Fortbildung „Sport interkulturell“ in der Freestyle-Halle

Es ist Samstagmorgen, kurz nach 8 Uhr, frostig und neblig. Ein VW-Bus mit zahlreichen blauen und bunten Aufklebern fährt auf den Parkplatz der Freestyle-Halle im Kasseler Stadtteil Wesertor. Karsten Onderka, Freestyle-Projektleiter aus Kassel, und Peter Schreiber aus Frankenberg, Regionalkoordinator im Programm „Integration durch Sport“ (kurz: „IdS“) in der Sportjugend Hessen, steigen aus und bringen Seminarmaterial und Verpflegung in die Halle. Sie wird für zwei Samstage zu Seminarort und Sportstätte für insgesamt 15 Teilnehmer der Fortbildung „Sport interkulturell“ im grauen Monat November.

Die Teilnehmer des ersten Tages: vom Übungsleiter bis zum Vereinsvorsitzenden reichte die Bandbreite. (Quelle: SJH-IdS)
Die Teilnehmer des ersten Tages: vom Übungsleiter bis zum Vereinsvorsitzenden reichte die Bandbreite. (Quelle: SJH-IdS)

Sport und Beratungsangebote

„Freestyle“ ist ein gemeinsames Projekt des anerkannten hessischen „IdS“-Stützpunkt-Sportvereins  FSC Dynamo Windrad Kassel und des Bildungsträgers Vabia Vellmar, unterstützt durch den Verein Spielmobil Rote Rübe Kassel. Die Projektpartner organisieren seit über einem Jahr sehr erfolgreich freizeit- und breitensportlich orientierte Angebote mit Spaß an der Bewegung, abgestimmt auf die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen nicht nur dieses Stadtteils. Für das innovative und von vielen Ehrenamtlichen getragene Konzept wird dem Freestyle-Team dieser Tage eine besondere Ehrung zuteil: der 1. Preis beim hessischen Integrationspreis der Landesregierung.

Es treffen die ersten Teilnehmer (w./m.) ein, die sich neugierig umschauen: eine ehemalige Lagerhalle, umfunktioniert zur Indoor-Sporthalle. Beim Begrüßungskaffee beantwortet Onderka viele Fragen, die sich um Sport und Jugend(sozial)arbeit mit  sozial Benachteiligten drehen. Auch Schreiber verweist bei der Vorstellung der Themen des Tages darauf, dass hier Miteinander leben lernen „spielerisch erfahrbar“ wird.

Die auf 16 Stunden angelegte Fortbildung zum Erwerb interkultureller Kompetenzen beginnt mit dem Warming-up: Kennenlernen in Bewegung ist angesagt. Es schließt sich ein erster Theorieblock mit dem Grundgerüst der Fortbildung an: 3 Säulen – 4 Kernthesen – 5 Spielfelder – eingeleitet wie alle weiteren Informationseinheiten mit gemeinschaftlichen Bewegungsspielen.

Expertenwissen und Kultur

Das wichtigste Element ist die Prozess- und Teilnehmendenorientierung des Trainingsprogramms „Sport interkulturell“. Die Seminarleitung achtet dezidiert auf die Zusammensetzung der Gruppe, die Motivation der Einzelnen und knüpft an Interessen und Erfahrungswissen der Anwesenden an. So gesehen sind alle Teilnehmenden Lernende und Experten zugleich.

Das wird dann direkt in der Moderationsmethode World Café abgefragt, die an beiden Tagen zum Einsatz kommt. An drei Tischen bringen die Vereinsvorsitzenden, Trainer/Übungsleiter und Jugendbetreuer überwiegend aus Kasseler Sportvereinen und dem Freestyle-Projekt ihre Erfahrungen und Meinungen im Zusammenhang mit fremden Kulturen zu Papier und diskutieren unter Leitung des „IdS“-Regionalkoordinators die Niederschriften.

Nach dem Mittagessen und einem kleinen Spaziergang bei sonnigem Wetter geht es im Seminarverlauf weiter mit dem Thema Kultur. Anhand des Eisberg-Modells wird deutlich, dass viele individuelle Eigenschaften nicht nur von Menschen mit Migrationsgeschichte unter der Wasseroberfläche bleiben und damit nicht erkennbar sind. Gleichwohl, und das arbeiten die Teilnehmer am Tag 2 heraus, gibt es kulturübergreifende Gemeinsamkeiten, die wie gemeinsame Erlebnisse im Sport als „große“ Überschrift ebenso von Bedeutung sind wie Anerkennung und Dialogbereitschaft als „kleinster gemeinsamer Nenner“. In diesem Zusammenhang berichtet der Islambeauftragte der Ev. Kirche Kurhessen-Waldeck, Pfarrer Konrad Hahn, in einem interessanten Kurzvortrag mit angeregter Diskussionsrunde über Chancen und Zumutungen im interkulturellen/interreligiösen Dialog.

Miteinander reden – nicht übereinander

Dass es ohne Kommunikation in Sport und Alltag nicht geht, ist selbstverständlich und funktioniert in aller Regel problemlos. Ihr Erstaunen bringen die Teilnehmer darüber zum Ausdruck, welche Fallstricke verbal, non-verbal und durch Mimik und Gestik ein Gespräch kippen können. Der zwischenmenschliche Dialog auf Augenhöhe unter Beachtung kommunikativer Regeln muss also eingeübt werden, soll er den Gesprächspartner nicht verprellen.

Interkulturelle Kompetenzen

Somit stellen sich das Übermitteln einer Nachricht, das Verstehen und die Deutung derselben in der jeweiligen Situation und Rolle in Sport und Alltag (z.B. als Trainer oder als Mitspieler) als die wichtigste der Kompetenzen heraus. Daneben zählen Empathievermögen, Offenheit und Konfliktfähigkeit zu weiteren Schlüsselkompetenzen im interkulturellen Kontext.

Um 17 Uhr enden beide Tage mit einem bewegten Abschluss. Draußen wird es langsam dunkel. Fazit der Teilnehmer:  neue, nette Kontakte im Sport geknüpft, viel Interessantes erfahren, angenehme Atmosphäre, der erfrischende Wechsel zwischen sportlichen Einheiten, Theorie-Inputs und Diskussionsrunden und die Nutzung einer ungewöhnlichen Sportstätte als Bildungsort.  

Qualitätsbaustein im Sport

Mit dieser Fortbildung setzt das Programm „Integration durch Sport“ einen weiteren Akzent für die aktuelle Arbeit mit Menschen mit Migrationshintergrund in den Sportvereinen unseres Bundeslandes. Vermehrt stehen Sportvereine bundesweit vor der Frage, wie man gerade Kinder, Jugendliche und besonders Mädchen und Frauen aus diversen Kulturen für den organisierten Sport  dauerhaft gewinnt bzw. in bestehende Sportgruppen  integriert. Andererseits müssen sich Sportvereine angesichts der demografischen Entwicklung interkulturell öffnen.

Sensibilisierung für die Bedarfe beider Seiten ist angesagt – mit dem Basiswissen aus „Sport interkulturell“ kann dies gelingen.

 

Weitere Informationen dazu:

Sportjugend Hessen
Programm „Integration durch Sport“
Peter Schreiber (Nord- und Osthessen)
T.:  05635 – 992615 oder e-mail:  pschreiber(at)sportjugend-hessen.de


  • Die Teilnehmer des ersten Tages: vom Übungsleiter bis zum Vereinsvorsitzenden reichte die Bandbreite. (Quelle: SJH-IdS)
    Die Teilnehmer des ersten Tages: vom Übungsleiter bis zum Vereinsvorsitzenden reichte die Bandbreite. (Quelle: SJH-IdS)
  • Vom Lager zur Sporthalle – die Freestyle-Sportstätte in Kassel-Wesertor.
    Vom Lager zur Sporthalle – die Freestyle-Sportstätte in Kassel-Wesertor.