Berliner Turnerbund und AOK starten interessante Kita-Kampagne

Der Blick in Berlins Kindergärten und Grundschulen reicht, um sehr schnell zu erkennen, dass die Zahl der übergewichtigen Heranwachsenden viel zu hoch ist und dass folglich etwas gegen die Bewegungsarmut und ungesunde Ernährung unternommen werden muss.

Olympiasiegerin Natascha Keller probiert mit Berliner Kindern das Kikidil aus. Foto: BTB
Olympiasiegerin Natascha Keller probiert mit Berliner Kindern das Kikidil aus. Foto: BTB

Schon einmal den Namen Kikidil gehört? Das ist keine moderne Wortschöpfung für ein neues Waschmittel oder gar der Titel einer tollen Krimiserie im Fernsehen, sondern die spielerische Form eines altbekannten Sportgeräts, des Schwebebalkens, allerdings in wesentlich geringer Höhe. Versehen mit einem angedeuteten Krokodilkopf und Krokodilschwanz eignet es sich hervorragend für Kinder zwischen zwei und zehn Jahren zum Balancieren, Vor- und Rückwärtslaufen, Hüpfen, Krabbeln oder bei Schrägstellung sogar zum Klettern.

Um mehr Abwechslung in den Bewegungsalltag der Kitas zu bringen, haben sich der Berliner Turn- und Freizeitsport-Bund sowie die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) Berlin entschlossen, eine gemeinsame Kampagne unter dem Begriff „Schnapp Dir Dein Kikidil“ zu starten, die Anfang Mai bei einer Pressekonferenz in einem Kaufhaus am Alexanderplatz vorgestellt wurde. Das Ziel ist es, Ende Juni bei einer großen Abschluss-Veranstaltung im Jahn-Sportpark insgesamt 125 Kindertagesstätten mit diesem hölzernen Prunkstück zu beglücken.

Ohne Fleiß - kein Preis. Alle 1.800 Kitas der Stadt müssen, sofern Interesse an dem Kikidil besteht, sich zuvor an einem Mal-, Bastel- oder Singwettbewerb beteiligen, wobei das Motto „Gesundheit ist ein Kinderspiel“ heißt. Die kreativsten Exponate werden von einer Jury unter dem Vorsitz der Hockey-Olympiasiegerin Natascha Keller prämiert und bescheren den besten Kitas ein Kikidil. Für hundert Geräte übernimmt die AOK die Kosten, für fünf mal fünf weitere kommen Berlins Top-Bundesligaklubs auf, so die Handball-Füchse, die SCC-Volleyballer, die Spandauer Wasserballer, die Eisbären des Deutschen Eishockeymeisters und die Fußballer vom 1. FC Union.

Berlins neue Staatssekretärin für Bildung, Jugend und Familie, Claudia Zinke, die bis vor kurzem noch Vorsitzende der Sportjugend Berlin war, zeigte sich begeistert über diese Aktion und meinte: „Mehr denn je ist heutzutage die motorische Förderung im Kleinkindalter gefragt, weil dadurch nicht nur die Bewegungs- und Gleichgewichtsschulung positiv beeinflusst werden, sondern gleichzeitig, wie Studien ergaben, auch die Intelligenz-Entwicklung und das soziale Verhalten. Und im übrigen finde ich es ganz bemerkenswert, dass sich mehrere verschiedene Institutionen zusammengeschlossen haben, um etwas für eine gute Sache zu tun.“ Gemeint sind die Familien-Senatsverwaltung, der LSB und die Sportjugend, außerdem die „Kinder in Bewegung“ (KiB) und die DOG.

Grund genug zum Handeln besteht allemal, denn der verstärkte TV-Konsum und die so gern bevorzugten Computerspiele beschwören bei den Heranwachsenden eine ernsthafte

gesundheitliche Situation herauf. BTB-Präsident Frank Ebel sprach davon, dass bedauerliche Weise schon Schulanfänger übergewichtig, teils sogar antipös sind, was Christian Klose, Mitglied der AOK-Geschäftsleitung Berlin, mit handfesten Fakten unterlegte. 86 Prozent der Kinder können laut einer wissenschaftlichen Untersuchung nicht einmal eine Minute lang auf einem Bein stehen, 43 Prozent sind nicht in der Lage, beim Rumpfbeugen mit den Fingerspitzen den Boden zu berühren und 35 Prozent können nicht zwei oder mehr Schritte rückwärts balancieren.

Zwölf Jungen und Mädchen der Kita Wolgaster Straße, die zum Verbund „Kinder in Bewegung“ des Landessportbundes Berlin gehört, zeigten, wie viel Spaß das Laufen und Kriechen auf den Kikidils macht, die übrigens in den Diakonie-Werkstätten von Halberstadt hergestellt werden. „Dabei handelt es sich um keine Industrieanfertigung, sondern um eine reine handwerkliche Tätigkeit von 14 unserer geistig-behinderten Mitarbeiter, die viel Freude an der Herstellung der vier beziehungsweise drei Meter langen Geräte haben, die in den Farben Blau, Rot, Grün und Natur zu erhalten sind,“ so der Werkstattleiter Reimann.

Natascha Keller, die Botschafterin der Aktion, gewährte einen kleinen Einblick in ihr Innenleben und erzählte: „Mit dem Turnen hatte ich früher nicht allzu viel im Sinn, schon gar nicht mit dem Schwebebalken. Doch wenn es dieses Kikidil damals gegeben hätte, wäre das bestimmt anders gewesen. Sollte ich nach meiner Karriere einmal Trainerin werden, so könnte ich mir gut vorstellen, dieses Sportgerät in meine Übungseinheiten miteinzubinden, auch für kleine Hockeyspielerinnen.“ LSB-Präsident Peter Hanisch hörte solche Aussagen sehr gern, weil auch er der Ansicht ist, dass „langes Sitzen nicht klüger macht“ und plädierte dafür, bereits in den Kitas mit einer umfangreichen und gezielten Bewegungserziehung zu beginnen.

Die Idee des Kikidils hatte der ZDF-Journalist und Moderator des Morgenmagazins, Heiko Klasen, der gemeinsam mit BTB-Geschäftsführer Jens-Uwe Kunze eines Tages zu der Erkenntnis gekommen war, dass viele Kinder an Gleichgewichtsstörungen leiden und dass man auf irgendeine Weise hier Abhilfe schaffen sollte. So entwickelten sie einen Prototyp, der von einem befreundeten Tischler in die Tat umsetzte. Doch da sich in Berlin niemand bereit fand, diese Geräte zu bauen, fiel die Wahl auf die Diakonie Halberstadt, die bereitwillig mitzog.

Mit dem doch recht ungewöhnlichen und gewöhnungsbedürftigen Namen Kikidil hat es eine besondere Bewandtnis. Kiki heißt die dreijährige Tochter des geistigen Schöpfers dieses interessanten Spiel- und Sportgeräts und die angehängte Silbe „dil“ lässt sich leicht von Krokodil ableiten, denn Kopf und Schwanz des Balkens weisen eine gewisse Ähnlichkeit mit dem im Wasser so gefräßigen Tieres auf.

Noch handelt es sich um eine Berliner Kampagne, doch warum sollte sie nicht eines Tages bundesweite Nachahmer finden! Die 240 Euro pro Kikidil sind bestimmt gut angelegt.


  • Olympiasiegerin Natascha Keller probiert mit Berliner Kindern das Kikidil aus. Foto: BTB
    Olympiasiegerin Natascha Keller probiert mit Berliner Kindern das Kikidil aus. Foto: BTB