EUGH bestätigt staatliche Beihilfen für gemeinnützigen Sport

In einem lange erwartenden Urteil hat das Europäische Gericht erster Instanz (GEI) am 9. Juni eine Richtungsentscheidung zur grundsätzlichen Konformität staatlicher Beihilfen für den gemeinnützigen Sport gefällt.

Das Urteil zeigt, dass bezahlbarer Breitensport als öffentliches Interesse gilt. Foto: picture-alliance
Das Urteil zeigt, dass bezahlbarer Breitensport als öffentliches Interesse gilt. Foto: picture-alliance

In der Rechtssache T-162/13 „Deutscher Alpenverein-Magic Mountain u.a.“ wies der EUGH die Klage des privaten Kletterhallenbetreibers Magic Mountain zurück, bestätigte den Beschluss der EU-Kommission vom 5. Dezember 2012 und erklärte die Beihilfen für mit dem Binnenmarkt vereinbar.

Die Kommission hatte aus Gründen der Verwaltungseffizienz die Fälle des DAV-Kletterzentrums in Berlin und der Kletteranlagen in Baden-Württemberg gemeinsam behandelt (sektorale Beihilfeprüfung). Bezüglich Berlins bezog sich die Analyse auf die Überlassung öffentlicher Grundstücke zu Vorzugsbedingungen und bezüglich Baden-Württembergs auf die Gewährung von Zuschüssen, auf Erbbaurechte, Bürgschaften und Grundstücksmietverträge.

Gegen das Urteil des GEI können noch Rechtsmittel vor dem EUGH eingereicht werden. Dieser würde aber keine inhaltliche Prüfung vornehmen, sondern nur Rechtsverstöße des Gerichts prüfen.

Magic Mountain hatte vier Klagepunkte vorgebracht:

1.    Nichtanwendung konkreter Beurteilungskriterien

2.    Fehlen eines Marktversagens

3.    Erforderlichkeit der Beihilfe

4.    Auswirkungen auf den Handel

Zu 1)   Nichtanwendung konkreter Beurteilungskriterien

Das Gericht hob den weiten Ermessungsspielraum der Kommission hervor (Rdnr. 50), der es ihr freistelle, in welcher Form ein von ihr erstelltes Arbeitsdokument zur Prüfung staatlicher Beihilfen angewendet wird.

Das GEI weist auf die vom Land Berlin als Fördervoraussetzung genannte Einstufung als gemeinwohlorientierten Sportverein (Rdnr.65) hin. Die Kommission hatte in ihrem Urteil einige Elemente genannt: a) gemeinnützigen Zweckcharakter, b) Freistellungsbescheid zur Körperschaftsteuer c) ordnungsgemäße Geschäftsführung und demokratischer Aufbau der Sportorganisationen (Rdnr. 28). Der Verlust der Steuerbefreiung durch das Finanzamt würde im Übrigen die Aberkennung der Förderungswürdigkeit nach sich ziehen (Rdnr. 30).

Zu 2)   Fehlen eines Marktversagens

Das Gericht machte deutlich, dass Art. 107 Abs. 3 Buchstabe c AEUV kein Marktversagen voraussetzt, um eine Beihilfe für den Binnenmarkt vereinbar zu erklären. Eine Beihilfe kann auch mit dem Ziel des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden (Rndnr. 79 des Urteils), das das Gericht in diesem Fall aus Art. 165 AEUV ableitet. Dazu zählt die Förderung des Breitensports.

Der entsprechende Passus des Art. 165 lautet: „Die Union trägt zur Förderung der europäischen Dimension des Sports bei und berücksichtigt dabei dessen besondere Merkmale, dessen auf freiwilligem Engagement basierende Strukturen sowie dessen soziale und pädagogische Funktion“.

Das GEI führt weiter aus (Rdnr. 81), „dass Sportvereine in der Regel nicht in der Lage seien, mit ihren eigenen Mitteln die Kosten der Sportanlagen zu finanzieren“.

Zu 3)   Erforderlichkeit der Beihilfe

Der EUGH führte aus, dass die Förderung des Breitensports über gemeinnützige Vereine pädagogische und soziale Vorteile aufweist und positive Nebeneffekte mit sich bringt, u.a. dadurch, dass sie die Durchführung zusätzlicher Aktivitäten ermöglicht, wie die Benutzung der Anlagen durch schulen und andere öffentliche Einrichtungen.

Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit wies das GEI darauf hin, dass die Kommission bei einer sektoralen Beihilfeprüfung nicht die genaue Beihilfehöhe prüfen muss, die Überprüfung aber durch die nationalen Behörden gewährleistet sei. (Rdnr. 94 und 95).

Zu 4)   Auswirkungen auf den Handel

Das GEI bestätigte die Einschätzung der Kommission, dass der Auswirkungen auf den gemeinschaftlichen Handel begrenzt sind (Rdnr. 110), begründet wird dies u.a. durch die begrenzte Verbreitung der Kletterzentren, die schwache Frequentierung durch ausländische Kletterer und die Projektüberwachung durch nationale Behörden (Rdnr. 113).

Die Kommission hatte in ihrer Entscheidung darauf hingewiesen (Rdnr. 70), dass die Finanzierung von Sportinfrastrukturen nach deutschem Verwaltungsrecht als Teil der Daseinsvorsorge gilt. Allerdings hatte sich Deutschland in seiner Stellungnahme nicht auf den entsprechenden Artikel im EU-Vertrag (Art. 106 Abs. 2 AEUV) berufen.

Es stellt sich die Frage, warum der Bund dieses versäumt hat, es hätte die Verhandlungsposition des DAV sicherlich gestärkt. Das GEI bezieht sich in seinem Urteil (Rdnr. 117) auf diesen Passus und führt aus, dass „die Bereitstellung von Anlagen zur Förderung des Sports im Rahmen nicht gewinnorientierter Vereine einer Dienstleistung von allgemeinen wirtschaftlichen Interesse gleichgestellt werden kann“.

Weiter weist das GEI daraufhin, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung es erfordere, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen, es sei denn, es wäre objektiv gerechtfertigt (Rdnr. 119).

Desweiteren verdeutlich das GEI, dass „sich ein nicht gewinnorientierter Sportverein nicht in einer vergleichbaren Situation befinden würde wie ein im Sport tätiges Privatunternehmen“ (und daher eine unterschiedliche Behandlung bezogen auf staatliche Förderung gerechtfertigt sei, Rdnr. 119)).

Die Kommission hatte eingeräumt (Rdr.94), dass die Eröffnung eines DAV-Kletterzentrums zu Einkommenseinbußen bei gewerblichen Betreibern führen könnte, hatte aber die Auswirkungen auf den Wettbewerb als gering eingestuft und angemerkt, dass gewerbliche Anbieter in der Regel nicht der Aufgabe gerecht würden, Kletteranlagen zu erschwinglichen Preisen anzubieten.

Welche Bedeutung hat das Urteil?

Innerhalb eines Monats hat das Europäische Gericht erster Instanz (GEI) in zwei Urteilen (DAV (T-162/13) und Hamr-Sport (T 693/14)) den gemeinnützigen Sport gestärkt und den Anspruch von Privatunternehmen, gleichen Zugang zu öffentlichen Mitteln zu erhalten, zurückgewiesen. Auch wenn mit der seit Juli 2014 geltenden Gruppenfreistellungsverordnung eine neue Rechtslage besteht, haben die beiden „Altfälle“ mehr als nur symbolischen Wert.

Sie verdeutlichen, dass ein bezahlbarer Breitensport als öffentliches Interesse gilt, ja sogar als Teil der Daseinsvorsorge verstanden werden muss.

Der Rückgriff auf den Sportartikel 165 AEUV zeigt zudem, dass der darin eher allgemein formulierte Anspruch, „die Union trägt zur Förderung des europäischen Dimension des Sports bei und berücksichtigt dessen besondere Merkmale, dessen auf freiwilligem Engagement basierende Strukturen sowie dessen soziale und pädagogische Funktion“, mehr als eine Worthülse ist.

Es zeigt, dass der auf Vereinsebene organisierte, gemeinwohlorientierte Breitensport einer besonderen Förderung und eines besonderen Schutzes bedarf. Wer davon bisher nicht überzeugt war, sollte sich nur die Leistungen des organisierten Sports bei der Integration von Flüchtlingen und Migranten betrachten.

Insofern kommen die Urteile der Luxemburger Richter zum richtigen Zeitpunkt und sollten auch als Motivation verstanden wissen, den Vereinssport weiter zukunftsfähig zu gestalten.

Weitere Informationen finden sich online: das Urteil EUG DAV-Magic Mountain, das Urteil EUG Hamr-Sport (auf Französisch) und die Entscheidung der EU-KOM vom 11. Juni (Hamr), auf Englisch.

(Quelle: EOC EU-Büro Brüssel/Folker Hellmund)


  • Das Urteil zeigt, dass bezahlbarer Breitensport als öffentliches Interesse gilt. Foto: picture-alliance
    Das Urteil zeigt, dass bezahlbarer Breitensport als öffentliches Interesse gilt. Foto: picture-alliance