Deutsche Sportjugend – vom Rentenalter weit entfernt

Am 26. Juni 2010 feiert die Deutsche Sportjugend (dsj) ihren 60. Geburtstag mit einem Festakt im Alten Stadthaus in Berlin.

Ingo Weiss im Interview zu 60 Jahre Deutsche Sportjugend. Foto: DOSB
Ingo Weiss im Interview zu 60 Jahre Deutsche Sportjugend. Foto: DOSB

Anlässlich dieses Jubiläums sprach die DOSB PRESSE mit dem dsj-Vorsitzenden Ingo Weiss.

DOSB PRESSE: Herr Weiss, die Deutsche Sportjugend wird 60 Jahre alt. Ist sie trotzdem jung geblieben?

INGO WEISS: Das kann man so sagen. 9,5 Millionen Mitgliedschaften von jungen Menschen unter 27 Jahren sprechen für sich. Dies ist, wie ich finde, eine beeindruckende Zahl, die zeigt, dass der Sport weiter attraktive Angebote auch für junge Generationen macht und die Sportjugend trotz ihrer 60 Jahre vom Rentenalter noch weit entfernt ist. Dafür arbeiten wir eng mit unseren Mitgliedsorganisationen zusammen. Wir haben vier Profile definiert, in denen wir uns besonders stark engagieren. Sie tragen die Überschriften „Sportlich kompetent“, „Sozial engagiert“, „International aktiv“ und „Erfahrungsraum für Engagierte“. Diese Profile können wir vor allem durch die Förderung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aus Mitteln des Kinder- und Jugendplans des Bundes mit Leben füllen.

DOSB PRESSE: Wie versuchen Sie als Sportjugend, Kinder und Jugendliche dazu motivieren, in Sportvereinen aktiv zu werden?

WEISS: Es muss uns gelingen, den Spaß an der Bewegung zu vermitteln. Sport wird zudem durch Vorbilder attraktiv. Eltern können durch ihr Handeln Kinder zum Sporttreiben motivieren. Wenn Olympische Spiele stattfinden und die Welt zuschaut, ist das ebenfalls beste Werbung für den Sport. Stars wie zuletzt in Vancouver Magdalena Neuner oder Maria Riesch motivieren Jugendliche, ihnen nachzueifern. Über diesen Weg finden viele junge Menschen in die Vereine. Natürlich gewinnt nicht jeder am Ende Olympiagold, und unsere Vereine brauchen genauso Nachwuchs-Übungsleiter und Übungsleiterinnen und Nachwuchs-Vorstandsmitglieder. Auf diesem Feld engagieren wir uns als dsj stark. Wir wirken bei der Entwicklung zeitgemäßer und  passender Engagements für Jugendliche in Vereinen und Verbänden mit. Die Aktivitäten des Juniorteams zum Beispiel bringen interessierte junge Menschen zwischen 16 und 26 Jahren zusammen, die sich, ohne in ein Amt gewählt worden zu sein, zeitlich begrenzt in einem Projekt engagieren möchten. Dabei wird deutlich: Ehrenamt kann mindestens genauso viel Spaß machen wie das Sporttreiben selbst.

DOSB PRESSE: Wo gibt es Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Nachwuchsförderung?

WEISS: Unsere Erfahrung zeigt, dass sich viele Jugendliche im Sport engagieren möchten. Dies spiegelt sich zum Beispiel in den hohen Abnahmezahlen der Jugendleiter-Card oder der starken Nachfrage für das Freiwillige Soziale Jahr im Sport wieder. Häufig kommen die Jugendlichen jedoch an ihre Grenzen, da Schule und Studium ihnen sehr viel Zeit abverlangen. Hier steht der Sport vor großen Herausforderungen. Aber auch die Ganztagsschule ist eine Entwicklung, auf die sich die Vereine gerade einstellen müssen. Früher sind die Kinder- und Jugendlichen nach der Schule zum Sport gegangen. Heute sind sie bis zum späten Nachmittag in der Schule. Also muss der Sport, müssen die Vereine, zu ihnen in die Schulen kommen. Der Deutsche Olympische Sportbund und die Deutsche Sportjugend sehen hier aber auch Chancen für den Sport, die es zu nutzen gilt.

DOSB-Presse: Seit 2002 sind Sie der Vorsitzende der dsj. Was waren für Sie die entscheidenden Entwicklungen innerhalb Ihrer bisherigen Amtszeit?

WEISS: Ich denke es ist wichtig, immer am Puls der Zeit zu fühlen, oder in der Sportsprache ausgedrückt: am Ball zu bleiben. Über allem steht das Ziel, den Sport attraktiv für die nachfolgenden Generationen zu halten und die Rahmenbedingungen zu schaffen. Ich möchte ungern ein Projekt hervorheben, kann aber den Aufbau und Ausbau der des deutsch-chinesischen Austauschs nennen. Im Jahr 2008 haben wir vor den Olympischen Spielen in Peking eine Delegation von 100 jungen Leuten nach China entsandt. Neben den gut funktionierenden Kontakten zu Frankreich, Polen, Japan und vielen weiteren Ländern wird seit kurzem insbesondere auch der deutsch-russische Jugendaustausch gefördert. Es ist uns zudem gelungen, ein Freiwilliges Soziales Jahr im Sport zu schaffen, das wie bereits erwähnt stark nachgefragt ist und für das wir zuletzt die zukünftige Finanzierung sichern konnten. Dies war ein Kraftakt. Oder nehmen Sie die Doping-Prävention. Hier haben wir mit dem Heidelberger Zentrum für Dopingprävention Aufklärungsmaterialien für den Nachwuchs entwickelt, die zudem in der Aus- und Fortbildung von Trainerinnen und Trainern in den Sportverbänden zum Einsatz kommen. Gegen Rechtsextremismus setzt sich die Deutsche Sportjugend mit Unterstützung der Arbeitsgruppe „Sport! Jugend! Agiert!“ gezielt ein und berät darin, wie rechtsextreme Tendenzen erkannt und wie ihnen im Verein gezielt begegnet werden kann. Beim dsj-Jugendevent 2007 in Weimar konnten wir unsere Arbeit in ihrer Breite nicht nur dem Schirmherrn, Bundespräsident Dr. Horst Köhler, anschaulich darstellen und gemeinsam erleben.

DOSB PRESSE: In dieser Woche wird der Deutsche Schulsportpreis des DOSB und der dsj vergeben. Wer wird diesmal ausgezeichnet?

WEISS: In diesem Jahr zeichnen wir Kooperationen zwischen Schule und Verein aus. Durch die Entwicklungen zur Ganztagsschule sind wir gezwungen, neue Wege zu gehen. Ich sehe darin aber auch eine große Chance, für die Kooperation Schule und Verein. Für den organisierten Sport gilt es, die Chancen der Ganztagsförderung zu nutzen. Best-Practice-Beispiele dazu gibt es genug, wir spüren sie unter anderem durch die Auszeichnung mit dem Deutschen Schulsportpreis auf. In dieser Woche werden drei Schulen mit den kooperierenden Vereinen in Berlin ausgezeichnet. Alle drei Preisträger sind Grundschulen mit ihren entsprechenden Kooperationspartnern aus Wiesbaden, Essen und Berlin.

DOSB PRESSE: Was steckt hinter dem dsj-Zukunftspreis?

WEISS: Mit dem dsj-Zukunftspreis zeichnen wir frühe Förderung aus nach unserem Motto: In die Zukunft der Jugend investieren - durch Sport. Das können je nach Ausschreibung Institutionen und Menschen sein, die sich dafür einsetzen, dass die Kinderwelt eine Bewegungswelt bleibt, dass Kinder von den vielen Möglichkeiten, die Bewegung bietet, profitieren und über Bewegung schon früh wichtige Erfahrungen machen können.

DOSB PRESSE: Wo sehen Sie die wichtigsten Aufgaben für die Zukunft?

WEISS: Das Jahr 2010 haben wir unter das Jahresthema Soziale Integration gestellt und damit die bestehenden Initiativen gebündelt und ein deutliches Signal gegeben, wo es hingehen soll. Unsere Erfahrung zeigt, dass sich viele Jugendliche im Sport engagieren möchten. Das Europäische Jahr der Freiwilligentätigkeit 2011 bietet auch für die Deutsche Sportjugend die Möglichkeit, weiter in jugendgerechte Engagementformen zu investieren, wie wir es bereits mit dem dsj-Juniorteam tun. Ich bin auch gespannt, wie sich die Youth Olympic Games entwickeln, zu denen wir begleitend ein Workcamp anbieten, und ich freue mich ganz besonders auf das dsj-Jugendevent 2011 in Burghausen.


  • Ingo Weiss im Interview zu 60 Jahre Deutsche Sportjugend. Foto: DOSB
    Ingo Weiss im Interview zu 60 Jahre Deutsche Sportjugend. Foto: DOSB