"Fall Pechstein“ hat grundsätzliche Bedeutung für den Kampf gegen Doping

Die fünfmalige Goldmedaillengewinnerin, Claudia Pechstein, ist nach der Entscheidung der Disziplinarkommission des Eisschnelllauf-Weltverbandes (ISU) bis 9. Februar 2011 „wegen des Gebrauchs der verbotenen Methode des Blutdopings“ gesperrt.

Claudia Pechstein wurde für zwei Jahre gesperrt. Copyright: picture-alliance
Claudia Pechstein wurde für zwei Jahre gesperrt. Copyright: picture-alliance

Die Athletin hat angekündigt, gegen diese Entscheidung vorzugehen. Nach Art. 25 des einschlägigen ISU-Regelwerkes sind Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Disziplinarkommission dem Internationalen Sportgerichtshof in Lausanne (Court of Arbitration for Sports - CAS) binnen 21 Tagen nach Verkündung der Entscheidung vorzulegen. Das Recht des CAS ist das Schweizer Recht unter Anwendung des bezogen auf den Einzelfall geltenden Sportreglements (hier der ISU). Dem eventuell entgegenstehendes nationales Recht wird nicht beachtet.

In Deutschland würde im Falle einer positiven Dopingprobe ein sog. Anscheinsbeweis angenommen, der vom Athleten (z.B. durch Nachweis eines ungewöhnlichen Geschehens-ablaufes) erschüttert werden kann. International - so auch vom CAS gebilligt - wird im Falle einer positiven Probe von einer Beweislastumkehr bzw. strict liability ausgegangen, mit der Folge, dass der Athlet voll umfänglich einen Entlastungsbeweis zu führen hat. In einem auf Indizien gestützten Nachweisverfahren wie diesem ist die Beweislage anders: Da nach dem Reglement des CAS die Parteien die Beweise beizubringen haben, ist die ISU in der Pflicht, eine lückenlose Indizienkette vorzulegen. Die Unschuldsvermutung gilt bis zum Abschluss des Verfahrens uneingeschränkt. Aus den Regularien ergibt sich zudem, dass der Verband, in diesem Fall die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft, bis zur Feststellung des Verstoßes gegen die Anti-Doping-Regeln, in diesem Fall durch die ISU, Vertraulichkeit im Sinne der Persönlichkeitsrechte der betroffenen Athletin zu wahren hat.

Die Unterschiedlichkeit der beiden Beweisverfahren muss betont werden, insbesondere da hier gerade nicht der Normalfall (positive Probe) gegeben ist, sondern eine Ausnahmekonstellation: Das Verfahren wird zum Präzedenzfall in der CAS-Anti-Doping-Rechtsprechung. Das sieht auch DOSB-Präsident Thomas Bach so: „Der Fall hat grundsätzliche Bedeutung für den Kampf gegen Doping. Mit dem neuen WADA-Code ist es möglich, eine Sperre auch dann auszusprechen, wenn nur die Tatsache der Manipulation bewiesen wird. Das dafür verwendete Mittel oder die dafür angewandte Methode spielt keine Rolle mehr. Dies ist ein Meilenstein im internationalen Kampf gegen Doping.“

Um diesen Meilenstein nicht zu gefährden, müssen alle Seiten mit höchster Sorgfalt vorgehen. Dies gilt sowohl für die beweisverpflichtete ISU und für Claudia Pechstein, deren Aufgabe es sein wird, die Indizien zu erschüttern, als auch für die CAS-Richter. Denn auch wenn die CAS-Entscheidungen grundsätzlich abschließend sind, ist im Falle erheblicher Verfahrensfehler eine Revision zum Schweizer Bundesgericht möglich. Alle Beweise müssen (unterstützt von medizinischem und pharmakologischem Sachverstand) sorgfältig erhoben und mit Bedacht juristisch abgewogen werden, um der Glaubwürdigkeit des Verfahrens, aber auch um der Einzelfallgerechtigkeit Willen.

Sollte eine Manipulation nachgewiesen werden, was den Abschluss des Verfahrens bedingt, gilt die Null-Toleranz-Politik, so, wie sie vom Deutschen Olympischen Sportbund praktiziert und gefordert wird. Die Athletin hätte dann mit allen Konsequenzen mit Blick auf ihre persönliche Förderung, die Olympiateilnahme und ihre privaten Verträge zu rechnen. Ungeachtet des Ausgangs des Verfahrens bietet der aktuelle Fall jedoch keinerlei Anlass, neuerlich nach einem Straftatbestand des Sportbetrugs zu rufen, wie jüngst vereinzelt erfolgt. Es ist nicht erkennbar, worin konkret die Zweckdienlichkeit bestehen würde. Überdies würde die Präsenz eines solchen Tatbestandes z.B. die Reiterin Isabell Werth eindeutig mit (Gefängnis-) Strafe bedrohen, da eine positive Probe vorliegt, wohingegen das indirekte Nachweisverfahren dieser Eindeutigkeit gerade entbehrt.


  • Claudia Pechstein wurde für zwei Jahre gesperrt. Copyright: picture-alliance
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