Die Reiter in der Hall of Fame des deutschen Sports (6)

Gleich vier große Namen (von 44) in der Hall of Fame des deutschen Sports belegen, welch hohen Stellenwert die Spring- und Dressurreiter im Sport der Bundesrepublik über vier Jahrzehnte hinweg eingenommen haben.

Die Hall of Fame des deutschen Sports.
Die Hall of Fame des deutschen Sports.

Ohne Konkurrenz aus der DDR ritten sie gegen den Rest der Welt und oft auch gegen die Mitbewerber aus der eigenen Mannschaft. Als die Sporthilfe im Jahr 2000 erstmals die Goldene Sportpyramide für ein sportliches Lebenswerk verlieh, war es deshalb auch keine Überraschung, dass die Wahl auf Hans Günter Winkler fiel. Er blieb bisher der einzige Reiter als Träger dieser Sporthilfe-Auszeichnung, die seither zehnmal vergeben worden ist.

Hans Günter Winkler ist weltweit der erfolgreichste Springreiter aller Zeiten bei Olympischen Spielen. Bis zu seinem Abschied 1986 sammelte er zwischen 1956 und 1976 fünf olympische Goldmedaillen sowie je eine Silber- und Bronzemedaille. Zweimal wurde er Weltmeister, einmal Europameister. Legendenstatus erreichten Winkler und seine Halla am 17. Juni 1956. Damals fanden die Reiterspiele in Stockholm statt, da Pferde nicht in die australische Olympiastadt Melbourne eingeführt werden durften. Im ersten Durchgang der Mannschafts- und Einzelent-scheidung zog sich Winkler einen Muskelriss zu und konnte sich nur noch mühsam im Sattel halten. Halla trug ihn über die Hindernisse ins Ziel. Nach einer Behandlung, bei der zunächst ein Leistenbruch diagnostiziert wurde, saß Winkler für den zweiten Durchgang wieder im Sattel, hatte jedoch kaum die Möglichkeit, sein Pferd zu korrigieren. Unter großen Schmerzen gewann er dennoch mit einem Null-Fehler-Ritt Gold für die Mannschaft sowie im Einzel, und Halla wurde zur „Wunderstute“.

Winklers Kollegen in der Hall of Fame des deutschen Sports wurden posthum in die Hall of Fame des deutschen Sports berufen: Josef Neckermann 2006 bei der Gründung als langjähriger Chef der Sporthilfe (1967-1988), Fritz Thiedemann und Dr. Reiner Klimke 2008 bei der Gründungsfeier in Berlin zusammen mit 27 anderen verstorbenen Größen des Sports.

Als Dressurreiter gewann Josef Neckermann (1912-1992) zwischen 1956 und 1981 insgesamt 333 Turniere, sechs olympische Medaillen, darunter zweimal Gold mit der deutschen Mannschaft 1964 und 1968, und die WM-Titel 1966 im Einzel und mit der Mannschaft. Erstmals nahm er 1960 in Rom an Olympischen Spielen teil und ritt auf Anhieb zu Bronze im Einzelwettbewerb. Zum Lebenswerk von Josef Neckermann zählte neben seinem sportlichen Erfolg vor allem die Stiftung Deutsche Sporthilfe. Er hatte deren Vorsitz von der Gründung 1967 bis Ende 1988 inne. Der „Bettler der Nation“ war ein fleißiger Spendensammler für den Sport: In seiner Zeit als Vorsitzender wurden von der Sporthilfe rund 18.000 Athleten mit 230 Millionen D-Mark gefördert.

In den 50er Jahren war Fritz Thiedemann (1918-2000) gemeinsam mit Hans Günter Winkler der herausragende deutsche Springreiter. Dem Mannschafts-Olympiasieger von 1956 und 1960 gelang es bei den Olympischen Spielen 1952 als bisher einzigem Reiter der Welt, sowohl im Springen (Einzel) als auch in der Dressur (Mannschaft) eine Medaille, jeweils Bronze, zu gewinnen. Sein Name ist eng verbunden mit dem seinerzeit weltweit erfolgreichsten Springpferd Meteor, auf dem Thiedemann die meisten Titel errang. Schon zu Lebzeiten wurde Meteor vor dem Landwirtschaftsministerium in Kiel ein Denkmal gesetzt, in Deutschland ist der Name Meteor für Wettbewerbs-Pferde gesperrt. Die Karriere Thiedemanns begann 1947 mit zwölf Siegen. 1950 gewann er erstmals das Deutsche Springderby von Hamburg. 1951, 1954, 1958 und 1959 stockte er seine Bilanz in dieser schweren Prüfung auf fünf Siege auf. Mit seinen Erfolgen trug Thiedemann nach dem 2. Weltkrieg dazu bei, dass Deutschland über den Sport wieder zu Ansehen kam. Vor 40.000 Zuschauern gewann er 1954 als erster Deutscher in London den King-George-Cup.

Mit sechs Gold- und zwei Bronzemedaillen bei sechs Olympischen Spielen zwischen 1960 und 1988 war Dr. Reiner Klimke (1936-1999) einstmals der erfolgreichste deutsche Olympia-Teilnehmer (inzwischen die Kanutin Birgit Fischer) und der an Siegen reichste Dressurreiter der Welt. Höhepunkt seiner Laufbahn waren die Olympischen Spiele 1984 in Los Angeles mit Gold im Einzel sowie mit der Mannschaft, jeweils auf seinem erfolgreichsten Pferd Ahlerich. Zu den olympischen Erfolgen kamen sechs Welt- und elf Europameistertitel. 1959 startete Klimke als erster deutscher Dressurreiter nach dem 2. Weltkrieg wieder im Ausland und gewann in Thun/Schweiz eine Dressurprüfung. Danach folgte eine einmalige Laufbahn. 1988 wurde der Jurist in Seoul noch einmal Mannschafts-Olympiasieger und trug bei der Eröffnungsfeier die Fahne der bundesdeutschen Mannschaft. Ebenso waren Klimke Ehrenämter in Sport und Politik wichtig. Er gründete den Reitverein St. Georg, war Stadtrat in Münster und saß von 1991 bis 1995 im nordrhein-westfälischen Landtag, wo er mithalf, den Sport als Staatsziel in der Landesverfassung zu verankern. Klimke war Mitglied im Präsidium der Deutschen Reiterlichen Vereinigung und der Deutschen Olympischen Gesellschaft. Er initiierte den Nürnberger Burgpokal, setzte sich für die systematische Jugend-Förderung und nach der Wende 1990 für junge Dressurreiter der neuen Bundesländer ein.

Alle vier Reiter haben durch ihre Erfolge im Wettkampf und durch ihren Einsatz für die Ideen des Sports Geschichte geschrieben und sich damit in herausragender Form für die Hall of Fame des deutschen Sports qualifiziert. Wenn im Herbst noch einmal 20 noch lebende Sportgrößen aus der Nachkriegsepoche von 1945 bis einschließlich der Olympischen Spiele von Sapporo und München 1972 in die Hall of Fame des deutschen Sports aufgenommen werden, dann kommen die aus anderen Sportarten. Athletinnen und Athleten vor allem aus der Leichtathletik und dem Wintersport, die in den Anfangsjahren des deutschen Sports nach dem 2. Weltkrieg in Ost und West Denkwürdiges leisteten.


  • Die Hall of Fame des deutschen Sports.
    Die Hall of Fame des deutschen Sports.