Zum Inhalt springen

Wie steht es um das Ehrenamt im Sport?

Deutschlands Sportvereine leben vom Ehrenamt – doch es bröckelt. Immer weniger Menschen engagieren sich langfristig. Bürokratie, Zeitdruck und fehlende Wertschätzung sind zentrale Probleme und erfordern neue Lösungen.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

29.09.2025

Eine Frau hilft einem Mann beim Stretching
Ehrenamtliche wie diese Übungsleiterin werden von vielen Vereinen händeringend gesucht.

Starten wir zunächst mit den guten Nachrichten: Weit mehr als acht Millionen Menschen engagieren sich freiwillig oder ehrenamtlich in Deutschlands 86.000 Sportvereinen. Davon rund zwei Millionen ehrenamtlich, also zum Beispiel als Vorstand oder als Trainerin im Verein. 6,3 Millionen Menschen sind freiwillig tätig, also kurzfristig, projektbezogen, zum Beispiel als Aushilfe bei einem Vereinsfest.

Das ist ein Spitzenwert. Zumindest im Vergleich zu anderen Bereichen wie Kultur und Musik, dem sozialen Bereich, der Kirche oder dem Umweltschutz. Nirgendwo anders engagieren sich so viele Menschen in ihrer Freizeit wie beim Sport. Aber: Diese Zahlen sind bereits jetzt zu niedrig. Und sie sinken. Während sich 2014 noch 14,9 Prozent der Über-14-Jährigen im Sportbereich engagierten, ging dieser Anteil bis 2019 auf 13,5 Prozent zurück. In absoluten Zahlen bedeutet das einen Verlust von rund einer Million Engagierten innerhalb von fünf Jahren.

Wer meint, das wäre Meckern auf hohem Niveau, dem seien dazu die Zahlen aus dem aktuellen Sportentwicklungsbericht ans Herz gelegt. Denn befragt nach ihren aktuellen Problemen, nannten in der repräsentativen Umfrage der Deutschen Sporthochschule Köln fast 60 Prozent der Vereine (also hochgerechnet gut 51.000) die Gewinnung und Bindung von ehrenamtlichen Funktionsträger*innen als ihre derzeit größte Sorge. 17,6 Prozent der Vereine (~15.000) gehen noch einen Schritt weiter und sagen, dass der Mangel an Ehrenamt sie in ihrer Existenz bedroht. Das Problem ist also ernst.

Woran hapert es?

Wie DOSB-Vorständin Michaela Röhrbein im Interview deutlich macht, haben die Menschen kein Motivationsproblem, wenn es um das ehrenamtliche Engagement geht. Menschen sind bereit, sich einzubringen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen und die Aufgaben zu ihrer Lebenssituation passen. Vielmehr liegt ein Strukturproblem vor. Vereine und ehrenamtlich Engagierte beklagen zu Recht die hohe Last an Vorgaben und Bürokratie, die sie zu bewältigen haben. Wer sich in einem Sportverein engagiert, der möchte sich um den Sport kümmern und darum, dass der Verein läuft, dass Mitglieder gut betreut und Angebote weiterentwickelt werden. Und nicht um Anträge und die Einhaltung von Vorschriften. Die Realität sieht vielerorts leider anders aus. Das demotiviert die, die bereits aktiv sind, und schreckt diejenigen ab, die es eigentlich gerne werden möchten.

Wie geht es wieder bergauf?

Durch gezielte Maßnahmen, die das Ehrenamt auf der einen Seite entlasten und auf der anderen Seite mehr Wertschätzung für diese wichtige Arbeit zeigen. Mit der Ernennung von Dr. Christiane Schenderlein als erster Staatsministerin für Sport und Ehrenamt ist nicht nur ein wichtiger symbolischer Schritt getan, sondern auch praktisch ändert sich dadurch einiges. So kann Frau Schenderlein sich am Kabinettstisch der Bundesregierung gezielt und ausschließlich den Themen Sport und Ehrenamt widmen und muss sich nicht wie zuvor im Bundesinnenministerium, wo der Sport bisher angesiedelt war, noch mit 20 anderen drängenden Themen beschäftigen.

Mit dem Steueränderungsgesetz 2025 hat die Bundesregierung den Aufschlag zum Bürokratieabbau eingeläutet. Mit dem geplanten Gesetz sollen von 2026 an die steuerfreien Pauschalen für Ehrenamt und Trainer*innen steigen und die Freigrenzen für Vereine erhöht werden, so dass nicht jeder eingenommene Cent genau dokumentiert werden muss. Das hilft den ehrenamtlich Engagierten dabei, sich wieder auf das zu konzentrieren, warum sie dieses Amt ausüben: Um Spaß zu haben (95 Prozent), mit Menschen zusammenzukommen (84 Prozent) und die Gesellschaft mitzugestalten (78 Prozent).

Für Vereine, die neue Ehrenamtliche gewinnen möchten, gilt es, diese gezielt anzusprechen. So liegt etwa in der Boomer-Generation, von denen ein Großteil entweder bald in Rente geht oder es bereits ist, großes Potenzial. Denn das sind Menschen mit Zeit, Kompetenz und viel Erfahrung. Sportvereine sollten mit zielgruppengerechter Kommunikation auf diese Menschen zugehen und versuchen, sie für ein Amt im Verein zu begeistern. Jüngere Menschen dagegen, die durch Beruf und Familie womöglich weniger Freizeit haben, können über kurzfristiges, projektbezogenes Engagement an die Vereinsarbeit herangeführt und somit langsam auf ein längerfristig angelegtes Ehrenamt vorbereitet werden.

Um das Problem langfristig in den Griff zu kriegen, sollte es nicht beim einzelnen Menschen oder Verein gesucht werden. Vielmehr müssen Maßnahmen wie das Steueränderungsgesetz Teil einer umfassenderen Reform sein, die über finanzielle Freibeträge hinausgeht und echte Entlastung schafft. Als DOSB fordern wir dazu auf, langfristiges Engagement zu fördern über gezielte Qualifizierung, Freiwilligendienste und Anerkennungskultur. Wir möchten die Rahmenbedingungen verbessern durch weniger Bürokratie, digitale Unterstützung und verlässliche Strukturförderung.

Aus Studien wissen wir, dass ehrenamtlich Engagierte und Trainer*innen länger dabei bleiben, wenn sie eine entsprechende Qualifizierung über eine DOSB-Lizenz erworben haben. Mit einer Ausbildung in der Tasche fühlt man sich besser gewappnet, sicherer im Umgang mit den vielfältigen Aufgaben und hat mehr Spaß an der Arbeit. Die Qualifizierung von Menschen für ein ehrenamtliches Engagement sollte deshalb noch stärker und gezielter gefördert werden.

Wenngleich freiwillige Helfer auf Vereinsfesten wichtig sind und auch ihre Arbeit Wertschätzung verdient hat, so sind es doch die langfristig engagierten ehrenamtlichen Vorstände und Trainer*innen, die den größten Beitrag dazu leisten, die Sportvereine am Laufen zu halten und weiterzuentwickeln. Sie in den Fokus zu nehmen und auf ihre Bedürfnisse einzugehen, daran müssen wir die politischen Maßnahmen messen. Und das werden wir in unserer Rolle als Dachverband des Sports auch weiterhin tun, um immer das bestmögliche Ergebnis für den Sport und unsere 86.000 Vereine zu erzielen.

Title

Title