Bundestrainer im Interview beim DOSB

Mitte Oktober trafen sich auf Einladung des Hamburger Journalisten Frank Schneller, des kicker sowie des DOSB in dessen Räumlichkeiten die Bundestrainer der führenden Mannschaftssportarten hinter König Fußball zum Meinungsaustausch.

Heiner Brand, Dirk Bauermann und Uwe Krupp zu Gast beim DOSB. Copyright: DOSB
Heiner Brand, Dirk Bauermann und Uwe Krupp zu Gast beim DOSB. Copyright: DOSB

Heiner Brand (Handball), Dirk Bauermann (Basketball) und Uwe Krupp (Eishockey) diskutierten angeregt mehrere Stunden in Gegenwart von Ulf Tippelt, DOSB-Direktor für Leistungssport. Dabei waren Offenheit und Transparenz angesagt.

Eine Zusammenfassung der Dialoge mit ihren wesentlichen Kernaussagen lesen Sie hier:

Sie, Herr Brand, dürften als Weltmeister von 2007 doch keinen Grund zur Klage haben...

++++++  Video vom Bundestrainertreffen auf Spiegel-online  ++++++++

BRAND: Das wäre schön. Dabei  habe ich schon so oft über die Schwierigkeiten des Handballs und meine Nöte – nein: unsere – gesprochen, dass man mir vorgeworfen hat, ich würde sie immer dann hervorholen, wenn wir uns nicht gut platzieren. Aber auch als wir Weltmeister wurden, habe ich davon gesprochen. Verbesserungen und Fortschritt sind immer nur in Kooperation mit der Liga möglich – das gilt sicher für alle drei.

BAUERMANN: Stimmt. Wobei wir – ähnlich dem Eishockey, aber anders als im Handball – vor allem das Problem des unglaublich großen amerikanischen Spielermarktes haben. Im letzten Jahr gab es in der BBL einen Anteil deutscher Spieler von knapp 20, eher 15 Prozent. Damit verringert sich der Anreiz, den ein junger Spieler braucht, um die hohen Trainingsumfänge und Entbehrungen auf sich zu nehmen. Das Risiko gehen viele unserer Talente nicht ein, wenn die Chance, Profi zu werden, nicht ausreichend groß ist.

Wie, Herr Krupp, bewerten Sie, dass inzwischen 62  Prozent der DEL-Profis für die deutsche Nationalmannschaft spielberechtigt sind?

KRUPP: Wir haben zwar einen recht großen Anteil von Spielern mit deutschem Pass in der DEL. Allerdings haben wir immer noch zehn Ausländer pro Mannschaft. Dort nicht eingerechnet sind jene älteren eingedeutschten Spieler, die irgendwann gegen Ende ihrer Karriere einen deutschen Pass bekommen und theoretisch für Deutschland spielen dürften. Wenn du aber dann mit im Prinzip 13 Ausländern und zumeist nur drei Blöcken spielst, bleiben gerade mal zwei oder drei Deutsche übrig. Unter denen musst du dann diejenigen suchen, die als Leistungsträger oder Schlüsselspieler bei uns im Nationalteam auf dem Eis stehen.

Nicht einfach…

KRUPP: …zumal unser Verband keine Nachwuchsarbeit macht. Eishockeyspieler werden in den Vereinen gemacht und entwickelt. Der Verband gibt lediglich den entdeckten besten Spielern die Möglichkeit und Erfahrung, internationale Spiele und Turniere zu spielen. Die Hauptarbeit wird in der täglichen Routine der Spieler in ihren Heimatvereinen geleistet.

BAUERMANN: Eine wichtige Rolle spielen auch immer die Trainer im Nachwuchsbereich und ihr Status, ihre Funktion.

KRUPP: Ganz genau. Es heißt immer, die besten Trainer sollen im Nachwuchsbereich tätig sein, weil es sonst nicht vorangeht. Und das stimmt auch. Wer Fünf- oder Sechsjährigen das Schlittschuhlaufen beibringen will, muss richtig gut und geduldig sein und knüppelhart arbeiten. Hier brauchst du Trainerqualität, sonst hast du schon im Ansatz große Probleme. Der für mich wichtigste Schritt der letzten Jahre war die Förderverpflichtung der DEL-Vereine für eine bessere, gemeinsame Nachwuchsförderung. Die ist nicht mehr freiwillig, da herrscht ein gewisser Druck, bis hin zum Lizenzentzug. Das ist eine gute Maßnahme.

Werden die Nationalteams von den Ligen stiefmütterlich behandelt?

BRAND: Es sind ja jeweils zwei unterschiedliche Organisationen mit eigenen Interessen: dort die Ligaverbände, hier die Nationalmannschaften als Repräsentanten ihrer Dachverbände. Und da wir die Spieler aus der Liga brauchen, sind wir allein schon deshalb auf sie angewiesen. Darum auch muss man vernünftig kooperierenen. Ich habe diesbezüglich und in Sachen Kommunikation aber mit so manchen Vertretern der HBL leider so meine Schwierigkeiten.

BAUERMANN: Wobei es ja keine im klassischen Sinne konkurrierenden Organisationen sind.

War es früher einfacher, als die Ligen noch unter dem Dach der Verbände organisiert waren?

BRAND: Früher war ja die Professionalisierung noch nicht so weit fortgeschritten, und insofern waren die eigenen Interessen noch nicht ganz so ausgeprägt. Heute zählt für die Vereine aufgrund des wirtschaftlichen Drucks der kurzfristige Erfolg – unter allen Umständen. Das muss man auch verstehen.

Sie drei beklagen unisono ziemlich hohe Reibungsverluste zwischen Verband und Nationalmannschaft einerseits und den Interessen der Profiliga andererseits. Alle sagen immer, das Nationalteam ist das wichtigste...

KRUPP; BAUERMANN, BRAND (gemeinsam): …aber. Genau!

KRUPP: Hier liegt sie, die Problematik, die Heiner angesprochen hat. Der wirtschaftliche Erfolg und Druck für die Vereine ist ganz normal. Die müssen versuchen, über die Runden zu kommen. Bei uns im Eishockey heißt das: Die Saison darf nicht zu früh anfangen, und du brauchst eine große Anzahl von Ligaspielen. Du brauchst gewisse Wochenenden, um zu spielen, beispielsweise Ostern. Sogenannte kleinere Eishockey-Nationen nutzen solche Zeiträume für zusätzliche Trainingslager - zwei-, dreimal während der Saison, je eine Woche. Gegen diese Nationen treten wir dann an und treffen auf gut eingespielte Teams, während wir ein zusammengewürfelter Haufen sind. Mir bleiben zur Vorbereitung einer WM oft zwei, drei Tage. Und ich kämpfe wirklich darum, dass ich einen Tag mehr bekomme. Wie lange hast du dein Team, Dirk?

BAUERMANN: Vor einer EM oder WM fünf Wochen. Knappe Vorbereitungszeiten sind das eine. Aber für mich wesentlich ist, was Uwe vorhin angesprochen hat: das Sichten, Finden und Entwickeln von Talenten. Ich bin ganz sicher, dass es für uns alle nicht weitergeht, wenn der Profisport hier nicht in die Verantwortung geht. Wo es Profisport gibt, finden sich auch personelle und strukturelle Möglichkeiten für eine Jugendarbeit auf hohem Niveau. Dass Trainer, wie bei kleinen Klubs üblich, das für ein bisschen Benzingeld machen, geht nicht. Das Thema wird mehr und mehr verstanden. Und es ist absolut entscheidend.

Hat der Sport hierzulande Potenzial zu mehr? Oder sind wir eine fast reine Fußballnation?

BRAND: Jedes Land ist irgendwie eine Fußballnation, von Amerika mal abgesehen. Das muss man akzeptieren und nicht versuchen, sich in Konkurrenz zu ihm zu begeben. Unsere Bedeutung hängt von der jeweiligen Nationalmannschaft und deren Erfolg ab. Wenn eine unserer Nationalmannschaften Erfolg hat, dann hat auch die Sportart ein gutes Standing. Davon profitiert die Liga, davon wiederum die Basis. Das haben wir 2007 nach dem WM-Erfolg gemerkt, also muss es im Sinne aller sein, vernünftige Lösungen für die Nationalmannschaften zu finden.

Welche Forderungen ergeben sich somit?

BAUERMANN: Eine, die ich erhoben habe, war, bis 2014/2015 nur noch vier Ausländer unter den zwölf Spielern auf den Spielberichtsbögen zuzulassen, und ein Deutscher muss immer auf dem Feld sein.  Das war nicht durchsetzbar. Der neue Quotenbeschluss mit sechs Deutschen unter zwölf Spielern ab 2012 ist in jedem Falle besser als der Ist-Zustand. Ein Teilerfolg, sozusagen. Doch die Chance, es noch besser zu machen, blieb ungenutzt.

Wie hätte der einstige Vereinstrainer Bauermann mit dem Nationalcoach Bauermann diskutiert?

BAUERMANN: Überhaupt nicht. Es wäre ganz falsch, wenn wir als Nationaltrainer unsere Kollegen in den Vereinen dafür kritisieren würden, dass sie nicht genügend deutsche Spieler einsetzen. Das ist nicht deren Aufgabe. Ihre Aufgabe ist es, unter den Regeln, die ihnen die Liga gibt, maximal erfolgreich zu sein. Was im Basketball gut funktioniert, ist, dass mittlerweile in der in ProA und ProB abgestuften zweiten Liga zwei beziehungsweise drei Deutsche immer auf dem Feld stehen müssen.

KRUPP: Ich habe ehrlicherweise ein Problem mit einer Struktur, nach der ein deutscher Spieler automatisch spielt. Der Spieler, der automatisch spielt, den deutschen Pass hat und die Quote bringt, also den Status des eingebauten Spielers erfüllt, aber nicht um seinen Platz kämpfen muss, wird nicht der Spieler sein, der uns ultimativ hilft, Erfolge zu holen, wie sie etwa Heiner Brand hat. Die Lösung wäre, mehr Spieler zu haben. Ein Beispiel: Wir haben deutschlandweit rund 35.000 Eishockeyspieler, da muss man mich aber schon mit hinzuzählen. Allein die Provinz Ontario in Kanada hat über 300.000 Nachwuchsspieler. Und Mannschaften wie Kanada sind es, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Wir in Deutschland machen nicht genug, wir haben die falsche Philosophie. Und wenn wir die im Eishockey nicht ändern, können wir uns langsam aus dem Leistungssport verabschieden.

BRAND: Insofern unterscheiden sich die Sportarten strukturell schon. Wir haben eigentlich genügend Jugendspieler, auch gut ausgebildete, wir haben Erfolg mit den Nachwuchsauswahlen. Da ist bei uns die Ausgangslage dann doch eine andere. Ich sehe jedoch auch bei uns die Möglichkeit einer noch besseren Entwicklung, wenn wir endlich eine vernünftige Quote bekämen, so wie sie sich Dirk in der BBL vorstellt.

BAUERMANN: Ich bin übrigens in einem Punkt anderer Meinung als Uwe. Mag sein, dass es in Einzelfällen Probleme gibt, wenn junge deutsche Spieler eine Einsatzgarantie bekommen. Aber in aller Regel trifft das nicht zu, denn die Jungs sind einfach geil aufs Spielen und darauf zu zeigen, was sie drauf haben. Wir brauchen im Basketball, wo die Amerikaner und die Staaten des ehemaligen Ostblocks so unendlich viele Spieler hervorbringen, eine Quotierung. Je weitreichender sie ist, desto besser. Die Faulen, die sich auf der Quote ausruhen, packen es sowieso nicht, und darum ist es – hier bin ich wieder völlig einer Meinung mit Uwe –  so unglaublich wichtig, eine Menge von Spielern zu produzieren, die um die garantierten Plätze kämpfen. Das muss das Ziel sein.

KRUPP: Ich bin schon auch für eine Quotierung, aber sie muss in Relation stehen zu der Anzahl der Spieler, die nachrücken. Ich bin ganz Dirks Meinung: Wenn es keinen Druck gibt, deutsche Spieler einzubauen, holt man sich fertige Spieler aus Nordamerika und stellt sie aufs Eis. Nur, ihr müsst mich verstehen: Meine Philosophie, mein Ziel ist nicht, irgendwie mal mitzuspielen im Eishockey. Ich will auch mal Erfolge haben, wie wir sie vom Handball kennen, sonst brauche ich das nicht zu machen. Für mich stimmt Quotierung nur dann, wenn sie trotzdem ein knüppelhartes Auswahlverfahren verlangt. Es ist ja kein Zufall, dass wir im Fußball so gut sind.

Wie groß ist denn Ihr potenzielles Spielermaterial, aus dem Sie den Nationalmannschaftskader zusammenstellen können?

BAUERMANN: 20, 25.

BRAND: Wie bei mir auch – 20, 22 Spieler. Das zeigt auch mein Dilemma. Ich hatte schon Länderspiele, da wusste ich aufgrund von Absagen und Verletzungen nicht mehr, wie ich das Aufgebot vollkriegen sollte. Das ist ein unhaltbarer Zustand.

KRUPP: 25 –  und dann kann jeder mitspielen. Aber damit gewinnst du ja noch nicht. Im erweiterten Kader sind 40, vielleicht 45 Spieler. Die werden gefördert und unterstützt, aber der harte Kern sind 25.

Sind ausländische Spieler wirklich billiger als deutsche, wie es oft behauptet wird, wenn die Ligen gegen die Quote argumentieren?

BRAND: Das ist mehr Alibi als Argument. Wenn der deutsche Spieler zu teuer ist, liegt es doch am System, das in Schieflage geraten ist. Ganz einfach: Wenn das Angebot größer ist, weil wesentlich mehr Talente den Weg gehen und es nach oben schaffen wollen, gibt es das Problem gar nicht, weil sich der Markt dann selbst reguliert.

BAUERMANN: Wenn man sich anschaut, was junge Spieler wie Robin Benzing oder Tibor Pleiss, die eine sehr erfolgreiche EM gespielt haben, in ihren Bundesligavereinen verdienen, kann man nicht sagen, dass das mehr ist als junge ausländische Spieler oder dass sie exorbitant teuer wären. Von extrem wenigen Ausnahmen abgesehen, sind alle anderen für jeden Verein finanzierbar. Für jeden! Die, die am jeweiligen Standort ausgebildet wurden, sind sogar ganz besonders günstig, weil sie zum Teil noch zur Schule gehen, bei den Eltern leben und so weiter.

KRUPP: Ich glaube, der deutsche Spieler ist der billigste Spieler auf dem Markt. Der Preis ist Entscheidung des Vereins. Ich bin kein Buchhalter, aber es kommt doch darauf an, was die Klubs bereit sind zu zahlen. Es geht ja gedanklich bei der Quotierung durch die Liga auch nicht um den 29-Jährigen, den fertigen deutschen Spieler, sondern um den 18-, 19-Jährigen, den U23-Spieler. Und der ist nach meinen Informationen und Erfahrungen nicht so teuer wie ein Spieler, den du aus Nordamerika erst einmal anlocken musst.

Stichwort Finanzen: Wie stellen sich denn die Märkte und finanziellen Potenziale dar, um die sich Ihre Sportarten bemühen? Wie schaut es mit der TV-Präsenz aus?

KRUPP: Ich glaube, die deutschen Eishockey-Vereine kämpfen fast alle ums Überleben. Es gibt vielleicht ein paar wenige, die den Luxus eines Mäzens oder großen Sponsors genießen, aber die meisten Klubs leben von den Zuschauereinnahmen – und da wird es ganz, ganz eng. Da wir keinen riesigen Fernsehvertrag oder hohe Einschaltquoten vorweisen können, kämpft das Eishockey hierzulande immer – obwohl wir sehr gute Eishockey-Übertragungen haben, die sich trotzdem vielleicht nur 40.000 Leute ansehen.

BAUERMANN: Wichtig ist, dass unsere Sportarten im Fernsehen stattfinden. Basketball kam praktisch in den letzten zwei Jahren nicht mehr vor, abgesehen von Internet-Übertragungen. Das tat sehr weh. Unser Produkt muss ins Fernsehen. Die Liga braucht Gesichter. Und sie wird ja auch in den kommenden drei Jahren vom DSF übertragen. Das hilft. Mich würde aber noch etwas anderes von meinen Kollegen interessieren: Unser Problem im Basketball ist, dass unsere jungen, hochtalentierten Spieler nicht bei den Spitzenklubs spielen, die international tätig sind. Auch wegen des internationalen Drucks spielen diese Teams mit wenigen Ausnahmen ohne deutsche Spieler. Unsere EM-Teilnehmer spielen, weil sie günstig sind, bei Klubs aus dem Tabellenmittelfeld oder bei Abstiegskandidaten. Das ist so schlecht für uns, dass diese Jungs diesen internationalen Schliff nicht mitkriegen.

BRAND: Ganz genau diese Problematik habe und bemängele ich auch. Ich hatte 2007/2008 bei den vier deutschen Champions-League-Teilnehmern Hamburg, Kiel, Flensburg und Gummersbach weniger als zehn Prozent deutsche Spieler. Und auf den zentralen Positionen im Rückraum war es praktisch nur Pascal Hens vom HSV. Die Forderung nach deutschen Spielern heißt doch auch, dass wir diese Jungs in Kiel oder Hamburg brauchen. Die müssen lernen, mit dem Druck des Gewinnen-Müssens umzugehen.

KRUPP: Das ist genau, was ich meine. Diese Wettkampf-Kultur und -Mentalität, die muss man haben, die Verantwortung auf höchstem Niveau. Ich wäre schon sehr, sehr glücklich, wenn wir überhaupt deutsche Spieler in leistungstragenden Positionen bei ihren Klubs hätten. Dass wir bei einer Überzahlsituation mal zwei deutsche Verteidiger auf dem Eis haben, ist die absolute Ausnahme. Den großen Schritt aus dem Nachwuchsbereich direkt in die DEL schaffen nur absolute Ausnahmen. Ich begrüße das sogar. Der logische Schritt bei uns aus der Jugend heraus ist für mich der in die Oberliga, also die dritte Liga. Dort wird es schon heiß genug, denn schon dort gelingt es nur den wenigsten Spielern, sich durchzubeißen. Zu viele aber haben gerade mal ins Profi-Dasein reingeschnuppert und werden dann sofort von irgendeinem Verein genommen, um die Deutschenquote zu erbringen. Und dort sitzt er dann wieder. Schon in der Scorerliste der Oberliga ist kein deutscher Spieler unter den Top 20. Und wer darin auftaucht, ist eine Ausnahme-Erscheinung. Also: Wo sind unsere U20-Spieler? Wo entwickeln sie sich? Die sind schon da. Die sind schon oben, fahren ihr schönes DEL-Vereinsauto, sammeln aber nur die Pucks ein. Das ist die Realität.

Sie drei sind allesamt, mal von Dirk Nowitzki abgesehen, auch das Gesicht, die Frontfigur Ihrer Sportart. Als Trainer! Das spricht für Sie, aber auch Bände über den Mangel an Gesichtern, an Stars ...

BAUERMANN: Wir brauchen Gesichter! Die Ligen, die Nationalmannschaften, unsere Sportarten. Und dafür brauchen wir TV-Zeiten. Egal, wie sensationell Spieler sind, wie außergewöhnlich – wenn sie im Fernsehen nicht vorkommen, ist es, als würden sie nicht existieren.

Wobei Ihre Jungs, Herr Krupp, alle einen Helm tragen. Wie soll man die erkennen?

KRUPP:  Das macht es nicht leichter. Aber: Ich glaube, Marco Sturm ist so ein Spieler, ein Name, der im deutschen Eishockey zählt und Gewicht hat. Wenn Marco im DSF interviewt wird, ohne Helm, kommt er sehr gut rüber – davon profitiert unser Sport. Allerdings entstehen Galionsfiguren nur im Zusammenspiel mit den Medien, vor allem mit dem Fernsehen. Auch die Öffentlich-Rechtlichen wären als Plattform wichtig.

BRAND: Natürlich sind das mediale Interesse und Sendezeiten in den Öffentlich-Rechtlichen ganz wichtige Faktoren. Die WM 2007 hat uns natürlich einen enormen Schub gegeben. Eine interessante Erfahrung war, wie sich die öffentliche Aufmerksamkeit veränderte, als RTL die WM 2009 übertrug. Das habe ich gemerkt, weil ich plötzlich von einer neuen Klientel erkannt wurde. Das war offenbar ein teilweise doch anderes Publikum als bei ARD oder ZDF. Man hat bei den letzten beiden WM-Turnieren ja sehen können, dass die Aufmerksamkeit und das Interesse durchaus da waren. Vor allem 2007 ist eine große Eigendynamik während der WM entstanden.  Wenn die großen Sender eine Sportart pushen, hat man eine Chance. Ansonsten ist es als Randsportart schwer, etwas zu steuern.

KRUPP: Heiner beschreibt das sehr gut: Wie das bei der Handball-WM abgelaufen ist, das ist die Idealvorlage – eigentlich der perfekte Fahrplan für unsere WM hier 2010.

Das WM-Eröffnungsspiel, Herr Krupp, mit Ihrer Mannschaft findet AufSchalke statt, vor 56.000 Zuschauern. Highlight und Abenteuer für Sie als Nationaltrainer, oder eher eine Last?

KRUPP: Also ich bin grundsätzlich eher skeptisch, wenn man mir verheißungsvolle Konzepte präsentiert. Aber ich habe mir alles angesehen und bin nun recht zuversichtlich, dass wir dort gutes Eishockey spielen können. Das war für mich das Wichtigste. Dass der Rahmen als solcher, dieses wahnsinnige Fußballstadion, für uns als Bühne eine richtig tolle Sache ist, ist doch klar. Und natürlich kommt als Basis aller Öffentlichkeitswirksamkeit der sportliche Erfolg dazu. Um den geht es schließlich.

BRAND: Richtig, das ist der zweite wesentliche Faktor. Du fällst vielleicht auch auf, wenn du Tattoos oder eine verrückte Frisur hast. Aushängeschild aber wird nur, wer eine positive, hervorstechende Rolle auf dem Spielfeld übernimmt.

Sie, Herr Bauermann, haben Dirk Nowitzki, der ja treu zu Deutschland steht, obwohl er seit Jahren in den USA spielt und dort ein Superstar ist. Ein Glücksfall.

BAUERMANN: Dirk erfüllt den Anspruch an eine Galionsfigur absolut. Er ist der ultimative Profi. Und obwohl er schon so unglaublich viel erreicht hat, ist es beeindruckend, wie hart der Junge nach jedem Training zusätzlich trainiert. Damit ist er auch für junge Spieler immer ein großes Vorbild.  Die Schattenseite jedoch ist, wenn eine Sportart nur über diesen einen Topmann wahrgenommen wird und die mannschaftliche Entwicklung, andere Spieler und alles Sonstige ein bisschen verblasst in seinem Schatten. Nicht  missverstehen bitte: Es ist sensationell gut, dass es Dirk gibt.

BRAND: Nowitzki ist mit seiner Rolle ja auch stets gut umgegangen. Er hat das Starsein nie ausgekostet oder forciert.

KRUPP: Es macht Spaß, ihm zuzuschauen, ihn zu erleben. Einfach sensationell. Da kann man stolz drauf sein, auch als Landsmann – Kategorie Steffi Graf.

Ein vergleichbarer Star ist aber nicht in Sicht ...

KRUPP: Nein. Ich möchte aber mal eines klarstellen: Ich habe vom Klagen und Lamentieren eigentlich längst die Nase voll. Immer wieder betonen, wie schlecht alles ist und so – das geht mir auf den Geist und mir gefällt diese Rolle nicht. Wir arbeiten mit dem, was wir haben. Und wenn ich das unter den Bedingungen, die wir haben nicht machen möchte, dann kann ich auch in den Flieger steigen und nach Hause fliegen.

BAUERMANN: Was Uwe da sagt, ist auch aus einem anderen Grund interessant. Denn je mehr du als Trainer lamentierst und jammerst, umso größer ist das Alibi, das die Spieler haben. Die können ja im Misserfolg gleich darauf verweisen und sagen: „Was wollt ihr denn, ging ja gar nicht anders.“

Sind Sie auf dem Markt, den der Fußball übrig lässt, Konkurrenten um die verbleibenden Fleischtöpfe, oder können Sie sich auch aufrecht freuen über den Erfolg des Kollegen und der anderen Sportart?

KRUPP: Ich bin absoluter Fan, ich finde Handball und Basketball super, verfolge das sehr genau und lebhaft – und freue mich riesig, wenn die Kollegen Erfolg haben.

BAUERMANN: Unterschreibe ich! Es gibt keinen Futterneid. Im Gegenteil – wir unterstützen uns gegenseitig, wenn ich an die letzten Olympischen Spiele denke. Meine Jungs haben jedes Tor bejubelt, als hätten wir uns gerade fürs Viertelfinale qualifiziert.

BRAND: Auch ich bin vor allem Fan der deutschen Mannschaften, wobei ich in der Argumentation intern schon mal den Quervergleich ziehe. Aber das geschieht ja nicht aus Futterneid heraus, sondern dient meiner Argumentation, dem Ansporn.


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