Deutscher Behindertensportverband wird 60

Der Deutsche Behindertensportverband (Bildmitte: Präsident Julius Beucher) feiert heute (9.9.) in Berlin seinen 60. Geburtstag und blickt auf bewegte und bewegende Jahre zurück.

Präsentation der Olympiabekleidung für die Paralympics in Vancouver 2010 in der Eventarena im Olympiapark in München (v.li. hinten): Dr. Karl Quade, Andrea Rothfuss, Friedhelm Julius Beucher und Gerd Schönfelder; (vorne v.li.) Anna Schaffelhuber und Martin Braxenthaler. Foto: picture-alliance
Präsentation der Olympiabekleidung für die Paralympics in Vancouver 2010 in der Eventarena im Olympiapark in München (v.li. hinten): Dr. Karl Quade, Andrea Rothfuss, Friedhelm Julius Beucher und Gerd Schönfelder; (vorne v.li.) Anna Schaffelhuber und Martin Braxenthaler. Foto: picture-alliance

Die lange Liste der Gratulanten führen Bundespräsident Christian Wulff und DOSB-Chef Thomas Bach an, doch die Prominenz wird nicht nur mit heiler Welt konfrontiert. Mitleid wollen die Behindertensportler nicht, sie blicken kritisch zurück auf den Weg vom Kriegsversehrten- zum Breiten- und Leistungssport und sehen ihren Weg bis hin zur Gleichstellung in der Gesellschaft noch lange nicht als beendet an.

Man habe gute Gründe, "stolz auf unsere Geschichte und auf das Erreichte zu sein", sagte Friedhelm Julius Beucher, seit 2009 der erst neunte Präsident der Verbandsgeschichte. Man werde aber die "Anstrengungen verstärken müssen, um unseren Anspruch auf Gleichbehandlung überall durchzusetzen". Nach wie vor bedenklich seien "die Zustände in vielen öffentlichen Turnhallen und Sportstätten, denen immer noch barrierefreie Zugänge fehlen. Kommunen, Länder und Bund müssen schleunigst mehr tun, um Menschen mit Handicaps nicht auszusperren und auszuschließen."

Der DBS war im Laufe seiner bewegten Geschichte stets eine Stätte der Integration. Mit rund 6000 Vereinen und 600.000 Mitgliedern ist er der größte Behindertensportverband der Welt, in den vergangenen zehn Jahren hat sich die Mitgliedszahl nahezu verdoppelt. Der DBS beschäftigt 25.000 Fachübungsleiter, ist gleichzeitig Nationales Paralympisches Komitee (NPC) und beinhaltet die Deutsche Behinderten-Sportjugend (DBSJ), auch "Jugend trainiert für Paralympics" gehört zum Programm.

Behinderte und Rollstuhlfahrer sind einbezogen, es gibt einen Behinderten Golf-Club oder auch einen Deutsch-Türkischen Verein zur Förderung des Behindertensports. In Zeiten des Leistungssports, in denen Athleten wie Stelzensprinter Oscar Pistorius an Weltmeisterschaften der "Fußgänger" teilnehmen und somit zu gut verdienenden Stars werden können, steht auch der Kampf gegen Doping ganz oben auf der Prioritätenliste.

Ein ganz schön komplexes Feld für einen Verband, der zunächst nur aus einem Antrieb gegründet worden war: Den Kriegsversehrten eine Aufgabe zu stellen und ihnen den Weg zurück in ein relativ normales Leben zu ermöglichen. Doch selbst der Weg hin zum "Ausgleichssport" hatte einen makabren Beigeschmack. Beuchers Vorgänger als Präsident, der ehemalige Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Karl Hermann Haack, hatte per Präsidiumsbeschluss eine Studie zur Entwicklung in Auftrag gegeben, die der Sporthistoriker Bernd Wedemeyer-Kolwe vergangene Woche vorstellte.

Sein beeindruckendes 300 Seiten starkes Buch ist teilweise schwere Kost. Das Reichsversehrtensportabzeichen 1942 sei beispielsweise eingeführt worden, damit die Verwundeten für den Arbeits- und Kriegseinsatz schnell wiederhergestellt wurden. "Mit der Einführung dieses Abzeichens forderte die Heeresleitung, die für die Verletzungen der Soldaten ja verantwortlich war, noch den Verwundeten zusätzliche Leistungen für den 'Endsieg' ab", heißt es bei Wedemeyer-Kolwe.

Das Abzeichen solle für den Versehrten aber nicht leichter zu erwerben sein, denn, so hieß es 1944 im Anforderungsprofil: "Da für ihn Bezeichnungen wie Krüppel und Invalide (...) schwere Beleidigungen" seien, wolle er "nicht zu den Leuten gehören, die die Hand aufmachen". Die manipulierende Wirkung dieser Worte sei vor allem nach 1945 bitter aufgestoßen, als die Kriegsversehrten "vom Podest des Ehrenbürgers der Nation vielfach in die Sphäre eines bemitleidenswerten Krüppels" hinabgestoßen worden seien.

Im August 1950 finden mit Unterstützung von Bundespräsident Theodor Heuss die 1. Deutschen Versehrtensportmeisterschaften im Schwimmen und der Leichtathletik statt - der Start in eine bessere Zeit. Am 4. Juli 1951 wird der Deutsche Versehrtensportverband gegründet, die Namensänderung hin zum DBS gilt 1975 schließlich endgültig als historisches Datum der Öffnung.

Und so feiern am Freitag (9.9.2011) Blinde und Gehörlose, Querschnittsgelähmte und geistig Behinderte ein rauschendes Fest mit dem Bundespräsidenten - auf dem besten Weg in die Mitte der Gesellschaft.

(Quelle: SID)

Berliner Erklärung zum 60-jährigen Jubiläum des DBS

Der DBS hat zum Abschluss seines Nationalen Symposiums „Behindertensport als kulturelles Phänomen“ am 9. September 2011 eine programmatische Positionsbestimmung verabschiedet. Sie wird als <media 30923 _blank download "TEXT, Behindertensportverband 60 Jahre Berliner Erklaerungx, Behindertensportverband_60_Jahre_Berliner_Erklaerungx.pdf, 330 KB">„Berliner Erklärung 2011“</media> den bestehenden Grundsatzpapieren hinzugefügt und ist Richtschnur für die Arbeit des DBS im nächsten Jahrzehnt.

 


  • Präsentation der Olympiabekleidung für die Paralympics in Vancouver 2010 in der Eventarena im Olympiapark in München (v.li. hinten): Dr. Karl Quade, Andrea Rothfuss, Friedhelm Julius Beucher und Gerd Schönfelder; (vorne v.li.) Anna Schaffelhuber und Martin Braxenthaler. Foto: picture-alliance
    Präsentation der Olympiabekleidung für die Paralympics in Vancouver 2010 in der Eventarena im Olympiapark in München (v.li. hinten): Dr. Karl Quade, Andrea Rothfuss, Friedhelm Julius Beucher und Gerd Schönfelder; (vorne v.li.) Anna Schaffelhuber und Martin Braxenthaler. Foto: picture-alliance