im Sport. Damit liegt der Sport weiterhin deutlich an der Spitze der Tabelle, noch vor dem sozialen Bereich (7,9 %), Kultur und Musik (6,3 %) sowie Schule und Kindergarten (6 %).
Sportvereine leisten damit einen zentralen Beitrag für gesellschaftlichen Zusammenhalt, Teilhabe und Integration. Gleichzeitig ist der Sport stark auf dieses Engagement angewiesen, ohne das die 86.000 Sportvereine im Land nicht funktionieren würden.
Engagementquote insgesamt gesunken
Die Studie zeigt auch, dass die Engagementquote seit 2019 weiter zurückgegangenen ist, wodurch der Druck auf die ehrenamtlichen Strukturen zunimmt. 2019 lag die Engagementquote noch bei 39,7 % und ist somit innerhalb von fünf Jahren um 3 Prozentpunkte gesunken.
Die Bereitschaft der Menschen in Deutschland, sich freiwillig zu engagieren, bleibt also grundsätzlich auf einem hohen Niveau von deutlich über 30 %, aber seit 2014 ist ein Abwärtstrend erkennbar.
Druck auf Sportvereine steigt
Die Zahlen aus dem FWS bestätigen damit die Ergebnisse des Sportentwicklungsberichts aus dem Mai 2025 (Der Zustand des organisierten Sports) und ergeben zusammen mit dem erneuten Mitgliederrekord des Sports ein klares Bild: Sportvereine wachsen weiter, während die Suche nach ausreichend freiwillig Engagierten zunehmend schwieriger wird.
Diese Diskrepanz stellt viele Sportvereine vor Herausforderungen.
Die Ergebnisse des aktuellen FWS lassen Ansätze erkennen, wo Sportvereine selbst aktiv werden können, um diesem Trend entgegenzusteuern und zeigen gleichzeitig, wo strukturelle Probleme liegen, die von der Politik angegangen werden müssen.
Finden und Halten
Grundsätzlich besteht für Sportvereine ein zweifaches Potential: Neue Freiwillige finden und bestehende Freiwillige halten.
Spannend und erfreulich ist, dass unter den Menschen, die sich derzeit nicht freiwillig engagieren, eine große Bereitschaft herrscht, das zu ändern. 41 % dieser Leute gaben an, dass sie sich vorstellen können, in Zukunft aktiv zu werden und sich einzubringen.
Dabei besteht kein Unterschied zwischen Männern und Frauen. Allerdings zeigen jüngere Menschen bis 29 Jahre eine deutliche höhere Bereitschaft, sich zu engagieren, als ältere Menschen über 65.
Für Sportvereine könnte das bedeuten, dass sie insbesondere auf die jüngere Kohorte aktiv zugehen sollten, um hier neue Kandidat*innen für ein Engagement im Verein zu gewinnen. Gleichzeitig ist für jüngere Menschen oftmals ein zeitlich begrenztes Engagement attraktiver, da sie z.B. mit dem Berufseinstieg oder der Gründung einer Familie vor Lebensabschnitten stehen, die einen Großteil ihrer persönlichen Zeit einfordern (werden).
Gerade deshalb und vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung, sollte auch die Gruppe der Ü65-Jährigen gezielt angesprochen werden. Insbesondere, weil die zeitliche Ressource, die viele Menschen von einem Engagement abhält, bei älteren Menschen oftmals freier verfügbar ist. Zudem bringt die ältere Generation viel Wissen und Erfahrung mit, die sie in den Verein einbringen kann.
Bei denjenigen, die bereits ein freiwilliges Engagement ausüben, zeigt sich, dass sowohl die Häufigkeit als auch der Stundenumfang leicht gestiegen sind. Im Schnitt engagieren sich Menschen mindestens ein Mal pro Woche in einem Umfang von bis zu zwei Stunden.
Der Anteil derer, die über diesem Schnitt liegt und sich mehrmals pro Woche mit mindestens drei Stunden engagiert ist im Vergleich zu 2019 gestiegen.
Das könnte sowohl darauf hindeuten, dass die Bereitschaft, sich umfassender einzubringen, gestiegen ist, gleichzeitig könnte es auch ein Hinweis darauf sein, dass es an ausreichend Engagierten mangelt und das bestehende Personal diese Lücke durch ein höheres zeitliches Investment zu füllen versucht.
Wie Sportvereine ihre Engagierten halten können
Die positive Nachricht ist: Der größte Teil der bereits Engagierten hat nicht vor, seine Tätigkeit zu beenden. Laut FWS geben 70 % der Befragten Menschen an, ihr Engagement in Zukunft fortsetzen zu wollen. 10 % haben sogar vor, ihr Engagement zeitlich auszubauen. Nur 6 % der Engagierten sagen dagegen, dass sie ihre Tätigkeit ganz beenden möchten.
Trotzdem können und sollten Sportvereine darauf achten, dass die bereits im Verein engagierten Menschen zufrieden sind mit ihrer Tätigkeit. Dabei hilft ein Blick auf die Gründe für eine Beendigung eines freiwilligen Engagements: Der deutlich größte Anteil der Befragten gibt hier laut FWS an, dass sie ihr Engagement aufgrund des zeitlichen Aufwands oder aus beruflichen Gründen beendet haben. Auch familiäre und gesundheitliche Gründe werden hier oft aufgeführt.
Bei diesen berechtigen Motiven sind Sportvereinen gewissermaßen die Hände gebunden. Denn ein Verein kann natürlich keinen Einfluss nehmen auf die berufliche oder familiäre Situation einer Person. Man kann höchstens versuchen, Personen mit gezielten Angeboten – z.B. einer vorübergehenden Reduzierung der Stunden – im Verein zu halten und sie nicht ganz zu verlieren und darauf zu bauen, dass sie sich zu einem späteren Zeitpunkt wieder mehr einbringen können.
Spannender ist vor dem Hintergrund aber etwa, dass 19 % der Menschen angaben, dass sie ihr freiwilliges Engagement beendet haben, weil sie sich dafür nicht mehr geeignet fühlten. Aus dem Sportentwicklungsbericht wissen wir, dass Menschen im Sport länger engagiert bleiben, wenn sie sich für die Tätigkeit ausreichend qualifiziert fühlen. Das Ergebnis überrascht auf den ersten Blick also nicht.
Es eröffnet Vereinen aber klare Chancen: Engagierte sollten regelmäßig ermutigt werden, sich fortzubilden. Über das System der DOSB-Lizenzen können freiwillig Engagierte sich vielfältig aus- und weiterbilden, ob als Trainer*innen, Übungsleiter*innen oder Vereinsmanager*innen. Sportvereine sollten diese Möglichkeiten aktiv nutzen und unterstützen. Davon profitiert sowohl die einzelne Person, die neues Wissen erlangt, als auch der Verein, weil qualifiziertes Personal im Schnitt länger engagiert bleibt und der Verein somit weniger Engagierte verlieren könnte.
Auch bei einer weiteren Zahl können Vereine aktiv werden: 10 % der Befragten geben an, dass sie ein Engagement beendet haben, weil sie es sich finanziell nicht mehr leisten konnten, Zeit dafür aufzuwenden.
Wenngleich Sportvereine nicht in Geld schwimmen und verantwortungsvoll mit ihren Finanzen umgehen müssen, ist es ein positives Signal der Politik, dass die Ehrenamts- und Übungsleiterpauschalen 2026 angehoben werden sollen. Sportvereine können ihren Engagierten in Zukunft also mehr Geld für die Tätigkeit steuerfrei zahlen. Sofern machbar, sollte diese Möglichkeit genutzt werden, um den Aufwand besser zu kompensieren. Damit können möglicherweise Personen von einer Fortführung ihres Engagements überzeugt werden.
Wo die Politik gefragt ist
Gleichzeitig gibt es zahlreiche Gründe für den Rückgang und allgemeinen Mangel an Engagierten, für die der Sport weder verantwortlich ist noch handlungsfähig, um eigenständig Verbesserungen zu bewirken.
2025 hat der organisierte Sport den zweiten Mitgliederrekord hintereinander gefeiert und zählt mittlerweile mehr als 29 Millionen Mitgliedschaften. Auf weniger freiwillig Engagierte in Sportvereinen treffen also immer mehr Menschen.
Deshalb sehen sich mehr und mehr Vereine gezwungen, Wartelisten aufzustellen, weil die Nachfrage das Angebot übersteigt. Die Politik sollte diese Zahlen als dringendes Signal verstehen, um das Ehrenamt in Deutschland und im Sport besser zu fördern.
Ein Großteil der Zeit von Engagierten im Sport wird heutzutage dafür aufgebraucht, um bürokratische Hürden zu meistern, anstatt sich um das Kerngeschäft kümmern zu können. Vor dem Hintergrund der mangelnden zeitlichen Kapazitäten vieler Menschen, ist es ein dringendes Anliegen, die Bürokratie für Vereine auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Dies könnte einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass wieder mehr Menschen den Weg in ein Ehrenamt finden, weil sie wissen, dass die Tätigkeit sich zeitlich und inhaltlich gut abschätzen lässt.
Mit Maßnahmen aus dem Steueränderungsgesetz 2025 als Teil des Zukunftspakts Ehrenamt geht die Politik hier den richtigen Weg. Es ist wichtig, dass diese Pläne durch gezielte Anerkennungs- und Qualifizierungsangebote, z.B. in Form einer Ausbildungsoffensive, unterstützt werden.
Sportvereine können ihr volles Potential zu mehr Gesundheit, mehr Teilhabe und mehr gesellschaftlichem Zusammenhalt nur dann ausschöpfen, wenn ihnen die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung stehen.
Die Politik ist gut darin beraten, dies ernst zu nehmen und in das Ehrenamt als zentralen Bestandteil unserer Gesellschaft zu investieren!
Der Deutsche Freiwilligensurvey
Mit dem Deutschen Freiwilligensurvey (FWS) wird seit mehr als 25 Jahren über die Entwicklung des freiwilligen Engagements in Deutschland berichtet. Zusammen mit den Ergebnissen aus den bisherigen fünf Surveys können Entwicklungen im freiwilligen Engagement seit 1999 beschrieben werden.


