Die Sportfunktionäre in der Hall of Fame des deutschen Sports (8 und Schluss)

Sie waren aus unterschiedlichem Holz geschnitzt. Doch eines verbindet Berthold Beitz, Willi Daume, Georg von Opel, Josef Neckermann und Willi Weyer.

 

Die Hall of Fame des deutschen Sports.
Die Hall of Fame des deutschen Sports.

Sie haben unendlich viel für den deutschen Sport getan und haben jetzt eine Auszeichnung gemeinsam: Sie wurden in die Hall of Fame des deutschen Sports berufen.

Berthold Beitz, dem diese Ehre im Frühjahr 2008 in Berlin zuteil wurde, ist der einzige noch lebende dieser fünf Männer. (Die anderen vier waren schon vorher posthum in die Hall of Fame aufgenommen worden.) Der demnächst 96-jährige Industrielle, der lange Jahre als Generalbevollmächtigter das Imperium Krupp entscheidend prägte, lässt sich nicht unter dem Begriff Sportfunktionär einordnen. Auch das Wort Quereinsteiger greift zu kurz. Vielmehr warb der Sport darum, ihn als eine der herausragenden Persönlichkeiten der alten Bundesrepublik für sich zu gewinnen. Daume überredete den begeisterten Segler im Vorfeld der Olympischen Spiele von München 1972 dazu, seinen Rat als Vorsitzender des Olympia-Segelausschusses für die Wettbewerbe von Kiel-Schilksee, aber auch darüber hinaus, einzubringen. Nicht zuletzt war Beitz in Zeiten des „Kalten Krieges“ als Mittler zwischen dem Westen und dem „sozialistischen Lager“ wertvoll. Gerade im Ostblock genoss der in Zemmin gebürtige Vorpommer den Ruf moralischer Integrität. Ohne je viel Aufhebens davon zu machen, hatte er im „Dritten Reich“ zahlreiche Juden und Polen vor dem Konzentrationslager gerettet. In Israel wurde Beitz 1973 mit dem Titel „Gerechter der Völker“ geehrt. Die Universität Greifswald, das der heutige Essener als seine Heimatstadt ansieht, verlieh ihm auf Betreiben des DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker die Ehrendoktorwürde.

Nach zwölf Jahren im IOC wurde der elegant auftretende Industrielle 1984 zum Vizepräsidenten gewählt und ein wichtiger Ratgeber von IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch. Seine die Umgebung entspannende humorvolle Leichtigkeit im Umgang mit Menschen verbindet sich mit seinem Perfektionsdrang und seiner wirtschaftlichen Kompetenz, die Berthold Beitz auch als Vorsitzender der IOC-Finanzkommission einbrachte. Ohne sein Engagement wäre zum Beispiel das „Olympische Museum“ in Lausanne nicht zustande gekommen. Das IOC- und NOK-Ehrenmitglied tut noch heute als Kuratoriums-Vorsitzender der „Alfried-Krupp-von-Bohlen-und Halbach-Stiftung“ eine Menge für den Sport.

Willi Daume (1913 - 1996) war der vielseitigste der fünf Leitfiguren. Der junge „Däumling“ wurde bei der Gründung des Deutschen Sportbundes (DSB) 1950 in Hannover mit 37 Jahren Präsident des DSB. Zwanzig Jahre lang prägte der frühere Handball-Torwart an der Spitze dieser Massenorganisation den Sport der Bundesrepublik. Sein Wirken als IOC-Mitglied (von 1956 bis 1991) und zeitweise als IOC-Vizepräsident sowie als Präsident des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland (von 1961 bis 1992) machten ihn international zu einem der einflussreichsten Gestalter. Gemeinsam mit IOC-Präsident Avery Brundage schuf er mitten im „Kalten Krieg“ das Konstrukt der gesamtdeutschen Olympiamannschaften (von 1956 bis 1964).

Seine Idee war es auch, die Olympischen Spiele 1972 nach München zu holen. „Eisen-Daume“, der Inhaber einer Gießerei, lebte hier seine kulturellen Vorlieben aus. Gemeinsam mit dem Designer Otl Aicher verlieh er den „heiteren Spielen“ ihren Ausdruck in zartem Hellblau und Grün. Den Architekten Günter Behnisch inspirierte das Mitglied der Basketball-Mannschaft von Berlin 1936 zu dem feinen Gespinst der Zeltdachlandschaft über dem Olympiastadion und den angrenzenden Hallen. Der Mann, der nach den Sternen griff und doch die zähe Detailarbeit nicht scheute, wurde durch das Attentat von München um seinen Lohn gebracht.

Auf andere Art schmerzte ihn der Olympia-Boykott von Moskau 1980, gegen den er vergeblich gekämpft hatte. Damit sah er sich auch seiner Chancen bei der Wahl zum IOC-Präsidenten beraubt. Ein Jahr danach brachte Daume das Kunststück fertig, mit dem glanzvollen Olympischen Kongress von Baden-Baden die zerrissene Sportwelt wieder zu vereinen. Als Vorsitzender der Zulassungskommission des IOC öffnete er die Tür Olympias für Profis und den Kommerz. Dabei litt er unter dem Dilemma, einerseits die doppelbödige Amateur-Heuchelei beenden zu wollen und andererseits fatale Folgen dieses Dammbruchs befürchten zu müssen.

Der hoch dekorierte Sportführer (z.B. Ehrenprofessor, Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern und Schulterband sowie des Olympischen Ordens in Gold) war sich nie zu schade zuzupacken, wenn nötig: Ob als Nothelfer an der Spitze der Stiftung Deutsche Sporthilfe (1988 bis 1991), die er 1967 ins Leben gerufen hatte, oder der Deutschen Olympischen Gesellschaft (1979 bis 1988).

Daume war es auch, der 1967 in einer nächtlichen Sitzung beim Wiesbadener Reitturnier Josef Neckermann (1912 - 1992) überredete, den Vorsitz der Sporthilfe zu übernehmen. Der Versandhändler, der mit seinen unkonventionellen Methoden zu einer der Symbolfiguren des bundesdeutschen Wirtschaftswunders aufgestiegen war, warf sich mit der ihm eigenen Besessenheit auf die neue Aufgabe. Der Slogan „Neckermann macht’s möglich“ galt nun auch für den Spitzensport. Ihn kannte der Sohn eines betuchten Würzburger Kohlen-Großhändlers und Reeders aus eigenem Erleben. Bei seinem Olympiadebüt gewann der 48-Jährige 1960 in Rom als ältestes Mitglied der gesamtdeutschen Mannschaft mit Asbach die Bronzemedaille in der Dressur. Zwei Goldmedaillen mit der Mannschaft (1964 und 1968) sollten folgen. 1966 wurde er Einzel- und Team-Weltmeister. Zwei Silbermedaillen und eine weitere Bronzemedaille sowie vier EM-Titel mit der Mannschaft rundeten seine glanzvolle Sportkarriere ab.

Neckermann tat alles, um mit der Sporthilfe die Chancenungleichheit der bundesdeutschen Athleten gegenüber den „Staatsamateuren“ des Ostblocks und gegenüber den professionellen College-Sportlern der USA abzudämpfen. Anfangs ging es erst einmal darum, das berühmte Sporthilfe-Steak auf den Teller zu bekommen. Bald erleichterten überschaubare monatliche Zuwendungen und soziale Hilfestellungen den Sportlern das Leben, ehe im Zeitalter des Kommerzes sogar Prämienzahlungen nach Erfolgen gestaffelt folgten.

Der renommierte Wirtschaftsmann, der unter anderem mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband ausgezeichnet und zum Ehrendoktor med. vet. der Universität Gießen ernannt wurde, war sich nicht zu schade, als Sporthilfechef selbst die Klinken zu putzen. Das trug ihm den Spitznamen „Bettler der Nation“ ein. In den 21 Jahren seiner Amtszeit förderte die Sporthilfe 18.000 Athleten mit 230 Millionen D-Mark. Der Löwenanteil stammte aus den Erlösen der Lotterie „Glücksspirale“ und der „Sportbriefmarke“. 90 Millionen D-Mark holte Neckermann durch persönliche Ansprache bei den Potentaten der Wirtschaft und durch spektakuläre Aktionen wie das Frankfurter Karajan-Konzert der Berliner Philharmoniker (1969) und den „Ball des Sports“ herein. Dieser ist nach wie vor eines der glanzvollsten gesellschaftlichen Ereignisse in Deutschland und die bedeutendste Benefizveranstaltung Europas. Wenn er in sportpolitischen Auseinandersetzungen Gefahren für die Sporthilfe witterte, legte er nicht selten harte Bandagen an. Nach dem Niedergang seines Unternehmens (1977) widmete sich „Vater Neckermann“, wie ihn die Sportler liebevoll nannten, ausschließlich dem Sozialwerk des Sports. Mit seinem Eintreten für den Boykott der Olympischen Spiele von Moskau 1980 enttäuschte er freilich die Athleten. Später bezeichnete Josef Neckermann seine damalige Haltung als einen unverzeihlichen Fehler.

Ähnlich erging es Willi Weyer (1917 - 1987). Der DSB-Präsident, der zuerst für einen Start einer bundesdeutschen Olympiamannschaft in der Sowjetunion eingetreten war („Der Sport darf nicht zum Knüppel der Machtpolitik werden“), gab schließlich dem Druck der Bundesregierung nach. Als der Westfale, der einst als Wasserballtorwart und Spitzenschwimmer für Hagen 94 startete, sah, dass fast alle westeuropäischen Staaten entgegen der Absprachen ihre Sportler nach Moskau schickten, bedauerte er seine Fehleinschätzung. Es spricht für die Integrationskraft des lebensvollen, stattlichen Mannes, dass er nicht nur Versuche, ihn abzuwählen locker abwehrte, sondern den durch den Olympiaboykott zutiefst zerrissenen Sport der Bundesrepublik wieder zusammen führte. Allerdings blieb das Verhältnis zu Willi Daume dauerhaft belastet.

Anders als der NOK-Präsident und Vorvorgänger war der Jurist kein Mann der großen Entwürfe. Vielmehr hat er sich in den zwölf Jahren seiner Amtszeit als Macher gesehen, der die Kunst des Möglichen pflegte. Im Kontrast zu seinem blassen Vorgänger Wilhelm Kregel verschaffte er dem Sport in Bonn wieder Gehör. Aus dem Vollblutpolitiker, der als Spitzenmann der FDP unter anderem Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen war, wurde der „politische Präsident“. Weyer löste unter Verzicht auf 3,5 bis 3,8 Millionen D-Mark den DSB aus der institutionellen Förderung des Bundes und stärkte so die Unabhängigkeit des Sports vom Staat.

Die Trimmbewegung, die mit dazu beitrug, dass der DSB unter seiner Ägide von 13 auf 19 Millionen Mitgliedschaften wuchs, stellte den größten Erfolg seines Wirkens für den Sport dar. Der „Sport für alle“ war der Traum, den er beim DSB, aber gerade auch in den dreißig Jahren an der Spitze des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen zu realisieren suchte. Temperamentvoll wandte er sich dagegen, dass Sportlärm in Gerichtsurteilen mit Industrielärm gleichgesetzt wurde: „Eine Gesellschaft, die Kinderlärm nicht erträgt, ist eine tote Gesellschaft.“ Er stritt vehement gegen die rüde Behandlung der Vereine durch die Finanzbehörden. Und wandte sich so engagiert wie letztlich vergebens gegen die so genannte „Werbung am Mann“.

International gelang ihm der Abschluss eines Protokolls über Sportbeziehungen mit der Sowjetunion. Dagegen sah er im aufs Minimale beschränkten Sportverkehr mit der DDR „eine Bilanz des Missvergnügens“. Dennoch gelang es dem gebürtigen Hagener, international zu einem Klimawandel von der Konfrontation zur Kooperation beizutragen, nicht zuletzt mit den von ihm forcierten Europäischen Sportkonferenzen. Willi Weyer, Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes und Ehrendoktor der Deutschen Sporthochschule, stärkte mit seiner sozialen Offensive die Bedeutung des Sports in der Gesellschaft wesentlich.

Georg von Opel (1912 - 1971) bezog seine Kraft für ein ungemein vielseitiges Leben vor allem aus dem Sport. Er boxte, bestritt Radrennen, lief Ski, spielte Tennis, war als Schütze aktiv und stellte fünf Auto-Geschwindigkeitsweltrekorde auf. Mit Abstand am erfolgreichsten aber war er als Ruderer. Der Spross der Autodynastie gewann im Trikot des Rüsselsheimer Ruderklubs (später Rüsselsheim-Flörsheim) 116 Rennen, errang sieben deutsche Meistertitel und schnitt auch international bei der Henley-Regatta und als kanadischer und amerikanischer Meister glänzend ab.

Als Mitglied in siebzig Vereinen sowie als Vizepräsident des Deutschen Ruderverbandes und Präsident des Deutschen Schützenbundes kannte er den organisierten Sport aus dem Effeff. Am wirkungsvollsten brachte sich von Opel als Präsident der Deutschen Olympischen Gesellschaft (DOG) ein. Mit ihr entwarf er den Goldenen Plan für den Sportstättenbau. Die DOG sammelte 630.000 D-Mark an Spenden und finanzierte damit weitgehend die Olympiateilnahme der bundesdeutschen Mannschaften 1952 an den Winterspielen von Oslo und den Sommerspielen in Helsinki. Von Opel, unterzeichnete dafür 12.000 Bettelbriefe. Bis Ende der sechziger Jahre stellte die DOG dem NOK 3,6 Millionen Mark für die Beteiligung bundesdeutscher Sportler an Olympischen Spielen zu Verfügung.

Gemeinsam mit Willi Daume gründete der hessische Unternehmer die Stiftung Deutsche Sporthilfe, die alsbald der DOG den Rang ablief. 1966 wurde Georg von Opel, Ehrendoktor der Universität Mainz und Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes, ins IOC gewählt. Hier und im Organisationskomitee der Münchner Spiele prallten der knorrige Industrielle und der visionäre Schöngeist immer wieder zusammen. 1970 beim DSB-Bundestag in Stuttgart warf von Opel Daume mit Hinweis auf eine Mängelrüge des Bundesrechnungshofs vor, er hätte 1963 bei der IOC-Session von Baden-Baden Geld verschleudert. Dem engagierten Gestalter des Sports ging es wie Beitz, Daume, Neckermann und Weyer trotz aller Konflikte in erster Linie um die Sache. Zu Recht sind diese fünf prägenden Persönlichkeiten des Sports in die Hall of Fame berufen worden.


  • Die Hall of Fame des deutschen Sports.
    Die Hall of Fame des deutschen Sports.