Grüne Oasen in der Stadt: Das Forschungsfeld Green Urban Labs

Die Bedeutung grüner Freiräume für die Lebensqualität in unseren Städten ist unbestritten. Sie dienen als Orte der Erholung, der Begegnung und des Sports.

Sportplatz Am Hausacker in Bochum. 
Foto: Stadt Bochum, Presse- und Informationsamt
Sportplatz Am Hausacker in Bochum. Foto: Stadt Bochum, Presse- und Informationsamt

 

Sie sind Teil der Identität von Stadt und Quartier und tragen zur ihrer Attraktivität bei. Gleichzeitig sind sie Lebensräume für Flora und Fauna und von enormer Bedeutung für die Anpassung an den Klimawandel als auch für die Biodiversität und deren Ökosystemleistungen. Erhaltung und Entwicklung urbanen Grüns gehören daher zu den zentralen Aufgaben und Voraussetzungen einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Die Kommunen stehen in Bezug auf ihre grünen Freiräume vor neuen Herausforderungen. Veränderte Arbeits-, Freizeit- und Wohnformen führen zu neuen Nutzungsansprüchen an grüne Freiräume. Zudem sind Grün- und Freiflächen in verdichteten städtischen Lagen einer sich verschärfenden Konkurrenzsituation ausgesetzt. 

In dem Forschungsfeld „Green Urban Labs“ des Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus (ExWoSt) des Bundes sollen in zwölf Modellvorhaben innovative Ansätze der Frei- und Grünraumentwicklung entwickelt und erprobt werden, die die Wohnbedingungen und die Lebensqualität in wachsenden Stadträumen verbessern. In den Modellvorhaben werden aktuelle Aspekte wie Sozialverträglichkeit, Erreichbarkeit, Barrierefreiheit, Umweltgerechtigkeit und Sicherheit behandelt. Eine zentrale Rolle spielen die Begriffe „grüne Infrastruktur“, „Multicodierung“ und „Umweltgerechtigkeit“. Ziel ist hierbei nicht mehr Grünflächen zu schaffen. Vielmehr geht es darum, diese für die breite Bevölkerung zugänglich zu machen und ein attraktives Angebot anzubieten, das zu Begegnung, Bewegung und Sport einlädt. Anhand von zwei ausgewählten Modellvorhaben werden im Folgenden Themen und Inhalte der Modellvorhaben skizziert. 

Stadt Bochum: „Vom Hausacker zum Urban Green“: Die Stadt Bochum verfolgt unter Federführung des Sport- und Bäderamts die Idee, eine ursprüngliche Sportfläche in ein „grünes Quartierszentrum“ weiter zu entwickeln. Die aufgegebene Sportplatzanlage „Am Hausacker“ enthält mit 20.000 qm Entwicklungspotential für Natur, Sport, Freizeit und Begegnung. Dem Anspruch der Umweltgerechtigkeit wird Rechnung getragen, indem die Maßnahme in einem perspektivisch sozial benachteiligten Wohngebiet installiert wird, um dort gezielt naturnahe Grünräume zu schaffen. Unter Beteiligung verschiedener Akteure soll eine multifunktionale und multisoziale Sport- und Freizeitfläche als Quartierstreffpunkt für das benachbarte Quartier „Riemke“ entstehen. Niederschwellige Bewegungs- und Mitmachangebote wie eine Boule Anlage, Spielplätze, ein kleines Begegnungscafé sowie eine Fahrradwerkstatt sollen in den Stadtteil hineinwirken. Ein neuer „Bürgerpavillon“ soll gleichzeitig als multifunktionale Freilufthalle und überdachtes Kleinspielfeld fungieren. Nach schwedischem Vorbild  sind „Stugas“ als multiple begrünte Verweil- und Erholungszonen geplant. Diese können von Vereinen temporär angemietet werden. Darüber hinaus soll eine „Grüne Werkstatt“ für die Platzpflege eingerichtet werden. Ziel ist es, Vielfalt auf kleinem Raum zu erzeugen, um Räume für Kommunikation, Aktivitäten im Freien und Naturerfahrung sowie für einen offenen Austausch von Erfahrungen und Kompetenzen zu schaffen. Der Betrieb, die Unterhaltung und Pflege der Anlage soll in Form eines innovativen Betreibermodells durch einen freien Träger der Kinder - und Jugendarbeit gewährleistet werden.

Stadt Halle (Saale): „Stadtgrüninseln“: Die Stadt Halle strebt in Kooperation mit Eigentümern und zivilgesellschaftlichen Akteuren eine Stärkung der Aufenthalts- und Erholungsqualität des Quartiers „Freiimfelde“ an. Es sollen drei unterschiedliche Formen urbanen Grüns entstehen: Ein Bürgerpark aus einer gemeinschaftlich gestalteten Brachfläche, eine „Wildnis“-Fläche aus einer naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahme und „Urban LandArt“ als ein Zusammenschluss von Land-Art und Street-Art. Der Bürgerpark, eine Brache auf der Landsberger Straße ist schon seit vielen Jahren als Grün- und Spielbereich im Focus der Bewohner. Langwierige und erfolglose Verhandlungen mit spekulierenden Eigentümern konnten 2016 durch den Erwerb der Fläche durch die Montag Stiftung „Urbane Räume“ beendet werden. Nun steht die Brache den Bewohnern für eine gemeinschaftliche Entwicklung zum Bürgerpark zur Verfügung. Geplant ist ein biodynamischer essbarer „Wald“, dessen Dynamik eine hohe Biodiversität und Ausnutzung symbiotischer Beziehungen der Pflanzen untereinander erreicht. Gleichzeitig soll ein Erlebnisraum entwickelt werden. Unter Verwendung natürlicher Materialien entstehen kleinstrukturierte Räume bzw. ökologische Nischen als eine generationsübergreifende Stadtlandschaft mit Freizeit- und Erholungscharakter. Diese beinhalten auch neue Sportangebote. Öffentlich zugängliche Gemeinschaftsgärten dienen dem Quartier als wichtige Orte für das Zusammenkommen der Bewohner aller Altersgruppen und Nationalitäten. In Zusammenarbeit mit Bildungs- und Sozialeinrichtungen vor Ort können Lehrgärten und Versuchsbeete  wie zum Beispiel ein „Grünes Klassenzimmer“ angelegt werden. Die Stadtgärten lassen die ungenutzten Flächen wieder aufblühen und erhöhen die Biodiversität. Sie haben einen positiven Einfluss auf das Stadtklima und auf die Gesundheit der Anwohner.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass bundesweit immer mehr bürgerschaftlich getragene Projekte entstehen, durch die städtische Freiflächen umgestaltet, alternativ genutzt und aufgewertet werden. Ihnen ist gemeinsam, dass Flächen nicht oder nur zum Teil im Sinne der „von oben“ vorgegebenen Nutzung gebraucht werden. Stattdessen eignen sich Bürger und Vereine Flächen auf eine Weise an, die darüber hinausgeht und nutzen sie gärtnerisch oder für Sport- und Freizeitzwecke. Sie weisen so gleichzeitig auf ein bestehendes Defizit hin, das nicht in einer mangelnden, sondern im Gegenteil in einer zu stark einengenden Regulierung liegt. In großen und kleinen Städten entstehen so gemeinschaftlich genutzte Freiräume, die zu neuen Begegnungsorten der Stadtgesellschaft werden und wertvolle Beiträge zu Biodiversität und Umweltgerechtigkeit leisten. Das Forschungsfeld „Green Urban Labs“ läuft noch bis Juni 2019. Es ist ein Produkt des Grün- und Weißbuchprozesses, den der Bund 2014 angestoßen hat. 

Quelle: Informationsdienst SPORT SCHÜTZT UMWELT Nr. 126

Autorin:
Stephanie Haury, Projektleiterin im Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)

Mehr Informationen:
www.bbsr.bund.de/green-urban-labs;
www.gruen-in-der-stadt.de.

 

 


  • Sportplatz Am Hausacker in Bochum. 
Foto: Stadt Bochum, Presse- und Informationsamt
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