Das öffentliche Bewusstsein zum Thema Manipulation schärfen

Wie weit reicht Ihr Wissen zum Thema Doping? Begriffe wie Epo, Anabolika und vielleicht noch Nahrungsergänzungsmittel sind den meisten durch die Medien vertraut.

Wie steht es aber mit dem Wissen um die Wirkungen und Nebenwirkungen, den Folgen für die Gesundheit, den ethischen Konsequenzen für den Sport? Das sind Fragen, die nur selten ins das Bewusstsein der Öffentlichkeit dringen und nur selten publiziert werden.

 

Damit sich das ändert und das öffentliche Bewusstsein zum Thema Doping geschärft wird, hatte die Nationale Antidoping Agentur (NADA) Journalisten aus ganz Deutschland an die Trainerakademie Köln zum zweitägigen Workshop eingeladen. „Uns geht es nicht nur um Repression, sondern vor allem um Prävention und den Schutz der Sportlerinnen und Sportler. Und weil wir aufklären wollen, brauchen wir Ihre Unterstützung.“ Mit diesem Appell an die rund 40 Journalisten, die der Einladung gefolgt waren, eröffnete der Vorstandsvorsitzende der NADA, Dr. Peter Busse, eine hochkarätige Veranstaltung zu einem fortwährend brisanten Thema.

 

Analyse von 160.000 Doping-Proben pro Jahr

Neben Fachvorträgen ausgewiesener Experten stand auch praktischer Anschauungsunterricht auf dem Programm. Dr. Helmut Pabst, Geschäftsführer der PWC GmbH, die im Auftrag der NADA im In- und Ausland unangemeldete Trainingskontrollen (in Deutschland seit 1990) bei Athleten durchführt, bat einige Journalisten zur A- und B-Probe. Danach wurden die in sicheren Behältern verschlossenen Urin-Proben im Labor für Dopinganalytik am Institut für Biochemie an der Deutschen Sporthochschule Köln anschaulich in ihre Bestandteile zerlegt. Das Institut in Köln ist wie das Institut für Dopinganalytik und Sportbiochemie (IDAS) in Kreischa bei Dresden eines von weltweit 23 Doping-Laboratorien, die vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) akkreditiert sind und jährlich insgesamt über 160.000 Doping-Proben analysieren. Chef des Kölner Instituts ist Prof. Dr. Wilhelm Schänzer, der in seinem Vortrag die international renommierten Analysemethoden seines Labors vorstellte. Die Qualität der Messtechniken werde in Köln und ebenso in Kreischa ständig verfeinert, betont der Institutsleiter des Dopinglabors in Kreischa, Prof. Dr. Klaus Müller, denn „die Dopinganalytik muss den Entwicklungen in der Dopingszene möglichst schnell durch neue gerichtsfeste Nachweismethoden entgegentreten“. Auf die Frage, welche Dopingmethoden heute noch nicht feststellbar sind, antworteten die Experten unisono, sie seien mit ihren Möglichkeiten weiter als manche potenziellen Dopingsünder glaubten. Spätestens jetzt tauchte der Begriff Gen-Doping auf, eine noch futuristisch anmutende Erbgut-Manipulation, die gespenstisch am Doping-Horizont wabert. Schänzer bestätigt die Befürchtungen sportlicher Leistungssteigerung durch gentherapeutische Verfahren, wenn sie missbräuchlich angewendet würden: „Es gibt bereits Forschungsversuche mit Primaten“, ergänzt der Biochemiker, der sich grundsätzlich eine bessere Zusammenarbeit mit Pharmaunternehmen wünscht, um im „Hase und Igel-Wettbewerb“ mit dopenden Athleten bestehen zu können. Die Pharmaunternehmen seien aus kommerziellen Gründen selten zur Kooperation bereit. „Sie befürchten, dass ihre aktuellen Forschungen von der Konkurrenz kopiert werden können, wenn einzelne Entwicklungsschritte nach draußen dringen.“

 

Fotos aus der "Todesgalerie"

Wie Doping-Substanzen, vor allem die künstlich hergestellten anabolen Steroide (männliche Hormone), wirken und was sie - überdosiert - anrichten können, schilderte eindrucksvoll Prof. Dr. Horst Michna, ehemaliger Weltklasseruderer und Experte für Wachstumshormone an der TU München. Er weiß aus Erfahrung: „Alles was in medizinischer Therapie und Schweinemast eingesetzt wird, gelangt irgendwann in den Leistungssport.“  Seinen Vortrag untermauerte Prof. Michna mit Fotos aus der „Todesgalerie“. Die Bilder zeigen ausnahmslos Athletinnen und Athleten, die in relativ jungen Jahren in Folge exzessiven Doping-Missbrauchs gestorben sind. Zu ihnen zählen zum Beispiel der Radrennfahrer Tom Simpson, die Leichtathletinnen Florence  Griffith-Joyner und Birgit Dressel, der Kugelstoßer Ralf Reichenbach, der Hammerwerfer Uwe Beyer oder der Top-Bodybuilder Andreas Münzer. Zum Fall Münzer, der 1996 im Alter von 31 Jahren an multifunktionalem Organversagen gestorben war, reichte Michna ein Foto von der sezierten Leber des Österreichers nach. Sie war durchsetzt von tischtennisgroßen Tumoren. Münzer hatte in seiner aktiven Zeit viele unterschiedliche Mittel in so großen Mengen konsumiert, dass er sogar Beschaffungsprobleme bekam. Welchen „Cocktail“ an Substanzen sich Münzer täglich einverleibte, kann man noch heute in einschlägigen Internetseiten nachlesen.

 

Auch Breiten- und Freizeitsportler betroffen

Prof. Michna spricht von der „unausrottbaren Vorstellung der Bodybuilder, dass die hohe Dosis die Wirkung ausmacht“. Bei Männern fanden die Analytiker bis zu 400-fach, bei Frauen 40-fach erhöhte Testosteronwerte. Nebenwirkungen können zu Leberschäden oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Aber selbst diese realistische Gefahr, weiß Prof. Michna, schreckt vor allem männliche Jugendliche nicht immer ab. „Erst wenn wir Ihnen sagen, dass ihre Hoden bis auf Erbsengröße schrumpfen oder ihnen weibliche Brüste wachsen können, sind sie beeindruckt.“ Frauen müssen mit Bartwuchs, tieferer Stimme, Menstruationsstörungen und Klitorisvergrößerung rechnen. Besorgnis erregend ist der gigantische Markt von Nahrungsergänzungsmitteln. „Die sind häufig verunreinigt und deshalb Doping-Fallen für Athleten, weil selbst kleinste Mengen von harmlos erscheinenden, aber verbotenen Substanzen zum positiven Befund führen können“, erläutert Dr. Hans Geyer, stellvertretender Leiter am Institut für Biochemie in Köln. Geyer stellte einen Hochglanz-Katalog vor, der in einer normalen Buchhandlung erhältlich ist, „von Fachwissen zeugt und wirklich sämtliche Mittelchen auflistet“. Man kann diese Mittel problemlos per Post oder E-Mail bestellen. Und davon machen auch immer mehr Breiten- und Freizeitsportler Gebrauch. Offensichtlich ist der Preis von etwa 1.500 Euro, den eine dreimonatige „Anabolika-Kur“ kostet, kein Hindernis.

 

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