Bei der IAAF-Council-Tagung wurde über Regel- und Zeitplanänderung diskutiert

Die Oberen des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF haben nach ihrer fünftägigen Council-Sitzung allesamt Berlin wieder verlassen. Mit der Gewissheit, dass die WM vom 15. bis 23. August ein großes Fest wird.

Sergej Bubka strebt Reformen an. Copyright: picture-alliance
Sergej Bubka strebt Reformen an. Copyright: picture-alliance

Sie haben aber auch eine ganze Menge Sorgen im Gepäck, wenn es um die Zukunft der olympischen Kernsportart Nummer eins geht. Einer der sich mit der Materie bestens auskennt, Sergej Bubka aus der Ukraine, Stabhochsprung-Olympiasieger, Weltmeister und Weltrekordjäger sowie in seiner jetzigen Funktion als IAAF-Vizepräsident, erklärte: „Wir müssen uns reformieren, aber dabei an den Traditionen festhalten.“

Wie dieser Spagat zu schaffen sei, darüber soll sich in den nächsten Monaten das Technische Komitee des Verbandes Gedanken machen und zwar über Regel- und Zeitplanänderungen befinden, die dann beim IAAF-Kongress anlässlich der WM in Berlin von den 213 Mitglieds-organisationen verabschiedet werden sollen. „Da die Marketing- und Fernsehverträge demnächst auslaufen, die Finanzkrise ebenfalls seine Schatten hinterlässt und die Bereitschaft der Sponsoren beeinflusst, müssen wir zu Neuerungen kommen“, lautete die Botschaft des IAAF- Präsidenten Lamine Diack aus dem Senegal. „Ich hoffe, dass die WM in Berlin dazu beiträgt, dass wir einen Schub nach vorn erhalten.“ Und dann sagte er einen Satz, der wie eingemeißelt dasteht: „Wir machen die WM nicht für das Fernsehen, sondern für die Sportler.“ Mit dieser Aussage widersetzte er sich auch der von mehreren Sprechern erhobenen Forderung, die eine Verschlankung der Weltmeisterschaften von neun auf sechs Tage vorsehen. Dennoch wird daran gedacht, die Attraktivität der Titelkämpfe zu steigern. Beispielsweise soll das Abendprogramm auf drei Stunden gestrafft werden. Was nichts anderes heißt, als dass jegliche Qualifikationen und Vorkämpfe nur noch vormittags stattfinden.

Ganz speziell wurde in Berlin über zwei Regeländerungen diskutiert, wobei es in einem Fall schon weitgehende Übereinstimmungen gab. Wie es die Schwimmer bereits mit Erfolg vorgemacht haben, soll künftig der Fehlstart-Verursacher sofort ausgeschlossen werden. Schon ab 2010 könnte das der Fall sein. Des weiteren soll im Weit- und Dreisprung eine Videomessung zur Anwendung kommen, um eine größere Transparenz zu erreichen. Und auch der deutsche, schon 2007 eingebrachte Vorschlag eines fernsehgerechten Verfolgungsrennens bei Mehrkämpfen (Zehnkampf der Männer, Siebenkampf der Frauen) hat viel für sich, wonach die Athleten nach dem Abstand ihrer bisher erreichten Punkte in das Abschlussrennen gehen - wie übrigens bei der nordischen Ski-Kombination, wo der Sprung-Beste zunächst in die Loipe muss. Wer nach der Gundersen-Methode dann als Erster ins Ziel kommt, der hat dann auch gewonnen. Der Tübinger Sportsoziologe und Council-Mitglied Helmut Digel hatte sich nach einer eingehenden Analyse sehr kritisch mit der Leichathletik auseinandergesetzt und sprach sogar von einem absteigenden Ast, auf dem sich derzeit die Sportart befinde: Sein Credo: „Jetzt müssen alle beweisen, dass sie Reformen auch wirklich wollen, um die Attraktivität zu erhalten.“ Ähnlich äußerte sich Sebastian Coe. Der frühere britische Weltklasse-Mittelstreckler, der als momentaner IAAF-Vizepräsident sogar von vielen als Diack-Nachfolger gehandelt wird, erklärte jedoch: „Wir dürfen nicht unser Erbe und unsere Philosophie verkaufen.“

Dennoch sind Innovation und moderne Maßnahmen unabdingbar. So wird auf jeden Fall die nächste Hallen-WM 2010 in Doha in punkto Zeitplan eine sichtbare Veränderung erfahren. Alle Finals sollen jeweils in zwei dreistündigen Abschnitten  ausgetragen werden, um so den Unterhaltungswert für die Zuschauer und das Fernsehen zu steigern. Auch an einem Muster-Zeitplan für die Freiluft-Weltmeisterschaft ein Jahr später im südkoreanischen Daegu wird gebastelt, wobei es aber wahrscheinlich bei den bisherigen neun Tagen bleibt. Wie in Berlin, wo in wenigen Monaten das Topereignis stattfindet. Dazu meinte Diack: „Mit dieser Veranstaltung besitzen wird die große Chance, unsere Sponsoren von der Schönheit, Effizienz und Wichtigkeit der Leichtathletik zu überzeugen. Ich bin mir sicher, dass die Deutschen alles tun werden, um eine perfekte Organisation auf die Beine zu stellen und auch viele Zuschauer ins Stadion locken werden. Bisher sind 210.000 von 500.000 Karten verkauft, was ein sensationelles Ergebnis darstellt. Und auch im Stadion selbst ist alles hervorragend vorbereitet.“

Dieser Meinung ist auch das australische Council-Mitglied Bill Bailey, das sich nach einer Besichtigung total begeistert zeigte: „Die blaue Kunststoffbahn, die ich ganz toll finde, und all die Renovierungen, die bislang vorgenommen wurden, machen die Arena zu einem hervorragenden Ort für die Leichtathletik. Da zieht selbst das Pekinger Vogelnetz von 2008 den kürzeren, denn in Berlin ist die Atmosphäre wesentlich intimer.“ Durchaus eine gute Entscheidung sei es, so sein Kommentar, dass Start und Ziel des Marathons beziehungsweise Gehens sich nicht im Olympiastadion befinden, sondern am Brandenburger Tor, zumal diese Wettbewerbe ohnehin mitten in der City ausgetragen werden. „Wir müssen uns eben neuen Gegebenheiten anpassen. Wenn wir es nicht tun, wird die Leichtathletik sterben.“


  • Sergej Bubka strebt Reformen an. Copyright: picture-alliance
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