Brettschneider warnt vor Folgen durch Übergewicht

Die große Bedrohung des deutschen Gesundheitssystems durch das steigende Übergewicht von Kindern und Jugendlichen ist vielen Verantwortlichen noch nicht klar. Diese These vertrat der renommierte Paderborner Sportwissenschaftler Prof. Dr. Wolf-Dieter Brettschneider in einem Vortrag anlässlich des Deutschen Turnfests in Berlin.

Der Paderborner Sportpädagoge Prof. Brettschneider (Foto: DSB-Archiv)
Der Paderborner Sportpädagoge Prof. Brettschneider (Foto: DSB-Archiv)

„Wir unterhalten uns hierbei über ein Problem, dessen Tragweite von vielen noch nicht erkannt worden ist“, sagte Brettschneider, der gerade eine vergleichende Studie zu diesem Thema zwischen allen EU-Ländern durchgeführt hat. Seinen Vortrag in Berlin hatte Brettschneider provozierend „fett, faul, fernsehsüchtig – Europas junge Generation auf dem Prüfstand“ bezeichnet.

 

In der letzten Woche hat Brettschneider seine Ergebnisse auch der EU-Kommission und den zuständigen EU-Ministerien in Luxemburg vorgestellt. „Die EU hat die Problematik auf ihre rolling agenda genommen“, meinte Brettschneider. In Deutschland sei die Gefahr bisher ein wenig spät erkannt worden. Nach seiner Studie sind alle EU-Länder von dem zunehmenden Durchschnittsgewicht der jungen Generation betroffen, allerdings mehr oder weniger stark.

 

Die EU lässt sich nach der Ermittlung des Sportpädagogen in drei Kategorien einteilen. Den größten Anteil übergewichtiger oder gar fettsüchtiger Kinder verzeichnen die südeuropäischen Länder und England, den kleinsten die osteuropäischen und baltischen Staaten. Im Mittelfeld dieser Skala rangiert Deutschland wie das umgebende Mitteleuropa auch. „Aber allen ist eins gemein: Die Tendenz ist stark steigend“, warnte Brettschneider.

 

 

 

Ungesunde Ernährung ist ein Grund

für die Zunahme des Gewichts der

Kinder (Foto: DSB-Archiv)

 

Auch der Verlauf der Gewichtsentwicklung ist nach der Beobachtung von Brettschneider und seinen Kollegen in der Jugend in allen Ländern gleich. Im Alter von fünf bis sechs Jahren ist ein großer Anstieg des Übergewichts zu beobachten. Danach flacht die Kurve wieder ab, bis sie mit Eintritt ins Erwachsenenalter wieder an Steilheit gewinnt. In England seien mittlerweile 15 bis 18 Prozent übergewichtig und fünf Prozent fettleibig. Für den Wissenschaftler müsste dieses Phänomen aus mehreren Gründen beobachtet und bekämpft werden.

 

Zum einen kommt es in der Folge zu immer mehr Stoffwechselerkrankungen und zum anderen würden aus „fetten Kindern auch immer wahrscheinlicher fette Erwachsene. Die Quote liegt bei 80 Prozent“, sagte Brettschneider.

 

Die Ursachen sind aus der Sicht der Wissenschaft noch nicht eindeutig geklärt. Sie lassen sich aber grundsätzlich in die genetischen Gründe und die Rahmenbedingungen wie das soziale Umfeld unterteilen. Der Genpool hat sich aber in den letzten 10.000 Jahren nur noch unwesentlich verändert, demnach scheidet er aus der Sicht von Brettschneider als Ursache aus.

 

Auf der anderen Seite muss auch bei Kindern und Jugendlichen die Energiebilanz ausgeglichen sein. Dies scheint immer weniger der Fall zu sein. Da allerdings überraschenderweise die durchschnittliche Energiezulieferung durch Nahrung in Europa nicht zu-, wie leicht vermutet wird, sonder sogar abgenommen hat, muss es am körperlichen Energieverbrauch liegen.

 

Und die zweite Überraschung: Auch die Sportbegeisterung von Kindern hat sogar noch zugenommen. „Noch nie hatten wir eine Jugend in Deutschland, die so sportbegeistert war“, meinte Brettschneider. Aber der Sport könne die Zeiten der körperlichen Inaktivität, die durch die Medien wie Fernsehen, Video und Computer stark zu nehmen, nicht kompensieren. „Wir haben es hier mit einer Zeitbombe zu tun, die möglichst schnell entschärft werden muss“, sagte Brettschneider in Berlin.


  • Der Paderborner Sportpädagoge Prof. Brettschneider (Foto: DSB-Archiv)
    Der Paderborner Sportpädagoge Prof. Brettschneider (Foto: DSB-Archiv)