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Chronische Einsamkeit: Risikofaktor für die körperliche Gesundheit!

Vom Ruhenetzwerk, Oxytocin und Stresserleben: Was passiert eigentlich im Körper, wenn wir uns anhaltend einsam fühlen und warum können bereits kleine Alltagsaktivitäten ein Schlüssel sein?

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

19.11.2025

Zwei Sportlerinnen, die Arm in Arm auf dem Sportplatz stehen

Im Gespräch über die gesundheitlichen Folgen von Einsamkeit führt Professor Markus Reichert aus, dass der Einfluss sozialer Beziehungen in ähnlichem Maße auf unser Sterberisiko Einfluss nimmt wie Rauchen oder Alkoholkonsum. Langanhaltendes Erleben von Einsamkeit erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen, Angsterkrankungen und soziale Phobien. Reichert ist Vizedekan der Natur- und Lebenswissenschaftlichen Fakultät und Leiter der AG Sportpsychologie und Sportsoziologie an der Universität Salzburg.

Warum reagiert unser Körper so immens auf Gefühle der Einsamkeit? 

Wenn Personen sich dauerhaft ausgeschlossen oder unverbunden fühlen, zeigen sich Auswirkungen auf psychologischer und neurobiologischer Ebene: Zum einen verstärkt Einsamkeit unser Stresserleben und es werden Veränderungen in unserem Oxytocin-System vermutet. Oxytocin ist ein Botenstoff zwischen Nervenzellen, der Angstgefühle reduziert und ein positives Sozialverhalten unterstützt. Umgangssprachlich wird es auch als „Kuschelhormon“ bezeichnet, weil es bei Körperkontakt und zwischenmenschlicher Interaktion ausgeschüttet wird und uns ein angenehmes, geborgenes Gefühl gibt.

Zum anderen zeigen Gehirnscans, dass das sogenannte Default Mode Network, also das Ruhenetzwerk, bei Menschen, die große Einsamkeit verspüren, stärker aktiv ist. Man spreche auch von einem „lonely brain“. Eine höhere Aktivierung dieses Netzwerks wird mit einer höheren Anfälligkeit für psychische Erkrankungen in Verbindung gebracht.  

Im Gespräch macht Professor Markus Reichert deutlich: Die Forschung über die genauen Wirkmechanismen von Einsamkeit auf unseren Organismus steht noch relativ am Anfang.

Bewegung wirkt - von Alltag bis Verein

Gemeinsam mit Dr. Anastasia Benedyk und Forschenden am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim konnte Reichert in einer Studie nachweisen, dass schon kleine Alltagsaktivitäten wie Treppensteigen helfen können. Sie kompensieren negative Auswirkungen von Einsamkeit auf die Stimmung. Menschen mit einem erhöhten neuronalen Risiko für Depressionen und Einsamkeit profitieren besonders deutlich von diesem Effekt.

Bewegung kurbelt den Blutfluss im Gehirn an, verbessert das Wohlbefinden und fördert die Neuroplastizität. Das heißt, neuronales Wachstum wird begünstigt und man kann besser Lernen.  

Es müsste also nicht direkt der Ausdauerlauf seien, um Effekte zu erzielen. Dennoch hebt Reichert insbesondere die Sportvereine in Deutschland in ihrer Bedeutung hervor.

  • Porträt Prof. Markus Reichert

    Die Sportvereine [haben] in Deutschland insgesamt schon wirklich herausragende Angebote parat. Es gibt verschiedenste Sportgruppen in verschiedensten Sportarten. Man kann sich engagieren und zwar nicht nur (…) im Sport selbst, sondern darüber hinaus im Ehrenamt.

    Prof. Markus Reichert
    Vizedekan Universität Salzburg

    An Vereine richtet er die Botschaft, dass es nicht direkt eigene Gruppen für Betroffene sein müssen, sondern dass es vielmehr darum gehe, niedrige Einstiegsmöglichkeiten und Angebote zu schaffen, die weniger auf Leistung und mehr auf Gesundheit ausgerichtet sind: „Da machen die Vereine schon herausragende Arbeit. Ich denke an der ein oder anderen Stelle kann man das sogar noch besser bewerben und kann dadurch eine noch größere Reichweite generieren,“ so Professor Markus Reicherts Fazit.  

    Unser Fazit 

    Die Art und Weise wie gut unsere Beziehungen sind und wie wir uns miteinander verbunden fühlen, entscheidet mehr über unseren Gesundheitszustand als weithin bekannt. In unserer Vereins- und Bewegungslandschaft liegt ein großer Schlüssel, um Menschen ganzheitlich zu stärken, da sie körperliche Aktivität und soziale Teilhabe verbinden.

    Der Deutsche Olympische Sportbund setzt im Projekt FIVE – „Fit und verbunden gegen Einsamkeit“ auf genau dieses Potenzial von Bewegung, um Begegnungen zu fördern, aber auch schlichtweg, um die neurobiologischen und psychologischen Wirkungen von körperlicher Aktivität auf das Einsamkeitserleben zu nutzen. 

    Wir danken Prof. Dr. Markus Reichert für das Gespräch und empfehlen die Podcast-Folge „Wenn Einsamkeit unter die Haut geht“ bei Gesund in Sportdeutschland, für alle, die tiefer in das Thema einsteigen möchten.

     

    Für die Studie der Forschenden am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim hier klicken

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