15-Milliarden-Markt Doping

Zweistellige Milliarden-Umsätze. Konsumquoten nach Tonnen gerechnet. Hantiert wird mit Stimulanzien, Narkotika, Peptidhormonen (Epo), Diuretika (Entwässerungs- und Maskierungs-stoffe), Blutdoping (Transfusionen/Tierblut).

Mit Doping-Mitteln lässt sich ein gutes Geschäft machen. Copyright: picture-alliance
Mit Doping-Mitteln lässt sich ein gutes Geschäft machen. Copyright: picture-alliance

Dr. Matthias Braasch, Rechtswissenschaftler an der Universität Gießen - Arbeitsschwerpunkte Wirtschaftskriminalität, Korruption im Sport, Doping - diskutierte im dritten Vortrag des 23. Darmstädter Sport-Forums „Doping im Leistungssport“ kriminologische Aspekte. 15 Milliarden Euro werden jedes Jahr mit dem Handel von Doping-Mitteln umgesetzt.“ Internet- und Schwarzmarkt blühen. 700 Tonnen Anabolika und 70 Tonnen Testosteron belegen hemmungslosen, hochriskanten Konsum. Epo (Dynepo, Cers), Generika, Alters-, Gendoping, Transfusion von Fremdblut (Hundeblut) zur Steigerung der Sauerstoffauf-nahme sind die aktuellen Heilsbringer. Wachstumshormone (HGH), in Kombination mit Epo, die eine Renaissance erleben, werden zu 84 Prozent im Sport konsumiert. Sie bescherten 2004 bereits 1,5 Milliarden Euro Gewinn. Entwickelt wurden sie ursprünglich gegen Kleinwüchsigkeit. Vor allem in China werden sie aus den Hirnanhangdrüsen von Leichen synthetisiert. Sprays sind der letzte Schrei. Die Marktführer und Entwickler heißen China und Russland. Auch andere Länder in Osteuropa und Asien sind am Markt. 

Zirka 30 bis 40 Millionen Menschen weltweit nutzen Dopingpräparate regelmäßig: Spitzensportler (35 bis 37 Prozent), Fitness-Jünger in Studios (38 bis 40). 15 bis 20 Prozent sind Opfer von Arzneimittelmissbrauch. Sie müssen Präparate konsumieren, um zu überleben. Schwarzmarkt und Hinterhofhandel werden von Kriminellen organisiert. Braasch: „Ganz wesentlich ist die kriminelle Energie von Dealern zu Gewinnmaximierung.“ In Deutschland stieg die Zahl der Delikte von 131 im Jahr 1999 auf 466 in 2004. „Meistens sind es Zufallsfunde.“ Schwerste körperliche Schädigungen mit Todesfolge, Vermännlichung bei Frauen, Ödeme, Allergien, Verdickung des Blutes, Thrombosen sind die Folgen. Mit der „Qualität“ der Präparate wachsen Dunkelziffer und Risiko. Der volkswirtschaftliche Schaden (Gesundheit) durch Anabolika geht jährlich in die Hunderte Millionen Euro. 

Braasch zog immer wieder Parallelen zur Korruption in der Wirtschaft. Kriminelle Drahtzieher und die Pharmaindustrie setzte er auf die Anklagebank, aber auch Politiker und Offizielle: „Die Offiziellen versuchen ja immer noch, die Mär von den Schwarzen Schafen hochzuhalten. Es sind ja ganze Herden von Schafen, nicht nur im Hochleistungssport, auch im Breitensport.“ Obwohl sich in Deutschland einiges bewegt, glaubt der Jurist: „Verboten ist nicht viel.“ Sein Streifzug durch das Horrorkabinett des Sportbetrugs war gespickt mit erschreckenden Statistiken über Tiefe und Radikalität von Doping. Das verschärfte Arzneimittelgesetz bestraft Besitz von nicht geringen Mengen (acht Epo-Spritzen) den Handel und die Gabe. Das 2007 verabschiedete, Anti-Doping-Gesetz ahndet jedoch nicht Besitz generell. Braasch: „Es war kein Anti-Doping, es war ein Anti-Dealing-Gesetz.“ Die wenigen spektakulären Fälle und Funde sind Zufallsergebnisse. „Effiziente Ermittlung können Sie mit den Möglichkeiten, die bis jetzt zur Verfügung stehen, nicht machen.“ 

Der Tatbestand des Sportbetrugs sei schwer abzugrenzen. „Eine spannende juristische Frage: Wo zieht man die Grenze?“ Grundsätzlich sieht er dennoch eine Handhabe. Einzudämmen gilt es den weltweiten Einfluss von Mafia-Familien ­ damit meint er mafiöse Strukturen bei Handel und Herstellung. Auch die Überproduktion der Pharmaindustrie müsse ein Ende haben. Erythropoetin (EPO) beispielsweise wird sechsfach mehr als der Bedarf in der Medizin produziert. „80 Prozent des weltweiten Konsums sind für den Sport bestimmt.“ Die Verstrickung von Ärzten (16 Prozent), Apothekern (14) und Kliniken ist augenfällig: „Auch hier ist vieles noch nicht aufgeklärt. Der Einfluss der Pharmalobby ist sehr stark.“ 

Der Jurist plädierte neben dem Straftatbestand Sportbetrug für gründliche Prävention (Aufklärung), Sperren mit Abschreckungswirkung, Sanktionen gegen Trainer, Funktionäre, Betreuer und Ärzte, Abschöpfung von Gewinnen durch Doping sowie die Abkopplung der Sportförderung von Medaillen und Platzierungen. „Das sind alles Forderungen, die recht radikal sind, die aber darauf abzielen, wirklich etwas zu tun. Es müsste ein miteinander vernetztes Vorgehen sein.“ Sanktionen wirken nur, wenn sie beim ersten Vergehen lebenslange Sperren für den Betroffenen und das Team nach sich ziehen. „Sie müssen das Gefühl haben, der Entdeckungsgrad ist hoch.“ Für Braasch die wirksamste Abschreckung. Ihm gehen selbst die jüngsten Verschärfungen des Nada-Codes nicht weit genug. „Was mit der Nada passiert, das ist der eigentliche Skandal.“ Die Tatsache, dass 400 Athleten für Kontrollen der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) nicht erreichbar waren und keine Strafen erhielten, sowie die magere finanzielle Ausstattung erinnern ihn an die Korruptionsbeauftragten in der Wirtschaft. Auch die hätten eine Aufgabe, aber kaum Befugnisse.  

Das Thema Schwerpunktstaatsanwaltschaften sei wieder vom Tisch. „Da ist in keinem der Bundesländer etwas passiert. Die müssten es bezahlen.“ Der Rechtswissenschaftler sieht Indizien genug, die ihn in der Erkenntnis bestärken: „Das Thema (Doping) ist politisch durch.“ System-zwang für Sportler führe bereits dazu, dass „zehn Jahre alte Kinder von den eigenen Eltern mit Codein vollgestopft werden“. Es sei eine Grundsatzentscheidung, ob ein Verband sich zum Kampf gegen Doping durchringt und international zurückfällt.


  • Mit Doping-Mitteln lässt sich ein gutes Geschäft machen. Copyright: picture-alliance
    Mit Doping-Mitteln lässt sich ein gutes Geschäft machen. Copyright: picture-alliance