Leipzig, Mittwochabend, 19.00 Uhr. Ava macht sich auf den Weg zur ersten Trainingsstunde bei dem örtlichen Hockeyverein. Ava ist erst vor zwei Wochen nach Leipzig gezogen, kennt dort niemanden und möchte genau das ändern.
„Was liegt da näher, als den Sport aus Kindheitstagen wieder aufleben zu lassen?“, dachte sich Ava und schaute im Schaukasten des Hockeyvereins nach, wann das nächste Training stattfindet.
Zunächst hatte Ava Sorge, dass es keinen analogen Aushang mehr gibt, denn immerhin sind es „nur“ 6% der Bevölkerung in Deutschland, die bisher noch nie im Internet waren und wer denkt schon daran, dass es Menschen gibt, die keinen Zugang zum Internet haben? Aber Ava hatte Glück, der Verein hatte einen gut gepflegten und aktualisierten Schaukasten. Ava erinnert sich an den Moment zurück.
„Ach, da klebt ja ein Sticker für queerfreundlicher Verein und der Verein ist sogar jährlich auf dem Christopher Street Day (CSD) und beim Brustkrebslauf der Deutschen Krebshilfe mit dabei. Ui, wie schön, das ist ja toll! Und da auf dem CSD-Wagen ist ja eine Person mit Rollstuhl, eine Person mit Down-Syndrom und mehrere Personen of Colour, wow, das habe ich in meiner alten Stadt nie so bei einem Sportverein gesehen. Und was steht da? Du suchst einen Sportverein, indem du du sein kannst und coole Menschen kennen lernen kannst? Dann bist du bei uns genau richtig, wir setzen Worte in Taten um, wir leben Vielfalt! Wir arbeiten mit örtlichen Interessenvertretungen und Frauenhäusern zusammen, um uns und unsere Vereinsfamilie stetig weiterzubilden, sind Stützpunktverein des Programmes Integration durch Sport, führen ein Inklusionsprojekt im Rahmen der Kooperation zwischen DOSB und der Aktion Mensch durch und haben kürzlich die Bewilligung für ein Pilotprojekt im Rahmen des EU-Projekts SPORTOUT bekommen, über das wir unsere Idee eines nachhaltigen Outdoor-Hockeyfeldes realisieren wollen. Klasse, das ist genau das, was ich suche!“
Ava ist vor der Sporthalle angekommen. „Bist du neu?“, wird Ava gefragt.
„Ja, ich bin Ava und neu in Leipzig und habe als Kind Hockey gespielt. Da dachte ich mir, ich nutze die Gunst der Stunde, das wieder anzufangen.“
„Perfekt, da bist du bei uns genau richtig. Komm, lass uns reingehen. Ich bin übrigens Aleeke, seit zwei Jahren dabei. Du wirst dich hier schnell daheim fühlen.“
Ava ist froh, direkt jemanden kennengelernt zu haben und nicht allein in die Halle gehen zu müssen. In der Halle sind schon viele Menschen und reden wild durcheinander. Und was für unterschiedliche Menschen, Ava hat noch nie ein so buntes Miteinander im Sport gesehen: dick und dünn, alt und jung, Schwarze Menschen, People of Colour, Menschen mit Behinderungen, Männer* und Frauen*, Kopftuch und Kippa tragende Menschen.
„Hey, Leute, das ist Ava! Ava ist neu in Leipzig und schnuppert heute bei uns rein!“
Die Menschen wenden sich Ava zu, grüßen und lächeln. Da beschließt Ava, Ava zu zeigen, hier fühlt es sich willkommen an.
„Hi, ich bin Ava, einfach Ava, kein Pronomen“
„Hi, Ava!“ hallt es kollektiv zurück.
Ava grinst und gesellt sich dazu.
Fünf Jahre später ist Ava immer noch aktiv in dem Hockeyverein, aber nicht nur auf dem Feld. Ava hat die B-Lizenz im Hockey erworben, trainiert nun Kinder im Alter von 7-12 Jahren und ist zuständige Vorstandsperson für den Bereich Finanzen und Öffentlichkeitsarbeit.
Ob die Geschichte real ist oder eine Utopie, das können Sie entscheiden. In jedem Fall ist es eine Geschichte, wie der Sport sie zu schreiben vermag und die wir im DOSB mit unserer Arbeit anstreben.
Menschen haben unterschiedliche Religionen, Alter, Arten von Behinderungen, Herkünfte, geschlechtliche und sexuelle Identitäten. Wir wissen darum und mit diesem Wissen können wir Türen öffnen, Zugänge ermöglichen, Teilhabe sichern.
Wenn Sie denken, Ihr Verein ist noch nicht so diversitätssensibel wie in Avas Geschichte, haben wir drei Tipps:
- Fragen Sie eine Person, die nach Teilhabemöglichkeit/Mitgliedschaft im Verein fragt, was sie zur gleichberechtigen Teilhabe braucht und bieten Sie an, dass die Person kommen kann und das Angebot ausprobiert.
Zum Beispiel:
Sie benötigen einen Rollstuhl? Wir haben leider Stufen zu unseren Umkleideräumen, aber in die Halle kommt man barrierefrei rein. Willst Du es versuchen? Du bist uns willkommen.
Du möchtest ohne Pronomen angesprochen werden. Sollen wir uns dann mit Pronomen vorstellen?
Oder auch: Sie fragen mich etwas, womit ich mich noch nie beschäftigt habe. Möchten Sie kommen und wir versuchen, ob und wie wir gemeinsam Sport machen und respektvoll miteinander umgehen können?
- Nehmen Sie Kontakt auf zum Mehrgenerationenhaus, der Lebenshilfe, Migrant*innenorganisationen oder anderen neuen Netzwerken.
- Fragen Sie Ihren LSB oder Fachverband nach Trainings und Workshops oder schauen Sie in die Veröffentlichungen unserer Themen und Projekte im Ressort Diversity (diversity.dosb.de). Am 23. Mai ist der deutsche Diversitytag. Am 17. Mai ist der IDAHOBIT, der internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie. Am 5. Mai ist der Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen.
Wir gestalten im DOSB den gesamten Monat Mai zum Thema #SportFuerAlle um die Vielfalt im Sport sichtbar zu machen und um allen Mut und Möglichkeiten für Begegnungen zu schaffen.
Der Sport hat Nachhol- und Optimierungsbedarf, auch der DOSB muss sich kritisch hinterfragen und schauen, ob seine Projekte so aufgestellt und konzipiert sind, dass sie Teilhabe für möglichst viele unterschiedliche Menschen ermöglichen und deren Erfahrungswelten berücksichtigen. Teilhabe im Sport bedeutet, so zu handeln, dass sich alle Menschen willkommen und respektiert fühlen.
Ava hat eine offene Türe gefunden, lassen Sie uns weitere schaffen. Lassen Sie uns weitere Geschichten schreiben.
(Autor*innen: Ressort Diversity)
In jeder Ausgabe der DOSB-Presse, die wöchentlich erscheint, gibt es einen Kommentar zu aktuellen Themen des Sports, den wir hier veröffentlichen. Diese mit Namen gezeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die offizielle DOSB-Meinung wieder.