Bach erinnert an Integrations- und Symbolkraft des Sports bei der Wiedervereinigung

DOSB-Präsident: „Davon hat unser ganzes Land profitiert“

Der deutsche Sport hat mit seiner Integrations- und Symbolkraft einen maßgeblichen Teil zum Zusammenwachsen der beiden deutschen Staaten beigetragen. Das sagte Thomas Bach, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), anlässlich des bevorstehenden 20. Jahrestages der Wiedervereinigung (3. Oktober 2010), in Frankfurt/Main: „Im Sport ist dank seiner großen Integrationskraft vieles einfacher. Er verbindet schon allein dadurch, dass er überall nach den gleichen Regeln ausgeübt wird und eine gemeinsame Sprache spricht. Dies hat vor zwanzig Jahren sicherlich dazu beigetragen, dass die Einheit des Sports leichter gelungen ist als in anderen Teilen der Gesellschaft. Davon hat unser ganzes Land profitiert.“

 

In Erinnerung an den Ost-Berliner Kugelstoßer Ulf Timmermann und die Hürdenläuferin Gabi Lippe aus Mannheim, die bei der Schlussfeier der Leichtathletik-EM am 1. September 1990 in Split, Arm in Arm mit DDR-Flagge und Deutschland-Fahne ins Stadion marschierten, sprach Bach von „prägender Symbolkraft“ des Sports. „Das Miteinander in diesem Moment ist spontan und doch von prägender Symbolkraft gewesen. Hier waren die Athletinnen und Athleten noch ein wenig flinker als die ohnehin schon schnelle große Politik.“

 

Auch in der Folge sei der Sport Vorbild gewesen. Nicht nur bei den ersten gemeinsamen Auftritten bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften 1991 oder den ersten Olympischen Spielen 1992 in Albertville und Barcelona. „Auch hier zeigte sich eine starke emotionale Kraft für das vereinte Land, die aber auch im kleinen, alltäglichen Miteinander wirkte“, sagte Bach.

 

Allerdings seien längst nicht alle Wünsche in Erfüllung gegangen, räumte der DOSB-Präsident ein: „Damit meine ich nicht allein die Erwartungen, die teilweise geäußert wurden, was die Addition der beiden Medaillenbilanzen betrifft. Solche Erwartungen waren oberflächlich. Sie berücksichtigten weder, dass hier zwei höchst unterschiedliche Sportsysteme zueinandergefunden hatten, noch, dass sich ja die Zahl der Startplätze halbierte und die internationale Konkurrenz immer stärker geworden ist.“

 

Vielmehr bedauerte Bach, dass der Sport nicht schon Anfang der 90er Jahre seine Kräfte stärker gebündelt habe, sondern diese Bündelung erst im Mai 2006 erfolgte: „Die Fusion von Deutschem Sportbund und Nationalem Olympischen Komitee wäre schon in diesen Jahren sinnvoll gewesen. Dass es zunächst anders kam, war wiederum der rasend schnellen Entwicklung geschuldet.“

 

Trotz schneller Fortschritte beim Zusammenwachsen von Ost und West sei der Weg zur Einheit des Sports auch steinig und beschwerlich gewesen. „Der Sport war nicht nur damit beschäftigt, in den neuen Bundesländern eine neue Basis zu schaffen. Es galt auch, das Erbe der Probleme von Stasi und Doping zu bewältigen. Das forderte die ganze Kraft, aber hier hat der Deutsche Sportbund Maßstäbe gesetzt, auch wenn rückblickend betrachtet sicher nicht alles richtig gemacht worden ist“, erklärte Bach.

 

Man habe aus zwei Systemen ein neues System formen müssen. Darin seien auch Konzeptansätze aus dem stark leistungssportlich orientierten DDR-System eingeflossen. „Dabei haben wir aber immer auch auf die notwendige Humanität des Spitzensports Wert gelegt“, sagte Bach: „1990 war das Jahr der Vereinigung. Es folgten die Jahre des Zusammenwachsens. Probleme blieben nicht aus. Die Doping-Problematik und das Stasi-Thema begleiten den Sport bis heute. Vor allem beim Doping werden wir die geschichtliche Aufarbeitung weiter vorantreiben. Denn um eine bessere Zukunft gestalten zu können, müssen wir aus den Fehlern der Vergangenheit lernen“, erklärte Bach mit Blick auf das vom DOSB initiierte Forschungsprojekt „Doping in Deutschland“, das sich mit Doping in Ost und in West auseinandersetzt.

 

Hinweis für die Redaktionen:

Anlässlich der Aufnahme der fünf neuen Landessportbünde in den Deutschen Sportbund (DSB) am 14./15. Dezember 1990 sowie der Gründung des DSB am 10. Dezember 1950 wird der DOSB am 10. Dezember 2010 in Hannover eine Feierstunde veranstalten. Die Medieneinladung dazu wird Ende November versandt.

 

Vom Mauerfall bis zur Aufnahme der neuen Landessportbünde in den DSB

Zeitleiste zur deutsch-deutschen Einheit im Sport

 

9.11.1989 – Öffnung der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze

 

17.11.1989 – Vier-Augen-Gespräch der Präsidenten Hans Hansen (DSB) und Klaus Eichler (DTSB) in Berlin – Vereinbarung des freien Sportverkehrs

 

20.11.1989 – LSB-Präsident Manfred von Richthofen initiiert gemeinsames Training mehrerer Ost- und Westvereine in Berlin

 

22.11.1989 – Erstes Gespräch zwischen LSB-Präsident Manfred von Richthofen und dem Ostberliner DTSB-Bezirksvorsitzenden Rudi Ebmeyer

 

25.11.1989 – Bundeskanzler Kohl sagt die volle Unterstützung des deutsch-deutschen Sportverkehrs zu

 

1.12.1989 – Erstes Treffen von DFB und DFV der DDR in Frankfurt/M.

 

4.12.1989 – DTSB-Präsidium berät Vorlage „Für einen neuen DTSB“

 

12.12.1989 – DTSB-Präsident Klaus Eichler tritt zurück – ein Arbeitsausschuss übernimmt die Geschäfte

 

1.1.1990 – Neujahrsläufe durch Gesamt-Berlin

 

5.1.1990 – „Runder Tisch“ des DDR-Sports nimmt Arbeit auf

 

11.1.1990 – Zweites Gipfeltreffen von DFB und DFV

 

11.1.1990 – Gespräch DSB – DTSB zur Intensivierung der Zusammenarbeit

 

26./27.1.1990 – LSB Niedersachsen begründet Partnerschaft mit benachbarten DTSB-Bezirken Magdeburg, Erfurt und Schwerin kurz darauf auch mit Halle

 

27.1.1990 – Ausschluss der ehemaligen Präsidenten Manfred Ewald und Klaus Eichler aus dem DTSB-Bundesvorstand

 

29.1.1990 – Informelles Gespräch zwischen den beiden NOK-Präsidenten Willi Daume und Günter Heinze in Berlin (West)

 

7.2.1990 – Initiativgruppe „Sportjugend der DDR“ wird gegründet

 

28.2.1990 – DTSB-Bezirke Cottbus, Frankfurt/O. und Potsdam beraten über geplante Bildung des Landes Brandenburg

 

 

3./4.3.1990 – Außerordentlicher DTSB-Tag mit demokratischer Wahl von Martin Kilian (Wernigerode) zum neuen Präsidenten

 

4.3.1990 – Erstes Treffen von Willi Daume mit Dr. Joachim Weiskopf (ab 16.6. NOK-Präsident der DDR)

 

12.3.1990 – „Spiegel“-Veröffentlichung über Dopingpraxis im DDR-Schwimmsport

 

15. 3.1990 – DDR-Schwimmer weisen Vorwürfe zurück

 

18.3.1990 – Freie Parlamentswahl für die Volkskammer der DDR

 

31.3.1990 – Dr. Hans-Georg Moldenhauer (Magdeburg) wird erster demokratisch gewählter Präsident eines DDR-Fachverbandes (Fußball)

 

5.4.1990 – Erstes Treffen der Präsidenten Hansen und Kilian in Hannover und Absprache der Konturen für den Vereinigungsprozess

 

18.4.1990 – Pressekonferenz von Kilian und Hansen im Anschluss an zweites Spitzengespräch in Berlin

 

20.4.1990 – NOK-Präsidium der DDR plädiert für ein gesamtdeutsches NOK

 

April-Mai 1990 – Zahlreiche sogenannte Wendeverbandstage der Sportfachverbände der DDR und Gründung neuer Sportverbände, z. B. Karate, Triathlon, Eiskunstlauf, Eisschnelllauf

 

Mai-Juni 1990 – Beratungen der vier gemeinsamen Arbeitsgruppen von DSB und DTSB für Leistungssport, Breitensport, Wissenschaft und Strukturen

 

8.5.1990 – Erstes Gespräch der für Sport zuständigen Minister Dr. Wolfgang Schäuble und Cordula Schubert in Berlin (Ost)

 

Mai 1990 – Auseinandersetzungen zwischen DTSB und Ministerin Schubert und Rücktrittsforderungen durch den DTSB

 

22.5.1990 – Verbandstag des DTV der DDR verabschiedet Erklärung über baldige Zusammenführung mit dem Deutschen Turnerbund (DTB)

 

28.5.1990 – Zweites Gespräch zwischen BMI Schäuble und DDR-Sportministerin Schubert in Bonn

 

31.5.1990 – Gründung des Turn- und Sportbundes Berlin (Ost) e.V.

 

1.6.1990 – Pressekonferenz mit Ministerin Schubert in Bonn

 

6.6.1990 – Meldung des „Spiegel“, dass bereits über 200 Spitzensportler aus der DDR in die Bundesrepublik gewechselt sind

 

16.6.1990 – Mitgliederversammlung des NOK der DDR mit Wahl von Dr. Joachim Weiskopf zum neuen Präsidenten

 

19.6.1990 – Der DTSB kündigt umfangreiche Entlassungswelle an (bis 30. Juni zunächst 8000 Mitarbeiter)

 

21./22.6.1990 – Beschlagnahme des DTSB-Vermögens und Unterstellung einer Treuhänderschaft

 

25.6.1990 – DSB-Hauptausschuss in Travemünde: Beitritt des DDR-Sports nach politischem Modell (Artikel 23 GG)

 

28.6.1990 – Vorstellung des von den Arbeitsgruppen erarbeiteten „Vereinigungspapiers“ durch Hansen und Kilian in Berlin

 

4.7.1990 – Gipfeltreffen der NOK-Präsidenten Daume und Dr. Weiskopf. Ziel: Gesamtdeutsches Team Olympia 1992

 

7.8.1990 – Verhandlungen der beiden NOK in Baden-Baden über Struktur- und Personalfragen bei der Vereinigung. Daran nahmen Walther Tröger und Dr. Thomas Bach für das NOK West und Dr. Weiskopf für das NOK Ost teil.

 

13.8.1990 – In München wird im Skisport (nordisch) die erste gemeinsame deutsche Nationalmannschaft gebildet

 

17.8.1990 – Die beiden NOKs erzielen Einigkeit über Vereinigung, die am 17. November in Berlin vollzogen werden soll

 

3.9.1990 – Die Modernen Fünfkämpfer der DDR treten dem DVMF bei

 

7.9.1990 – Spitzengespräch in Bonn mit Bundeskanzler Kohl, BM Schäuble sowie Willi Daume und Hans Hansen über Beitritt der DDR zur Bundesrepublik und Auswirkungen auf den Sport

 

8./9.9.1990 – Vereinigung der beiden deutschen Turnverbände durch Beitritt zum DTB auf dem Deutschen Turntag in Hannover

 

11.9.1990 – Zusammenschluss der beiden Eishockeyverbände in München

 

14.9.1990 – Sportpolitische Debatte im Bundestag in Bonn

 

15.9.1990 – Gründung des ersten ostdeutschen LSB Brandenburg. Präsident: Prof. Dr. Junghähnel, der später zurücktreten musste

 

22.9.1990 – Der DTSB-Bundesvorstand beschließt Auflösung des DTSB zum 5. Dezember 1990

 

29.9.1990 – Gründung der weiteren vier LSB (Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen)

 

2.10.1990 – Der BAL des DSB entscheidet über die Vergabe der Olympiastützpunkte

 

8.10.1990 – Die DOG und die Gesellschaft zur Förderung Olympischen Gedankens der DDR beschließen ihre Vereinigung zum 1. Januar 1991

 

26.10.1990 – Bei der Ständigen Konferenz der LSB in Hannover übergeben die fünf ostdeutschen LSBs ihre Anträge auf Aufnahme in den DSB an DSB-Präsident Hansen

 

17.11.1990 – Vereinigung der beiden NOK in Berlin

 

3.12.1990 – Nach Auflösung des Ostberliner Turn- und Sportbundes Vereinigung im LSB Berlin

 

5.12.1990 – Selbstauflösung des DTSB

 

14.12.1990 – DSB-Hauptausschuss in Hannover mit Aufnahme der fünf neuen Landessportbünde in den DSB

 

15.12.1990 – 21. Bundestag des DSB mit Wahlen von Martin Kilian zum Vizepräsidenten und Prof. Dr. Junghähnel (Potsdam) und Dr. Manfred Thieß (Jena) zu Beisitzern im Präsidium. Letztere beiden mussten später als LSB-Präsidenten und aus dem DSB-Präsidium zurücktreten.