„Ich kann Trainer“: Hochschul-Symposium in Berlin

Viel Lob gab es für das Fachsymposium „Ich kann Trainer - Anforderungen an künftige Trainer von Kaderathleten im langfristigen Leistungsaufbau“ an der Hochschule für Gesundheit und Sport in Berlin.

Trainer aus verschiedenen Sportarten trafen sich in Berlin zum Fachsymposium. Foto: picture-alliance
Trainer aus verschiedenen Sportarten trafen sich in Berlin zum Fachsymposium. Foto: picture-alliance

 „So eine Veranstaltung ist für uns äußerst hilfreich und praxisnah. Da kann jeder seine eigenen kleinen Bausteine für den individuellen Umgang mit seinen Sportlern mit nach Hause nehmen.“ Die Gruppe der Trainer aus dem Triathlon-Lager um Ron Schmidt vom Olympiastützpunkt Brandenburg und seinen beiden Assistenten Robert Scheibe und Tom Kosmehl, die in Potsdam etwa zwei Dutzend hoffnungsvolle Talente betreuen, war voll des Lobes über das Fachsymposium.

Dem Kompliment konnte sich Kim Raisner, die Bundestrainerin der Modernen Fünfkämpferinnen um Olympiasiegerin Lena Schöneborn, nur anschließen: „Mein Interesse an Fort- und Weiterbildung ist groß, und man hält immer Ausschau nach geeigneten Veranstaltungen, von denen man relativ schnell etwas Sinnvolles mitnehmen kann. Hier ist es so gewesen“, erklärte die 38-Jährige, die nach einer Ausbildung zur Physiotherapeutin und einem Sportwissenschaftsstudium zum Trainerberuf kam und sehr frühzeitig zur Chefin avancierte. „Im Studium hat man vor allem Theorie gepaukt. Jetzt dagegen dominiert eindeutig die Praxis und man liest kaum noch. Da ist so ein Symposium ein sehr willkommenes Angebot.“ Ihr Eingeständnis, dass sie persönlich „immer sehr viel Respekt vor dem Trainerberuf“ hatte, fand sie bei dieser Veranstaltung, die in Kooperation mit der Kölner Trainer-Akademie des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) stattfand, vollauf bestätigt.

Der Trainer als Fabelwesen und Eier legende Wollmilch-Sau

In zehn Vorträgen wurden die zirka 50 persönlich eingeladenen Teilnehmer im Auditorium von namhaften Referenten - wie Professor Christian Werner, dem Präsidenten der Gastgebenden Hochschule, Professor Helmut Digel von der Universität Tübingen, die Professoren Jürgen Krug und Alfred Richartz von der Universität Leipzig, Professor Lutz Nordmann, der Direktor der Trainerakademie, oder Judo-Olympiasieger Frank Wieneke - aus verschiedensten Blickwinkeln immer wieder daran erinnert, welchem Anforderungsprofil der moderne und erfolgreiche Trainer im Spitzensport entsprechen sollte. Die Überschrift „Ich kann Trainer“ mutierte dabei leicht von der einfachen Betrachtungsebene „Das kann doch jeder“ zur skeptischeren Interpretation von „Das können nur Genies“. Zugleich spielte der Titel auf Generationen- und Grundsatzfragen im deutschen Leistungssport an. Erörtert wurde die Rolle des Trainers im gesamten Trainer- und Beraterteam, bei der Trainingssteuerung sowie seine Stellung als sozial kompetenter Wissensvermittler, der beispielsweise zum lebenslangen Lernen verdammt ist, will er seinen Anspruch bei der erfolgreichen Führung von Athletinnen und Athleten zeitgemäß behaupten und tagtäglich aufs Neue in die Praxis umsetzen. Ob all dieser verschiedenen fachlichen, intellektuellen und menschlichen Anforderungen überkam selbst die prominentesten Teilnehmer auf der Gästeliste wie Norbert Warnatzsch, der 2008 in Peking seinen Schützling Britta Steffen zu zwei olympischen Goldmedaillen geführt hatte, mitunter eine leichte Gänsehaut. Es schien, als würden all die Mosaiksteinchen im Anforderungsprofil für den modernen Trainer im Spitzensport einem Fabelwesen gelten, einem Phänomen, das im Grunde genommen so phantastisch und utopisch ist wie die oft zitierte Eier legende Wollmilch-Sau.

Sollte es tatsächlich menschliche Wesen geben, die allen diesen Anforderungen, die an den modernen Trainer gestellt werden, genügen können und sämtliche Merkmale in einer einzigen Persönlichkeit zu vereinigen imstande sind? Allein was Alfred Richartz über die Wissens- und Kompetenzentwicklung von Trainern vortrug, glich pädagogischen Ansprüchen von erlesenem Niveau. „Good coaching is good teaching“ lautete seine Formel, wonach der moderne Trainer über ein profundes Fachwissen zu verfügen hat sowie über ein interpersonelles Wissen zur geschickten Kommunikation nicht nur mit den Athleten, sondern mit allen, die ihn - vom Manager bis zu den Eltern und Großeltern - im leistungssportlichen Alltag umschwirren. Hinzu kommt das intrapersonelle Wissen, eine besondere Art des Abstraktionsvermögens, um Erfahrungen und Methoden im Trainingsprozess zu reflektieren und sich bewusst zu machen. Alle drei Wissensformen sollten in der Zusammenarbeit mit dem Athleten und dem Umfeld verschmelzen und sich im praktischen Tun niederschlagen, so Richartz´ Handlungsaufforderung - idealer Weise sollten Trainer bei all dem auch noch in der Lage sein, ihre Kommunikation je nach Altersgruppe und Leistungsstärke ihrer Schützlinge individuell abzustimmen und zu modifizieren. All dies, was der Referent unter dem Wort vom „praktischen Klassen-Management“ summierte, sei - zumindest unter dem Aspekt der Wissens- und Kompetenzentwicklung - „das wichtigste Instrument für Erfolg“. Kein Wunder, dass anschließend auch Thomas Apitzsch der Kooperationsfähigkeit von Trainern und ihrer „Interaktion mit den Sportlern“ und deren Umfeld die größtmögliche Bedeutung zuordnete - und daraus ein ganzes Netz von Kompetenzen entwickelte, derer es im Trainingsalltag von der persönlichen Motivation eines eher schlecht gelaunten Schützlings bis hin zur Vermeidung eines eher kontraproduktiven Interviews bedarf.

Kein klar definiertes Berufsbild

Wie immer, wenn das Trainer-Thema auf der Tagesordnung steht, wurde zwangsläufig der Bogen zur beruflichen Situation dieser für die Athleten und den gesamten Leistungssport so unverzichtbaren Berufsgruppe gezogen und grundsätzlich beklagt, dass es kein klar definiertes Berufsbild gibt. Der Begriff ist schwammig und dehnbar und so verwachsen wie der Begriff des Sports selbst. Das Wörtchen Trainer meint im alltäglichen Sprachgebrauch schon jene Übungs-leiter, welche die C-Lizenz besitzen, und es reicht bis hin zu den Spitzenleuten, die gemeinhin unter dem Rubrum Bundestrainer bekannt sind.

„Traineroffensive“ wuchs weit über den ursprünglichen Ansatz hinaus

Ulf Tippelt, der Leistungssport-Direktor des DOSB, verfolgte das Symposium als aufmerksamer Gast, ehe er in einer Art Schlusswort die Bemühungen des Dachverbandes im Rahmen der „Traineroffensive“ kompakt und griffig darlegte. Er wies bei dieser Gelegenheit Digels Vorwurf, die Situation der Trainer sei „katastrophal“, energisch zurück. Obwohl „Vieles im Argen“ liege, werde eine solche Zuspitzung der Lage dieses Berufsstandes im Lande keinesfalls gerecht.

Auf das Geflecht sehr verschiedenartiger Vertrags- und Anstellungsverhältnisse eingehend, verwies Ulf Tippelt auf die „kulturelle Bedingtheit“ eines solcherart breit aufgefächerten Sportsystems. Aus der Kombination zentraler und föderaler Strukturen resultierten zwangsläufig auch unterschiedliche Arbeitgeber für die Trainer. Schwierig werde es insbesondere dort, wo bei der Verbesserung der finanziellen Situation „Mischfinanzierungen zur Disposition stehen“.

Ursprünglich habe die „Traineroffensive“ des DOSB ausschließlich darauf abgezielt, die Vergütung zu verbessern. Inzwischen reiche diese Initiative weit über den vormaligen Ansatz hinaus und beinhalte praktisch sämtliche Bereiche, die auch im Rahmen des Berliner Symposiums zur Sprache kamen. Dazu gehöre die Führung und Steuerung von Trainern innerhalb ihrer Verbände - etwa in regionalen Trainerteams - ebenso wie ihre vertragliche Situation, wie die Aus- und Weiterbildung oder die Rekrutierung von Trainer-Nachwuchs unter anderem aus der Sportlehrerschaft. Als ein weiteres „großes Reservoir“ für die Trainergilde nannte der Leistungssport-Direktor die Eliteschüler des Sports und speziell auch Jene von ihnen, die ihre leistungssportliche Karriere schon vor dem Sprung in den Seniorenbereich beenden (müssen).

Auch um die Schärfung des Berufsbildes sei man in der Sportzentrale in Frankfurt am Main bemüht. Etwa durch die Begründung des DOSB-Trainerpreises, der seit 2006 alljährlich vergeben wird. Schließlich rief Tippelt die im DOSB organisierten Spitzenverbände des deutschen Sports auf, die Trainerentwicklung in ihrem jeweiligen Bereichen voranzutreiben und im Zusammenspiel mit dem Dachverband das personelle Fundament für eine erfolgreiche Zukunft zu legen.

Als vorbildlich nannte er den Deutschen Ski-Verband (DSV), wo bei den Biathleten kürzlich - nicht zuletzt dank Unterstützung der Bundeswehr - mit Mark Kirchner und Ricco Groß als Leitender Disziplintrainer bei den Herren und Disziplintrainer bei den Damen zwei frühere Weltklasse-Athleten in das Team von Bundestrainer Uwe Müßiggang integriert werden konnten. Eine solche weit in die Zukunft reichende Personalplanung gerade an der Spitze sei vorbildlich.

Je fundierter und konkreter hinsichtlich der personellen Zukunfts-Strukturen die Hausaufgaben gemacht werden, desto besser könnten die einzelnen Verbandskonzepte in ein Gesamtkonzept münden, sagte Tippelt. Für die gastgebende Hochschule des Symposiums versprach Jochen Zinner, nach Kräften mitzuwirken, damit die Quellen für den Trainer-Nachwuchs möglichst üppig sprudeln. Die Hochschule für Gesundheit und Sport will ab sofort insgesamt 20 Halb-Stipendien für ein Master-Studium vergibt. Die Verbände sind nun aufgerufen, geeignete Kandidaten zu benennen, die in den Genuss dieser Stipendien kommen sollen.


  • Trainer aus verschiedenen Sportarten trafen sich in Berlin zum Fachsymposium. Foto: picture-alliance
    Trainer aus verschiedenen Sportarten trafen sich in Berlin zum Fachsymposium. Foto: picture-alliance