Der Volkslauf feiert 50-jähriges Jubiläum

Die Leichtathletik feiert gern neue Rekorde – manchmal auch runde Jubiläen: Jetzt ist der 50. Geburtstag der Laufbewegung in (West-) Deutschland dazugekommen.

Dieter Hallervorden alias Paul Averhoff trainiert für sein letztes Rennen. Foto: picture-alliance
Dieter Hallervorden alias Paul Averhoff trainiert für sein letztes Rennen. Foto: picture-alliance

Am 13. Oktober 1963 fand in Bobingen bei Augsburg der „1. Internationale Volkslauf mit Marschprüfung“ statt – so stand es zumindest auf der Titelseite der offiziellen Ausschreibung zu dieser Veranstaltung, die gemeinhin als Geburtsstunde der modernen Laufbewegung in unserem Lande gilt.

Insgesamt 1.654 „Geburtshelfer“ waren damals als aktive Volksläufer und Volksmarschierer dabei. Fortan verbreiteten die Bobinger Pioniere die Volkslaufidee von Bayern aus in alle Regionen der Republik. Anderswo wie z.B. im Radsport, Schwimmen und Triathlon wurden Jahre später solche Jedermann- und Jedefrau-Wettbewerbe nachgeahmt.

Es war damals in den 1960er Jahren ein absolutes Novum, dass Menschen ohne Vereinszugehörigkeit und ohne Wettkampfpass sich lediglich „für kleines Geld“ vor Ort bis kurz vor dem Start eine Teilnahmeberechtigung an einen Volkslauf „erkaufen“ konnten, um dann so schnell wie möglich eine vorgegeben Strecke (meist 10 km) zusammen mit vielen anderen Menschen „freiwillig laufend“ zurückzulegen. In den Anfängen gab es noch sogenannte Sollzeiten, die erreicht wurden mussten, um anschließend die Auszeichnung in Form einer Medaille zu erhalten oder in die Ergebnisliste namentlich aufgenommen zu werden. Vieles in der Laufbewegung hat sich seitdem geändert.

Heute kann man dank eines eingebundenen Chips am Schnürband des Laufschuhs das Ergebnis sofort nach Zieleinlauf weltweit im Internet abrufen, manche Veranstalter bieten sogar neuerdings eine „App“ an, auf der der aktuelle Rennverlauf eines Teilnehmers auf der Strecke abgebildet wird und so von Fans virtuell verfolgt werden kann.

Manche mögen diese Entwicklungen als überflüssigen „Schnickschnack“ bezeichnen. Als Ausdruck einer fortschreitender Technologisierung und Professionalisierung der Laufbewegung zeugen diese und etliche andere Innovationen (z.B. Pulsuhr mit Herzfrequenzmessung) allemal, sieht man einmal über die Tatsache hinweg, dass bei einem Volkslauf die Startnummer früher wie heute in aller Regel immer noch mit vier Sicherheitsnadeln vorn auf dem Obertextil zu befestigen ist.

Geblieben ist allerdings auch die Ursprungsidee der Volksläufe, die heute immer häufiger begrifflich als Laufevents daherkommen: nämlich ein niedrigschwelliges Wettkampfangebot für alle Interessierten zu schaffen, wo sogar Spitze und Breite friedlich vereint unterwegs sind, wie neulich beim 40. Berlin-Marathon, wo 36.601 Finisher beim neuen Weltrekord (2:03:23 Std.) des Kenianers Wilson Kipsang mit dabei waren – welche Sportart, welches Wettkampfform hat vergleichbar Sensationelles zu bieten?

Der Laufsport bildet so gesehen bis heute einen („den“) Kern jener missionarischen Sportbewegung, die seinerzeit der Deutsche Sportbund mit zahlreichen Aktionen und Kampagnen mit der Formel „Sport für alle“ und „Ein Schlauer trimmt die Ausdauer“ angeschoben hatte.

Der Geburtsstunde der modernen Laufbewegung in Deutschland wurde bereits Ende September mit einer Festveranstaltung in der Singoldhalle in Bobingen gedacht. In Bobingen fanden parallel dazu auch die Deutschen Meisterschaften über 10 km auf der Straße statt. Für den richtigen Geburtstag am Sonntag, dem 13. Oktober 2013 hatte der Deutsche Leichtathletik-Verband die Deutschen Meisterschaften im Marathon mit über 500 Teilnehmern unter den insgesamt knapp
20.000 Läuferinnen und Läufern nach München vergeben.

Der 13. Oktober ist noch in anderer Hinsicht ein wichtiges laufhistorisches Datum: Es war im Jahre 1974 die Geburtsstunde des Berlin-Marathons, heute eine der bedeutendsten Marathonveranstaltungen der Welt, die damals als „1. Berliner Volksmarathon“ im Grunewald ausgetragen wurde und aus dem sogenannten Cross-Country-Lauf in Berlin hervorging, den es dort schon seit 1964 gab und von einer Gruppe von Studenten an der FU Berlin (u.a. mit Horst Milde, dem späteren Renndirektor des Berlin-Marathons) organisiert wurde und der am 26. Oktober 2013 in die 50. Auflage geht.

In seinem Festvortrag in Bobingen gab der Katholische Theologe und Religionspädagoge Prof. Michael Böhnke von der Universität Wuppertal, der selbst seit mehreren Jahrzehnten aktiver Läufer mit Wettkampfteilnahme ist, einen facettenreichen Rückblick auf „50 Jahre Volkslauf“, in dem er auch die hohen Leistungen der Bobinger Gründungsväter Walter Gelke, Werner Heimbach, Otto Hosse sowie den noch lebenden Herwig Leitner würdigte.

Leitner war damals für die Zeitmessung im sogenannten Sechskanalsystem zuständig. Seine Stempeluhr hat mittlerweile im Marathon-Museum im Sportmuseum Berlin eine neue Heimat gefunden hat. In seinem Vortrag ging Böhnke auch auf die Rolle der Sportvereine als Anbieter von Laufveranstaltungen ein: „Öffentliche Aufmerksamkeit und positives Image, das ist ein nicht zu unterschätzender Effekt für einen Volkslauf organisierenden Verein. Denn der Volkslauf ist Teil des öffentlichen Lebens. Er ist aus der Gesellschaft kaum mehr weg zu denken“. Ein anderes Fazit des Festredners ist zugleich eine herzliche Gratulation: „Der DLV und seine Landesverbände können sich glücklich schätzen, der Wettkampfform Volkslauf eine Plattform und Heimat gegeben zu haben und zu geben.“

Heute nehmen über zwei Millionen Läuferinnen und Läufer Jahr für Jahr an den mittlerweile mehr als 3.700 Straßen- und Volksläufen in Deutschland teil, die zusammengefasst sind im Volkslaufkalender des DLV bzw. seiner Landesverbände. Es bleibt dabei – hoffentlich auch in den nächsten 50 Jahren: Laufen kann man zusammen mit vielen anderen, aber auch für sich allein – eine laufende Erfolgsgeschichte ist die moderne Laufbewegung allemal, auch wenn dieser Tage Dieter Hallervorden als Paul Averhoff zu seinem letzten Marathon-Rennen in den Kinos startet.

(Quelle: Prof. Detlef Kuhlmann)


  • Dieter Hallervorden alias Paul Averhoff trainiert für sein letztes Rennen. Foto: picture-alliance
    Dieter Hallervorden alias Paul Averhoff trainiert für sein letztes Rennen. Foto: picture-alliance