Laut neuester DOSB-Bestandserhebung können die mehr als 86.000 Sportvereine 815.000 neue Mitgliedschaften verbuchen und wachsen damit auf ein 10-Jahres-Hoch.
Das ist nicht nur schön um der Sportvereine willen, sondern weil die vielen neuen Mitgliedschaften ganz konkret bedeuten, dass sich wieder mehr Menschen in unserer Gesellschaft in Vereinen treffen, gemeinsam etwas für ihre Gesundheit tun und für das soziale Miteinander. Das sind hervorragende Nachrichten für den Sport und für unser Zusammenleben.
Und wenngleich wir uns im DOSB über diesen Erfolg freuen, so sind wir doch auch etwas zurückhaltend, was den Jubel betrifft. Denn als Dachverband müssen wir immer das große Ganze im Blick behalten - und zum Gesamtbild gehört leider die traurige Realität, dass sich hinter dem 10-Jahres-Hoch auch Probleme verstecken. Ganz konkret: Jeden Tag hören wir von Kindern und Erwachsenen in Deutschland, die vom Sport abgewiesen werden. Und das nicht, weil die Sportvereine sie nicht wollen - sondern weil sie nicht können.
Neben Rekordmitgliedszahlen und überwundenen Corona-Tiefs sind aus dem ganzen Land immer öfter Hilferufe zu hören. Von Berlin über Hamburg, München und Düsseldorf bis nach Krefeld, Kempen, Leinfelden-Echterdingen, Schwarzenbek und Pilsting.
Denn es mangelt allerorts an Hallenzeiten oder überhaupt an geeigneter Sportinfrastruktur.
Es fehlen ehrenamtlich Engagierte, Trainer*innen und Übungsleiter*innen.
Der Sport hat gezeigt, was er aus eigener Kraft erreichen kann, er hat das Corona-Tief überwunden. Die Sportvereine wachsen wieder, die Menschen möchten gerne Sport im Verein treiben, möchten ihre Kinder zum Sport schicken - aber treffen dort teilweise auf lange Wartelisten, insbesondere beim Kinderturnen und bei Schwimmkursen. Und auch aus anderen Sportarten hört man von ganz ähnlichen Herausforderungen.
Mit den bereitgestellten Mitteln, mit der vorhandenen Infrastruktur und dem bestehenden Personal kommen die Sportvereine derzeit an ihre Grenzen oder haben diese längst überschritten. Der Sport leistet innerhalb seiner Strukturen derzeit alles, was er kann. Wenn wir als Gesellschaft wollen, dass sich dieser positive Trend der Mitgliedszahlen verstetigt, dann braucht es mehr Unterstützung und Rückendeckung aus der Politik.
Sportvereine und -verbände verfügen nicht über die finanziellen Mittel, um neue Sporthallen, -plätze oder Schwimmbäder zu bauen, bestimmen zumeist nicht über Hallenzeiten und verfügen nicht über die politische Entscheidungskraft, um ehrenamtliches Engagement in unserer Gesellschaft attraktiver zu machen.
Dazu braucht es die Kraft der politischen Entscheidungsträger*innen. Es braucht einen gesamtgesellschaftlichen und politischen Willen für mehr Sporthallen und moderne Schwimmbäder in unserem Land, für ehrenamtliches Engagement, das gesellschaftlich, politisch und auch finanziell die Anerkennung findet, die es verdient hat.
Mit gemeinsamen Projekten wie „ReStart – Sport bewegt Deutschland“ wird deutlich, was Sport und Politik in enger Zusammenarbeit schaffen können. Aber selbst von den zahlreichen Erfolgen dieses Programms dürfen wir nicht erwarten, dass sie langfristig von allein erhalten bleiben, wenn das Vorhaben nicht nachhaltig aufgesetzt und verstetigt wird.
Wenn es unser Ziel ist, sich nicht auf Erfolgsmeldungen auszuruhen, sondern wir den Anspruch haben, uns stets zu verbessern, weiterzuentwickeln, Herausforderungen anzugehen, dann braucht es genau diese enge Zusammenarbeit von Sport, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Nur so kann der Vereinssport als fester und breiter Bestandteil unserer Gemeinschaft eine angemessene Förderung und Unterstützung erfahren.
Ist das nicht der Fall, werden die Mitgliedszahlen in Deutschlands Sportvereinen bestenfalls stagnieren und schlimmstenfalls schnell wieder rückläufig sein.
Das wäre nicht nur tragisch um der Sportvereine willen, sondern weil weniger Mitgliedschaften ganz konkret bedeuten würden, dass sich weniger Menschen in unserer Gesellschaft in Vereinen treffen, gemeinsam etwas für ihre Gesundheit tun und für das soziale Miteinander. Das wären schlechte Nachrichten für den Sport und für unser Zusammenleben.
(Autor: Thomas Weikert, DOSB-Präsident)