Was gut war, wo wir besser werden können - und auf was ich mich freue
Thomas Weikert, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, blickt vor der Mitgliederversammlung zurück auf die Höhen und Tiefen des Sportjahres 2025 - und voraus auf ein Jahr, das sportliche und sportpolitische Weichenstellungen bringen wird.

05.12.2025

Liebe Sportfreundinnen und Sportfreunde,
bevor ich euch auf meine kleine, persönliche Reise durch das Sportjahr 2025 mitnehme, möchte ich die Gelegenheit nutzen, um Stephan Brause um Verzeihung zu bitten. Ich glaube, ich habe den Leiter unseres Ressorts Olympiabewerbung am 26. Oktober an den Rand des Nervenzusammenbruchs getrieben. Es war der Abend des Referendums in München, und ich war so aufgeregt und nervös, dass ich Stephan immer wieder Nachrichten geschickt habe, um den aktuellen Stand der Auszählung zu erfragen. Als um 18.45 Uhr immer noch kein Ergebnis vorlag, habe ich ihn angerufen und gefragt, was nun Sache ist. Wenig später konnte er mir die frohe Kunde von überragenden 66,4 Prozent Zustimmung überbringen. Mein Abend war gerettet!
Was aber viel wichtiger war als meine persönliche Gefühlslage an diesem historischen Abend: Deutschland hat endlich wieder einen Kandidaten, um ins internationale Rennen um die Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Spiele einzutreten! Dass in München erstmals in der weltweiten Sportgeschichte ein Bürgerentscheid über Sommerspiele gewonnen wurde, ist ein sehr wichtiger Schritt für unser Land. Und wenn alles gut läuft, gehen diesen Schritt im kommenden Jahr auch die drei weiteren Bewerber aus Berlin, Hamburg und Rhein-Ruhr. Aber dazu später mehr, zunächst gilt es zurückzuschauen.
Vor einem Jahr standen wir vor großen Herausforderungen
Um einordnen zu können, was der organisierte Sport in Deutschland in diesem Jahr erreicht hat, ist es notwendig, den Blick ins vergangene Jahr zu richten. Vor der Mitgliederversammlung im Dezember 2024 stand der DOSB ohne Vorstandsvorsitzenden da - und gleichzeitig vor der Herausforderung, mit einer neu zu wählenden Bundesregierung den mit der gescheiterten Ampelkoalition fast schon abgeschlossenen Prozess der Implementierung eines Sportfördergesetzes neu aufzulegen und auch die uns wichtigen Themen im Koalitionsvertrag unterzubringen. Den Prozess zur Olympiabewerbung haben wir in Richtung eines „One-Village-Konzeptes“ modifiziert, um international größere Erfolgschancen zu haben. Und mit der Einführung eines Safe Sport Codes betraten wir als erste zivilgesellschaftliche Organisation in Deutschland Neuland, dessen Erschließung Ungewissheiten beinhaltete.
Wenn ich heute, rund ein Jahr später, auf das schaue, was sich aus diesen Herausforderungen entwickelt hat, glaube ich guten Gewissens sagen zu können, dass 2025 ein gutes Jahr für den Sport in Deutschland war. Münchens Erfolg habe ich bereits erwähnt; wir freuen uns aber auch darüber, dass wir einen Prozess initiiert haben, den alle vier Bewerberregionen als transparent und fair empfinden. An diesem Samstag stimmt die Mitgliederversammlung über den weiteren Weg zur Findung des nationalen Kandidaten ab. Die Unterstützung für die Bewerbung ist vollumfänglich vorhanden, am Donnerstag dieser Woche haben die Bundesregierung unter Führung von Bundeskanzler Friedrich Merz, die vier Bewerberregionen und der DOSB eine politische Vereinbarung zur Olympiabewerbung unterzeichnet, das sogenannte „Memorandum of Understanding“. 34 namhafte Unternehmen haben sich in einer Wirtschaftsinitiative zusammengeschlossen, um ihrerseits die Bewerbung zu fördern. Und wir sind Ende November mit dem Internationalen Olympischen Komitee in den Continuous Dialogue eingetreten, was uns zum offiziellen Interessenten für die Ausrichtung macht. Unser Ziel, eine Bewerbung zu gestalten, die dem gesamten Land dient, können wir durch diese Geschlossenheit untermauern, und das freut mich ganz besonders.
Großer Dank an unsere Vorstände
Diese Unterstützung war eine unserer drei Kernforderungen an die Bundespolitik, die wir vor der Bundestagswahl im Februar formuliert hatten. Dass es auch die anderen beiden in den Koalitionsvertrag geschafft haben, verdanken wir in erster Linie der beharrlichen Arbeit unserer Gremien und Ressorts. Zu einem nicht unwesentlichen Teil aber auch Volker Bouffier, der in den ersten sieben Monaten dieses Jahres als Vorstand mit besonderen Aufgaben die Vakanz auf dem Vorstandsvorsitz nicht nur tilgen, sondern dank seines persönlichen Netzwerks auch Impulse geben konnte, die tief in die Politik hinein gewirkt haben. Meine beiden ganz persönlichen Höhepunkte des Sportjahres 2025 sind deshalb die Gewissheit, dass die Personalie Bouffier die erhoffte Wirkung erzeugt hat, und der Fakt, dass Otto Fricke sich als neuer Vorstandsvorsitzender von September an sehr gut in das manchmal komplizierte Gebilde DOSB eingefügt hat. Dass beides möglich war, liegt in besonderem Maße in der unermüdlichen Arbeit unserer Vorstände Michaela Röhrbein, Thomas Arnold, Leon Ries und Olaf Tabor begründet, die insbesondere in der Zeit ohne Vorstandsvorsitzenden Großartiges geleistet haben.
Ich weiß, dass unsere Kritikerinnen und Kritiker diese Bilanz dadurch verwässert sehen könnten, dass die Sportmilliarde, die wir pro Jahr gefordert hatten, aktuell noch nicht in jedem Jahr fließen soll. Und dass die Beziehung zur neuen Staatsministerin für Sport und Ehrenamt - ein Amt, das unsere dritte Forderung war - dadurch gelitten hat, dass der Referentenentwurf zum Sportfördergesetz veröffentlicht wurde, ohne dass er mit dem DOSB vorabgestimmt worden ist. Das mag man so sehen, ich sehe es anders. Manche Dinge brauchen eben Zeit, um sie komplett durchzusetzen, und gegenseitiges Vertrauen, das wachsen muss. Und manche sind schlicht Machtspiele, die in der Politik regelmäßig vorkommen.
Weder ich noch meine Kolleginnen und Kollegen in Vorstand und Präsidium verschließen die Augen davor, dass wir als DOSB unsere Außendarstellung und unsere Vertrauenswürdigkeit noch optimieren können. An manchen Stellen dürfen wir uns noch offensiver einbringen, an anderen müssen wir deutlicher auf unsere Expertise und unsere Verantwortung pochen. Aber grundsätzlich bin ich überzeugt davon, dass wir im Jahr 2025 sowohl im Binnen- als auch im Außenverhältnis wichtige Schritte in die richtige Richtung gegangen sind, um möglicherweise verloren gegangenes Vertrauen in unsere Kompetenzen zurückzugewinnen. Daran, auf diesem Weg alle mitzunehmen und die ungemein vielfältigen Themenbereiche, die unsere Arbeit im DOSB umfasst, auszugestalten und stetig weiterzuentwickeln, arbeitet unsere gesamte Belegschaft jeden Tag mit großer Leidenschaft und Energie. Dafür möchte ich an dieser Stelle meinen herzlichen Dank aussprechen.
Und nun zum Sport, denn der Sport ist der Mittelpunkt unseres Lebens. Ich bin sehr stolz auf unser Team D, das bei den World Games in Chengdu im August Rang zwei in der Medaillenwertung erreicht hat. Wenn man weiß, wie ernst China als Gastgeber diese Weltspiele der nicht-olympischen Sportarten genommen hat, fühlt sich auch Rang zwei wie Gold an. Dieser Erfolg ist ganz nebenbei auch ein schönes Zeichen dafür, dass unsere breite Sportförderung wirksam ist. Und vielleicht können wir in vier Jahren als Gastgeber mit Karlsruhe den Chinesen ja die Spitzenposition wieder abgraben!
Auch bei den European Youth Olympic Festivals in Georgien im Winter und Nordmazedonien im Sommer konnten unsere Nachwuchsathletinnen und -athleten nicht nur Medaillen, sondern auch wichtige Erfahrungen für ihre Karrieren sammeln. Und mit der Ausrichtung der World University Games hat die Region Rhein-Ruhr im Juli nachgewiesen, dass sie für Sportgroßveranstaltungen ein würdiger Gastgeber sein kann. Ein Zeichen, das sportpolitisch nicht zu unterschätzen ist – wie auch die Ausrichtung der Generalversammlung der European Olympic Commitees, die Anfang März in Frankfurt am Main stattfand, und für die wir ein herausragendes Feedback erhalten haben.
Erinnerung an Laura Dahlmeier bleibt lebendig
Bei aller Freude über wichtige Meilensteine hat das Sportjahr 2025 selbstverständlich auch seine traurigen Momente gehabt, allen voran den 28. Juli. Am Tag, als der Tod Laura Dahlmeiers Gewissheit war, stand der gesamte deutsche Sport still. Die tiefe Betroffenheit, die diese Nachricht auch weltweit ausgelöst hat – die neue IOC-Präsidentin Kirsty Coventry hat mich direkt angerufen und kondoliert, was ich als sehr wertschätzend empfunden habe –, war für mich das untrügliche Zeichen dafür, dass Laura nicht nur wegen ihrer sportlichen Erfolge in Erinnerung bleiben wird. Ein so tragisches Ereignis, dass eine 31 Jahre alte Weltklassesportlerin beim Ausüben ihres liebsten Hobbys zu Tode kommt, ist per se schon aufwühlend genug. Aber Laura war vor allem wegen ihres Einsatzes für den Sport, ihrer Leidenschaft für die Natur und ihrem Engagement für die Gesellschaft so beliebt. Mein persönliches Mitgefühl gilt ihren engsten Angehörigen, die nicht einmal die Möglichkeit hatten, den Leichnam zu bestatten. Wir vermissen Laura sehr und werden sie in bester Erinnerung behalten.
Es wird vor allem für diejenigen, die Laura gut kannten, nicht einfach sein, im Februar bei den Olympischen Spielen in Norditalien ihres Fehlens noch einmal besonders gewahr zu werden. Dennoch ist die Vorfreude auf dieses Großereignis bereits im gesamten DOSB zu spüren. Die Winterspiele sind für das Team D im kommenden Jahr ohne Frage der sportliche Höhepunkt, und ich bin guter Dinge, dass wir unseren Platz unter den besten drei Wintersportnationen der Welt zementieren können. Gespannt bin ich aber auch auf die Youth Olympic Games, die im November 2026 zum ersten Mal in der Geschichte auf den afrikanischen Kontinent kommen, genau gesagt nach Dakar im Senegal. Die Welt wächst weiter zusammen, und der Sport ist dafür ein wichtiger Treiber.
Welche Kraft er für unsere Gesellschaft hat, haben wir auch in diesem Jahr wieder eindrucksvoll untermauern können. Der erneute Mitgliederrekord, den wir mit nun 29,3 Millionen Mitgliedschaften vermelden konnten, zeigt die ungebrochene Beliebtheit der Angebote, die unsere 86.000 Vereine machen. Der Sportentwicklungsbericht bestätigt, dass Sportvereine in Deutschland eine zentrale Institution für Sport und Bewegung sind und eine bedeutende gesellschaftliche Rolle einnehmen. Allein der Kinder- und Jugendsport in Deutschland schafft, so das Ergebnis der Social Return on Investment-Analyse der Deutschen Sportjugend, einen gesellschaftlichen Wert von mehr als 34 Milliarden Euro pro Jahr. Als größter non-formaler Bildungsanbieter gestalten unsere Fachbereiche in mehr als 800 Ausbildungsgängen die Qualifizierungsmöglichkeiten im DOSB-Lizenzsystem aktiv und innovativ weiter. Zahlen und Fakten, die mich immer wieder aufs Neue beeindrucken.
Vier wichtige Herausforderungen für 2026
Im DOSB sehe ich für 2026 vier wichtige Herausforderungen. Wir wollen den Mitgliederrekord für unsere Vereine, die sich in erster Linie um die Betreuung der vielen Sporttreibenden kümmern, so verträglich wie möglich gestalten und darauf hinarbeiten, die Rahmenbedingungen für Ehrenamtliche weiter zu verbessern, denn sie sind das Tragwerk des Sports, ohne das vieles nicht möglich wäre. Wir möchten den Safe Sport Code, den mittlerweile schon zehn unserer Mitgliedsverbände für sich implementiert haben, weiter vorantreiben, um Sport im Verein zu dem sicheren Hafen zu machen, den sich alle von ihm erhoffen. Wir stimmen an diesem Samstag über die „DOSB-Ziele 2035“ ab – eine neue Struktur mit sechs kompakten, quantifizierten Zielen, mit deren Umsetzung wir beginnen wollen, um den Sport bis 2035 noch wirksamer, relevanter und zukunftsfähiger zu gestalten. Und wir werden am 26. September in Baden-Baden auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung unseren nationalen Kandidaten für die Bewerbung um die Ausrichtung Olympischer und Paralympischer Spiele küren. Darauf dürfen wir alle sehr gespannt sein.
Vielleicht habe ich dann ja wieder so viel Erfolg beim Tippspiel auf das Ergebnis wie beim Münchner Referendum. Als ich im Vorhinein gefragt wurde, auf wieviel Prozent Zustimmung ich setzen würde, habe ich mich auf 65 Prozent festgelegt. Der Wert war allerdings schon vergeben, also habe ich auf 66 erhöht. Der Rest ist bekannt…Das Glück, das ich an diesem Abend hatte, wünsche ich uns allen im deutschen Sport für das kommende Jahr. Gehen wir also mit Einsatzwillen und Leidenschaft, vor allem aber mit Zuversicht und Freude an die Herausforderungen, die uns erwarten. Gemeinsam sind wir stark genug, um unsere Ziele zu erreichen! Ich danke euch herzlich für euer Engagement. Euer Thomas!

