1000 Stunden ehrenamtliche Arbeit für bessere Trainingsbedingungen und 86 Medaillen bei Deutschen Meisterschaften – mit diesen Zahlen und ganz viel Herzblut überzeugte der Gehörlosen Sport- und Bürgerverein Halle/Saale 1909 im letzten Jahr die Jury und wurde mit dem „Grünen Band 2011 für vorbildliche Talentförderung“ ausgezeichnet. Eine schöne Anerkennung, aber für den GSBV noch lange kein Grund, sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Auch in den Wintermonaten wurde in Halle weiter unter hohem persönlichen Aufwand gewerkelt und eifrig an der Titelbilanz geschraubt. Die Gewinner bauen weiter an der sportlichen und gesellschaftlichen Zukunft des Vereins.
Gemeinsam für optimale Trainingsbedingungen
An der Saale, mitten in Halle, herrscht Betriebsamkeit. Erfolg macht hier nicht bequem. Der Tatendrang ist ungebrochen. Die Zukunft allgegenwärtig. Nicht zuletzt auch dank der Auszeichnung mit dem Grünen Band. „Die 5.000 Euro Preisgeld sind noch längst nicht aufgebraucht“, weiß Martina Peller vom Gehörlosensportverband Sachsen-Anhalt zu berichten. Im Namen des Vorstands um den ebenfalls gehörlosen Präsidenten Holger Mende bekräftigt Peller: „Beim GSBV wird weiter im Sinne einer vorbildlichen Talentförderung für eine Verbesserung der Trainingsbedingungen gearbeitet.“ Die vor etwa vier Jahren begonnene Sanierung der Trainingshalle schreitet trotz teilweise eisiger Kälte in den Wintermonaten voran. Während der zweiten Etappe des Umbaus haben insgesamt 18 ehrenamtliche Helfer bei einer Gemeinschaftsaktion von GSBV und Gesundheitssportverein (GSV) im Februar einmal mehr bewiesen, dass man mit Willen und Einsatz viel erreichen kann. Hierbei wurde in Eigenleistung und Kosten sparend die veraltete Sanitäranlage modernisiert.
Viel Eigenarbeit für die gemeinsame sportliche Heimat
Wer die Hallenser Trainingsstätte heute betritt, kann sich auf einer reich bebilderten Infowand von den Anstrengungen der letzten Jahre überzeugen. Vom ersten Deckenanstrich durch eines der Vereinsmitglieder, über Instandhaltungs- und Verschönerungsarbeiten, bis hin zu den jüngsten, besonders wichtigen Arbeiten an den Duschen und Waschräumen, ist hier verewigt, worauf man beim GSBV zu Recht stolz ist. Das Ziel der Vereinsmitglieder und Helfer wird hier besonders gut ersichtlich: Die für 25 Jahre gemietete und damit vor dem Abriss gerettete Sporthalle soll nicht nur erhalten, sondern zur sportlichen Heimat für die nächsten Generationen gehörloser Sport-Asse werden. Dabei teilen so unterschiedliche Disziplinen wie Tischtennis, Volleyball und Leichtathletik Trainingsfläche und Hallenzeiten unter sich auf. Miteinander – das ist hier nicht nur eine Floskel. Gemeinsam wird hier die Zukunft angesteuert.
Neben der Modernisierung der Trainingsstätten steht in Halle nämlich auch die Wettkampfbetreuung der Youngster im vereinspolitischen Fokus: „Im sportlichen Bereich wird das Preisgeld vorwiegend in der Förderung unseres Nachwuchses für Ausrüstung, Fahrt- und Übernachtungskosten eingesetzt“, so Peller. Ziel sei es, den Gehörlosen auch die Teilnahme an Wettbewerben mit nichtbehinderten Nachwuchssportlern zu ermöglichen. „Für die Gehörlosen ist es besonders wichtig, im Wettkampf herauszufinden, wo sie sportlich stehen – auch und gerade im Vergleich mit nichtbehinderten Kindern und Jugendlichen. Für die leistungssportliche Entwicklung der GSBV-Talente hat das großen Wert“, erklärt Peller.
Mehr noch, für die Kinder und Jugendlichen im GSBV bedeutet das Messen mit Gleichaltrigen eine enorme Steigerung der Lebensqualität. Der Sport dient als ideale Möglichkeit, die Hörschädigung zu kompensieren und Selbstbewusstsein zu tanken. Und so ganz nebenbei werden dabei die Motorik und das rhythmische Verständnis stabilisiert, was wiederum einen äußerst positiven Effekt auf die Bewältigung bestimmter Alltagssituation hat.
4x200m-Staffel wird Deutscher Hallenmeister 2012
Ein guter Teil der „Grünes Band“-Prämie soll daher auch im laufenden Jahr in die intensive Betreuung bei Wettkämpfen und für längere Fahrten investiert werden. Die Anreise zum bisherigen sportlichen Saison-Highlight, den Deutschen Gehörlosen Leichtathletik Hallenmeisterschaften, fiel indes kürzer aus. Die 15 Teilnehmer des GSBV durften in diesem Jahr vor heimischem Publikum in Halle antreten – und erzielten dabei sehr gute Ergebnisse. Höhepunkt aus Sicht der Gastgeber: Der Überraschungserfolg der 4x200m-Staffel der Männer durch Michael Winkler, Tony Freudenberg, Michael Rumancev und Matthias Fischer, die vor dem GSV München und dem GSV Köln Gold holten.
Die jüngsten Erfolge der sportlichen Vorbilder im Verein und der aufopferungsvolle ehrenamtliche Einsatz für optimale Trainingsbedingungen dürften für die Kids des GSBV Motivation genug sein, auch 2012 wieder engagiert auf Medaillenjagd zu gehen. Die Auszeichnung mit dem Grünen Band wirkt nahezu verpflichtend. Martina Peller jedenfalls ist sich sehr sicher: „Aus Sicht des Gehörlosenverbandes Sachsen-Anhalt hätte man die 5.000 Euro Förderprämie gar nicht besser platzieren können als beim GSBV. Wir sind überzeugt, dass sich die Bedingungen für den Hallenser Gehörlosen-Nachwuchs durch den sukzessiven Einsatz der Mittel noch weiter verbessern werden.“
Ehrung zum 100jährigen Jubiläum sollen weitere Auszeichnungen folgen
Wie in den letzten Jahren dürften also auch 2012 wieder GSBV-Talente für ihre herausragenden Leistungen bei der Sportlerehrung der Stadt Halle ausgezeichnet werden. Bereits im Jahr 2011 wurde der Verein zudem für seine Verdienste um die Pflege und Entwicklung des Gehörlosensports sowie für 100 Jahre seines Bestehens mit der Sportplakette des Bundespräsidenten geehrt. Und sobald die Bewerbungssperre von fünf Jahren abgelaufen ist, wird Halle sicher wieder zu den heißesten Kandidaten auf eine weitere Prämierung mit dem „Grünen Band“ zählen. In den modernisierten Räumlichkeiten des Preisträgers wird gewiss ausreichend Platz für weitere Dokumente moderner und erfolgreicher Vereinskultur gefunden werden.
Gunnar Hassel
