Zum Inhalt springen

Lisas Literatur-Likes: Ein Buch, das feministische Historie spannend und lebendig erzählt

Lisa Mayer (29), Bronzegewinnerin bei Olympia in Paris mit der 4x100-Meter-Sprintstaffel, gibt in ihrer neuen Kolumne Literaturtipps und empfiehlt diesmal den Roman „Die Päpstin“ von Donna W. Cross.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

25.07.2025

Eine Frau zeigt einen E-Reader

Warum dieser Autor und dieses Buch? 

Ich war auf der Suche nach etwas Neuem, einem Buch aus einer anderen Zeit, einem neuen Genre oder ähnlichem. Und so fiel mir der feministische Historienroman „Die Päpstin“ der US-amerikanischen Schriftstellerin Donna W. Cross in die Hände. Sie lebt in New York und hat englische Literatur studiert. 1996 brachte sie mit „Die Päpstin“ ihren 566 Seiten langen Debütroman heraus, der 2009 sogar verfilmt wurde. Der Fakt, dass es sich um eine fiktionale Erzählung einer umstrittenen Legende handelt, hat mich fasziniert. 

Worum geht es? 

Johanna wird als einzige Tochter einer heidnischen Mutter und eines Dorfpriesters geboren. Schon früh zeigt sich, dass Johanna wissbegierig und clever ist. Ein Problem im 9. Jahrhundert, denn der Zugang zu Wissen und Bildung ist Frauen strikt untersagt. Johanna geht dennoch gegen den Willen ihres herrschsüchtigen Vaters ihren Weg und schafft es sogar, gemeinsam mit ihrem Bruder Johannes an einer renommierten Domschule unterrichtet zu werden. Aber ihr Weg bleibt auch dort stehts steinig. Ritter Gerold, eine Art Ziehvater, ist der Einzige, der ihr Halt und Zuspruch gibt. Eine geheime Liebe entwickelt sich zwischen den beiden.

Als die Stadt von Normannen heimgesucht wird, ist Johanna eine der wenigen Überlebenden. In dieser dunklen Stunde kommt ihr eine Idee. Sie ist sich bewusst, dass ihr als Frau nie die gleichen Möglichkeiten offenstehen werden wie einem Mann. Deshalb nimmt sie die Identität ihres Bruders, der bei dem Angriff ebenfalls sein Leben lassen musste, an. Sie flüchtet aus der Stadt und findet Zuflucht im Kloster Fulda. In den folgenden Jahren nimmt Johannas Einfluss als Bruder Johannes vor allem durch ihr Wissen als Ärztin immer weiter zu. Als sie das Kloster Fulda verlässt, um die Reise in die Heilige Stadt Rom anzutreten, wird sie dort im Laufe der Zeit zu einer der engsten Vertrauten des Papstes. Und wenig später selbst zum Papst gewählt. Gerold, der bei dem damaligen Angriff der Normannen nicht in der Stadt war, trifft in Rom auf Johanna und erkennt sie sofort wieder. Ihr Geheimnis ist bei ihm jedoch sicher.

Als starke Unwetter einen Dammbruch verursachen, der die Stadt überflutet, werden Johanna und Gerold bei einer Rettungsaktion für Tage in einem Gebäude eingesperrt und geben sich ihren lange Zeit verdrängten Gefühlen hin. Als es Johanna in den darauffolgenden Wochen gesundheitlich immer schlechter geht, erkennt sie entsetzt, dass sie schwanger ist. Ein Abtreibungsversuch scheitert und ihr wird klar, dass ihre Verkleidung als Mann bald auffliegen wird. So beschließen Gerold und Johanna heimlich aus Rom zu flüchten. Die Flucht verzögert sich jedoch immer wieder, da Johanna ein sehr pflichtbewusster Mensch ist, der sein Volk während herrschaftlicher Machtkämpfe nicht im Stich lassen kann. Und so nimmt ihr Dasein ein tragisches Ende. 

Womit punktet das Buch besonders? 

Vor allem der historische Kontext des Romans hat mich fasziniert. Die Mischung aus historischen Fakten und Fiktion ist Donna W. Cross herausragend gelungen. Es ist mein erstes Buch, das in dieser Zeit spielt. Das Leben der Menschen im 9. Jahrhundert wird eindrücklich und lebendig geschildert, sodass ich immer wieder Vergleiche mit unserer heutigen Zeit gezogen habe, die den technischen Fortschritt in allen Bereich klar gezeigt haben. Vor allem die Spaltung der Menschen zwischen Aberglauben und dem Nutzen des logischen Verstandes wird stark dargestellt. Spannend fand ich außerdem die Thematik um Identität, Identitätskrise, Selbstverleumdung und damit einhergehend natürlich die Rolle der Frau in einer durch und durch patriarchalen Gesellschaft. Auch hier lässt sich eine Parallele zu unserer heutigen Zeit, in der Transgender und Diversität ein wichtiges Thema darstellen, ziehen. 

Wie war das Lesegefühl? 

„Die Päpstin“ ist getrieben von Spannung, Emotionen und Dramatik. Dies führte dazu, dass ich den Roman nicht mehr aus der Hand legen wollte. Johanna ist eine vielschichtige und inspirierende Protagonistin, die die Sympathie direkt auf sich zieht. Man wünscht sich, dass sie ihren Weg gegen Machtstrukturen, religiösen Fanatismus und gesellschaftliche Normen geht und möchte deshalb stets wissen, wie sie die nächste Herausforderung überwindet und ob ihre Verkleidung unentdeckt bleibt. Obwohl der Roman in einer anderen Zeit spielt und es um Themen wie Theologie und Macht geht, sind die Sprache und der Schreibstil zugänglich und flüssig. Man stolpert hin und wieder über ein paar lateinische Begriffe, die ich, da ich den Anspruch habe, ein Buch durch und durch zu verstehen, übersetzen musste. Dies reißt einen vielleicht kurz aus dem Lesefluss, dennoch zeugen sie von einer hohen Authentizität, und deshalb habe ich dies nicht als störend empfunden. Das Einzige, was mir nicht gefallen hat: Dass es kein Happy End gab…

War der Umfang angemessen?

Knapp 600 Seiten sind nicht wenig, dennoch hätte der Roman nicht kürzer sein dürfen. Johannas Leben wird von Geburt bis zu ihrem Tod detailliert geschildert, dazu kommen ein reichhaltiger historischer Kontext und eine sich steigernde Dramaturgie. Dies alles braucht Raum, um den Leser zu erreichen. Deshalb fand ich den Umfang des Historienromans sehr angemessen, zumal eine gute Kapitelgliederung gegeben ist.

Werde ich den Autor und/oder die Thematik weiterverfolgen? 

Ich habe entdeckt, dass Helga Glaesener mit „Das Erbe der Päpstin“ einen Roman veröffentlicht hat, der an Donna W. Cross‘ Roman anknüpft bzw. diesen aufgreift. Es geht um Gerolds Enkelin Freya, die in Rom den Tod von Gerold und Johanna miterlebt und daraufhin beschließt, herauszufinden, wer Schuld an Johannas Tod trägt. Auch wenn ich mit der Kirche persönlich nicht so viel anfangen kann, fand ich Johannas Geschichte sehr spannend, sodass ich mit „Das Erbe der Päpstin“ anknüpfen werde.

Verwandte Artikel

Title

Title