Die Wirkung der Wurzeln

Umfragen in der Türkei, Polen und Russland können Integration durch Sport in Deutschland erleichtern – weil sie Hinweise geben, welche Angebote Migranten aus diesen Ländern ansprechen.

Die Wirkung der Wurzeln
Quelle: Hanseat/Fotolia

Statistiken sind was Wunderbares. Zumindest, wenn man sie deuten kann und sich  erinnert, dass sie keine Beweise liefern – wohl aber Zusammenhänge erhellen (können). Das gilt auch für repräsentative Umfragen zur sportlichen Aktivität 16- bis 69-jähriger Menschen in der Türkei, Polen und Russland (siehe Grafiken 1 bis 3). Von Repucom, weltweit tätiges Unternehmen für Sportmarketingforschung und Sponsoringberatung, erhoben, liefern sie womöglich sehr wichtige Hinweise. Und zwar auch dem DOSB und seinen Mitgliedsorganisationen.

Denn aus den genannten drei Ländern stammen die größten Migrantengruppen in der Bundesrepublik, in Summe etwa 5,5 Millionen Menschen. Und eine der Schlüsselfragen, die sich zukunfts- respektive integrationsbewusste Sportvereine hierzulande stellen: Wie, mit welchen Bewegungsangeboten lassen sich Menschen mit Migrationshintergrund erreichen, diese große und in vielen Vereinen unterrepräsentierte Zielgruppe? Das Problem: Es gibt wenig gesicherte Erkenntnisse über die sportlichen Prioritäten Zugewanderter – und zumal jene der Erwachsenen (Jugendliche sind in dieser Hinsicht besser erforscht) und einzelner kultureller Gruppen.

Daten aus der Türkei, Polen oder Russland bieten dafür (bedingten) Ersatz. Denn, wie der Göttinger Sportsoziologe Michael Mutz in einer Expertise zur Partizipation Zugewanderter am organisierten Sport festhält: „Herkunftsländer und ihre (Sport-) Kultur können die grundlegenden Sichtweisen auf Sport und Bewegung prägen und damit auch den Zugang zum Vereinssport beeinflussen.“

Konkret bündeln die von Repucom für „IdS“ zusammengetragenen Ergebnisse Antworten von je etwa 1000 Menschen in den genannten Staaten auf zwei Fragen: Ob sie „regelmäßig“, also mindestens einmal wöchentlich Sport treiben. Und wenn ja, welche Art(en) von Sport.

Deutung der Daten

Statistiken brauchen Deutung, auch diese. Denn natürlich hängt die Sportaffinität Zugewanderter von vielen Variablen ab. So von der Aufenthaltsdauer in Deutschland und dem Alter. Oder, wie Friedhelm Lange, Senior Berater bei Repucom, betont, vom sozialen Umfeld (städtisch/ländlich, Bildungsgrad et cetera) und der Sportstruktur in den Herkunftsnationen: „Nicht in jedem Land ist der Sport so straff organisiert wie in Deutschland, oft dominieren dort Ligen-unabhängige Angebote oder Angebote freier Träger statt solcher von Vereinen und Verbänden.“

Und natürlich nimmt das Geschlecht großen Einfluss – zumal in Verbindung mit sozialen und religiösen Normen. Was Sportsoziologe Mutz sagt, gilt vor allem für die Zielgruppe der Migrantinnen: „Es geht nicht nur darum, welche Sportart ich anbiete, sondern auch darum, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen.“ Die Repucom-Daten besagen: Schwimmkurse für türkischstämmige Frauen kann eine gute Idee sein. Die Erfahrung aus dem Programm „Integration durch Sport“ besagt: Musliminnen erreicht man damit oft nur, wenn man auf Aspekte wie Sichtschutz und weibliche Übungsleitung achtet.


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