„Deutschland ist ein Schlüsselmarkt in der Entwicklung der World Games“
IWGA-Präsident José Perurena spricht über die Rolle Deutschlands für die Weltspiele der nicht-olympischen Sportarten, die Kooperation mit Karlsruhe für 2029, die anstehenden Spiele in Chengdu, die Beziehungen zum IOC und die Zukunft seines Verbands.

27.06.2025

Seit April 2014 ist José Perurena Lopez Präsident der International World Games Association (IWGA). In dieser Funktion war der 80 Jahre alte Spanier, der 1968 in Mexiko-Stadt im Kanusprint an Olympischen Spielen teilnahm, am Donnerstag in der DOSB-Geschäftsstelle in Frankfurt zu Gast, um mit DOSB-Präsident Thomas Weikert das „Memorandum of Understanding“ zur Ausrichtung der World Games 2029 in Karlsruhe zu unterzeichnen. Davor nahm er sich Zeit für ein Interview.
Senor Perurena, im August werden wir die erste Ausgabe der World Games erleben, die in China ausgetragen wird. Was erwarten Sie sich vom Gastgeber in organisatorischer und sportlicher Hinsicht?
José Perurena: Wir erwarten uns angesichts der vielfältigen Erfahrungen, die China mit der Ausrichtung von Multisport-Veranstaltungen aufweisen kann, ein sehr hohes Level an Organisationsfähigkeit. Die starke Unterstützung, die wir sowohl von der chinesischen Regierung als auch von den lokalen Behörden in der Gastgeberstadt Chengdu erhalten, gibt uns ein sehr gutes Gefühl. Mit mehr als 4.000 Athlet*innen, die in 34 Sportarten mit mehr als 60 Disziplinen an 28 Wettkampfstätten antreten werden, wird die kommende Ausgabe der World Games den bestmöglichen nicht-olympischen Sport auf der globalen Bühne bieten.
Bei der bislang letzten Ausgabe 2022 in Birmingham (USA) hat Team Deutschland den Medaillenspiegel gewonnen. Wie stark schätzen Sie die Deutschen in diesem Jahr ein und welche Nationen sind unsere größten Herausforderer?
Deutschland ist immer eine sehr stark einzuschätzende Nation bei den World Games, das erwarte ich auch in diesem Jahr. Aber ich bin mir sicher, dass es einige Nationen geben wird, die die Deutschen herausfordern werden. Neben China und den USA sehe ich da vor allem Italien, Frankreich, die Ukraine, Ungarn, aber auch Australien, Südafrika und Kolumbien. Diese Nationen stellen üblicherweise große und konkurrenzfähige Mannschaften bei den World Games.
In Deutschland ist der DOSB als Nationales Olympisches Komitee sehr stark in die Unterstützung und Förderung der World Games eingebunden. Was bedeutet das für die nicht-olympische Bewegung und Ihren Verband?
Wir sind für diese Unterstützung zutiefst dankbar. Das Engagement des DOSB war für die erfolgreiche Bewerbung Karlsruhes um die Ausrichtung der World Games 2029 ein sehr wichtiger Faktor. Für uns als Weltverband ist der DOSB ein Schlüsselpartner, um unser Profil weiterzuentwickeln und den nicht-olympischen Sport in der erweiterten olympischen Familie voranzutreiben. Auch deshalb sind wir sehr stolz darauf, dass wir heute das Memorandum of Understanding mit Karlsruhe und dem DOSB unterschreiben konnten.
Karlsruhe wird in vier Jahren die erste Stadt sein, die die World Games zum zweiten Mal ausrichtet. Deutschland wird dann zudem die erste Nation sein, die zum dritten Mal Gastgeber ist. Was erwarten Sie sich von diesen Spielen?
Zunächst einmal freuen wir uns sehr, dass wir mit den World Games nach Deutschland zurückkehren können. Die Fakten reflektieren das langfristige Engagement, das Deutschland an den Tag legt, um die World Games und den nicht-olympischen Sport zu promoten. Außerdem demonstrieren sie die starke nationale Unterstützung, die deutsche Athlet*innen erhalten, wenn sie auf höchstem Level unterhalb der Olympischen Spiele antreten.
Trotz dieser starken Unterstützung bleibt das Medieninteresse an den World Games sehr limitiert. Wie erklären Sie sich das?
Wir müssen akzeptieren, dass der weltweite Sportkalender sehr eng getaktet ist. Das macht es für die nicht-olympischen Sportarten sehr schwierig, konstant die Aufmerksamkeit der Medien zu generieren. Allerdings haben wir für die Jahre 2025 bis 2029 eine robuste Marketingstrategie erarbeitet, um die Sichtbarkeit und das öffentliche Engagement deutlich zu erhöhen. Ein Teil dieser Strategie ist beispielsweise, dass wir eine umfangreiche Streaming-Plattform aufgebaut haben, die weltweit kostenfrei dafür sorgt, dass die sportlichen Inhalte der World Games 2025 sichtbar werden. Wir suchen dafür aktiv nach Partnerschaften und Sponsoren, um den einzigartigen, inklusiven Geist der World Games noch viel breiter erlebbar zu machen.
In welchen Ländern sind die World Games am populärsten, und in welchen würden Sie sich noch mehr Engagement wünschen?
In manchen Teilen Europas haben die World Games eine sehr starke Unterstützung, ganz besonders in Italien, Ungarn, den Niederlanden, Belgien und natürlich in Deutschland. Auch Lateinamerika ist sehr gut involviert, hier sind Kolumbien und Mexiko hervorzuheben. In Asien ist Japan sehr aktiv in der Promotion der World Games. Wir haben Memoranden mit 20 Ländern von drei Kontinenten, und wir arbeiten jeden Tag daran, die Verbindungen mit weiteren nationalen Verbänden zu stärken. Das Memorandum mit dem DOSB ist dabei von höchster Wichtigkeit für uns, weil Deutschland einen Schlüsselmarkt in der Entwicklung der World Games darstellt. Großes Potenzial für ein tieferes Engagement sehen wir vor allem in den USA und in Großbritannien. Wir fokussieren unsere Bemühungen auf diese beiden Nationen.
Wie zufrieden sind Sie mit dem in Chengdu geplanten Sportprogramm, und wo sehen Sie Raum für Verbesserung?
Wir sind sehr stolz darauf, dass wir ein diverses und inklusives Programm anbieten können, das sowohl aufstrebende Trendsportarten als auch Nischensportarten einschließt. Die Aufnahme von Flag Football und Cheerleading hat die Zahl unserer Mitgliedsorganisationen auf 40 anwachsen lassen, was die Attraktivität unseres Weltverbands unterstreicht. Vor allem freut es mich, dass wir zwei Para-Sportarten in unser Programm aufnehmen konnten. Aber natürlich gibt es auch hier Raum zur Verbesserung, wir arbeiten daran, unser Programm zu erweitern und bei künftigen Austragungen noch mehr Sportarten Zugang zu ermöglichen.
Unter Ihrer Präsidentschaft ist die IWGA aus den USA nach Lausanne gezogen, zudem haben Sie die World Games Series gestartet, um den nicht-olympischen Sport noch sichtbarer zu machen. Worin sehen Sie Meilensteine der Entwicklung, und was sind Ziele für die Zukunft?
Dem Start der World Games Series liegen viele Jahre der Planung zugrunde, um ein Event zu kreieren, das die World Games gut ergänzt, als Qualifikationsmöglichkeit dient und die Sichtbarkeit der Athlet*innen erhöht. Die beiden ersten Ausgaben in Hongkong und Chengdu waren sehr erfolgreich, sie wurden sowohl von den Aktiven als auch von den Weltverbänden sehr gut angenommen. Ein weiterer wichtiger Schritt war es, eine Athletenkommission zu etablieren, um zu unterstreichen, dass deren Stimmen ein zentrales Element für unsere Entscheidungen sind. Unser Strategieplan für die kommenden zehn Jahre unterstreicht unsere Prioritäten für die Dekade bis 2034. Zum ersten Mal haben wir zum Beispiel mit Xtep und Sichuan Airlines globale Partner gewinnen können.
Wie würden Sie die Beziehung der IWGA zum Internationalen Olympischen Komitee beschreiben, und was kann getan werden, um diese noch zu stärken?
Unsere Beziehung zum IOC hat seit langer Zeit Bestand und ist stark. Wir sind sehr dankbar für die anhaltende Führung und Unterstützung. Wir hatten kürzlich ein positives Gespräch mit der neuen IOC-Präsidentin Kirsty Coventry und deren Amtsvorgänger Thomas Bach, um eine reibungslose Übergabe zu gewährleisten, und wir freuen uns darauf, unsere Zusammenarbeit noch zu vertiefen. Für uns geht es aber vor allem darum, auch die Beziehungen zu den Nationalen Olympischen Komitees zu stärken, denn deren Unterstützung ist unerlässlich für die Teilhabe der Athletinnen und Athleten und die Entwicklung der Sportarten. Zudem helfen sie dabei, die mediale Aufmerksamkeit für die World Games zu erhöhen.
Warum ist es für die World Games wichtig, eine eigene Identität zu wahren, die sich von der der Olympischen Spiele abhebt?
Wir empfinden tiefen Respekt für das olympische Modell, aber die World Games sind fundamental unterschiedlich in ihrer Ausrichtung und ihrem Zweck. Wir dienen vielen Sportarten, die nicht Teil der Olympischen Spiele sind, als Plattform, und wir sind stolz darauf, dass wir einigen dabei helfen konnten, den Weg ins Olympiaprogramm zu gehen. Indem wir unsere eigene Identität bewahren, erlauben wir es uns, innovativ und inklusiv zu bleiben und eine Antwort auf die Entwicklungen der Sportwelt zu geben. Unser Programm passt sich jeder Ausgabe der World Games und jeder Gastgeberstadt an, basierend auf den existierenden Infrastrukturen.
Das IOC hat mit der Wahl von Kirsty Coventry einen wichtigen Schritt in die Zukunft getan, sie ist die erste Frau an der Spitze, erstmals wird das IOC zudem von einer Afrikanerin geführt. Ist das auch wegweisend für die IWGA? Wie planen Sie Ihre persönliche Zukunft und die Ihres Verbandes?
Meine Amtszeit endet im kommenden Jahr, und nach mehr als einem Jahrzehnt in dieser Position plane ich, die Führung in die Hände einer jüngeren Generation zu geben. Ich bin extrem dankbar für das Vertrauen und die Unterstützung unserer Mitgliedsorganisationen und Partner. Und ich bin zuversichtlich, dass meine Nachfolgerin oder mein Nachfolger, die oder der vom Exekutivkomitee und den Mitgliedsorganisationen gewählt wird, auf den Schritten aufbauen wird, die wir gegangen sind, um unsere Fortschritte zu nutzen und die World Games in neue Höhen zu führen.