Zum Inhalt springen

„Die Dimension der World Games ist vielen gar nicht bewusst“

Birte Steven-Vitense (44) führt das Team D als Chefin de Mission in die World Games in Chengdu (7. bis 17. August). Im Interview erklärt die ehemalige Leistungsschwimmerin, was ihre Aufgaben sind und warum der DOSB dem Format große Wichtigkeit beimisst.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

05.08.2025

Eröffnung der World Games
Die World Games in Chengdu werden am Donnerstag offiziell eröffnet.

DOSB: Birte, du führst zum ersten Mal ein Team D als Chefin de Mission in ein Sportgroßevent. Wie hast du dich auf diese Aufgabe vorbereitet, und was löst sie in dir aus?

Birte Steven-Vitense: Ich habe mich sehr gefreut, dass mir diese Rolle zugetraut und zugesprochen wurde. Auf der einen Seite war es eine logische Folge daraus, dass ich einige Jahre Erfahrung als Leitung für das Games Management gesammelt habe und mich deshalb auch gut vorbereitet fühle. Auf der anderen Seite ist es eine Führungsaufgabe, die mich sehr gereizt hat. Entsprechend groß ist die Vorfreude, aber auch die positive Anspannung.

Was umfasst der Posten der Chefin de Mission an Aufgaben, und wie unterscheidet er sich von dem bei Olympischen Spielen?

Bei Olympia ist die Lage etwas anders, weil der Posten dort beim Vorstand Leistungssport angedockt ist und mehr Schnittstellen ins Repräsentative sowie mehr kommunikative Aufgaben hat. Bei den World Games geht es mehr um die organisatorische Gesamtleitung. Meine wichtigste Aufgabe ist die Optimierung der gesamten Funktions- und Managementprozesse. Die World Games haben die Besonderheit, dass nicht wir als übergeordnete nationale Dachorganisation die Teilnehmenden aus sportfachlicher Sicht nominieren, sondern die jeweiligen Weltverbände im direkten Zusammenspiel mit den Spitzenfachverbänden. Wir entsenden aber das Team D und wollen unseren Athletinnen, Athleten und dem gesamten Funktionsteam das Gefühl geben, einheitlich auftreten und sich als Teil einer deutschen Mannschaft identifizieren zu können sowie bestmögliche Unterstützung zu erfahren.

Wenn die Vorbereitung abgeschlossen ist, wie kann man sich dann während der „Games Time“ deine Aufgabe vorstellen? Bist du viel an den Wettkampfstätten unterwegs oder eher im Organisationsbüro zu finden?

Jede Chefin de Mission ist nur so gut wie ihr Team, und da ich ein fantastisches Team um mich habe, das mir den Rücken freihält und super zusammenarbeitet, werde ich versuchen, viel unterwegs zu sein. Ich habe mir fest vorgenommen, möglichst alle 25 Sportarten mit deutscher Beteiligung mindestens einmal live zu sehen. Dies wird angesichts der Entfernungen in Chengdu kein leichtes Vorhaben. Gleichzeitig sind aber natürlich auch rund um das Athlet*innendorf viele Aufgaben zu erledigen, ich bin als Schnittstelle zur International World Games Association gefragt und intensiv auch mit den Kolleg*innen aus anderen Delegationen in Kontakt. Ich packe schon überall mit an, wo Abstimmung und Umsetzung notwendig ist.

Die World Games gibt es seit mehr als 40 Jahren, dennoch gibt es noch immer viele Sportinteressierte in Deutschland, die mit der Marke nichts anzufangen wissen. Was kann der DOSB im Allgemeinen und was kannst du als Chefin de Mission im Besonderen tun, um das zu verändern?

Zunächst einmal kann ich sagen, dass ich einen großen Spaß und viel Energie verspüre, dabei mitzuhelfen, dieses Format weiter zu professionalisieren und sichtbarer zu machen. Meine vielfältigen Erfahrungen dafür einzubringen, dass uns das gelingt, soll mein Beitrag sein. Als DOSB haben wir in den vergangenen Jahren sehr viel dafür getan, um die Bedeutung der nicht-olympischen Sportarten weiter zu stärken. Ich glaube, dass wir als Dachverband dafür eine Schlüsselrolle einnehmen. Wir wollen die herausragenden sportlichen Leistungen hervorheben und machen für uns keinen Unterschied mehr zu den Olympischen Spielen, was die grundlegenden Prozesse zur Vorbereitung und Betreuung vor Ort angeht. Natürlich ist Olympia, was Sichtbarkeit, Reichweite und Vermarktung angeht, in einer anderen Dimension unterwegs, und das wird sich auch nicht ändern. Aber wir setzen mit dem Grad an Organisation, Unterstützung und Kommunikation, den wir in Chengdu für unser Team D anbieten, einen neuen Maßstab.

  • Birte Steven-Vitense

    Multisportevents sind eine riesige Herausforderung, können aber auch immens viel positive Energie freisetzen. Davor sollten wir Respekt haben und mit der nötigen Mischung aus Mut und Demut an die Sache gehen.

    Birte Steven-Vitense
    Chefin de Mission
    Team D World Games

    Was gehört dazu, und wie wird dieser Aufwand finanziert?

    Als Zuwendungsempfänger der Bundesmittel für die Entsendung einer deutschen Mannschaft zu den World Games haben wir eine hohe Verantwortung in puncto finanzieller Absicherung, und ohne diese Mittel wäre dieser Aufwand nicht möglich. Deshalb sind wir für diese Leistung des Bundes sehr dankbar. Wir können dadurch zum Beispiel für mehr als 100 Trainer*innen, Betreuer*innen, medizinisches, physiotherapeutisches, psychologisches und organisatorisches Personal die Gesamtkosten übernehmen und somit eine professionelle Betreuungsstruktur ermöglichen. Grundsätzlich möchte ich aber die Olympischen Spiele und die World Games gar nicht vergleichen. Beide stehen für absoluten Spitzensport, und es ist gut, dass jedes Event ein eigenes Flair und eine eigene Geschichte aufweisen kann.

    2029 finden die World Games in Karlsruhe statt. Was hoffst du aus Chengdu dafür lernen zu können, und gibt es vielleicht auch Aspekte, die für die geplante deutsche Bewerbung um die Ausrichtung Olympischer Spiele hilfreich sein könnten?

    Was hier in den ersten Tagen besonders auffällt, ist die wahnsinnig hohe Personalstärke. Die Dimension, die diese World Games mit rund 5.000 Athlet*innen haben, ist vielen von außen gar nicht bewusst, die Masse an Arbeit, die mit so einem Ereignis anfällt, wird oft unterschätzt. In China ist es normal, dass sehr viele Menschen im Einsatz sind, aber ich lerne daraus, dass solche Sportgroßveranstaltungen ein echter Kraftakt sind, der eine gewisse Personalstärke erfordert. Im Hinblick auf Karlsruhe 2029 glaube ich schon, dass wir eigene Akzente setzen können. In erster Linie, weil es kompaktere Spiele werden als hier in dieser 20-Millionen-Einwohner-Stadt, und weil ich auch der Überzeugung bin, dass wir flexibler auf spontane Entwicklungen, die es bei Veranstaltungen dieser Größe immer geben wird, reagieren können. Aber uns allen muss bewusst sein, dass man eine solche Veranstaltung nur mit voller Power angehen kann. Multisportevents sind eine riesige Herausforderung, können aber auch immens viel positive Energie freisetzen. Davor sollten wir Respekt haben und mit der nötigen Mischung aus Mut und Demut an die Sache gehen.

    2004 warst du als Spitzenschwimmerin selbst für Olympische Spiele qualifiziert. Wie verändert so etwas den Blick auf ein Sportgroßevent, das man als Chefin de Mission mitverantwortet?

    Ich nehme meine Managementaufgaben mit einem anderen Blick auf das Event wahr, als es als Sportlerin der Fall war. Als aktive Athletin sieht man zwar auch das Team um sich herum und den Support von außen, ist aber doch extrem auf die eigene Leistung fixiert, was auch so sein sollte. Jetzt ist es ein ganz anderer Job, den ich zu erledigen habe, mit einem ganz anderen Blick auf die Prozesse. Meine Erfahrungen werden durch das, was ich jetzt in Chengdu tun darf, in einer besonderen Weise abgerundet. Wenn die Sportlerinnen und Sportler am Ende sagen, dass es eine runde Geschichte war als Teil des Team D, fände ich das total wertvoll. Und wir als DOSB sollten noch viel stärker zeigen, was wir für den Sport und unsere Mitgliedsorganisationen leisten wollen und auch bereits leisten.

    Was möchtest du dir denn während der zehn Wettkampftage leisten? Gibt es etwas, auf das du dich ganz besonders freust?

    Ich freue mich in erster Linie darauf, Sportarten zu besuchen, die ich bislang noch nie live gesehen habe. Ich habe mich in der Vorbereitung in vieles eingelesen, kenne die Namen aller unserer 212 Team-D-Athlet*innen auf dem Papier. Aber sie nun in Aktion sehen zu können, darauf freue ich mich riesig.

    Verwandte Artikel

    Title

    Title