Ingrid Mickler-Becker mit der Goldenen Sportpyramide 2005 geehrt

Prof. Jürgen Hubbert (l.) und Hans-Ludwig Grüschow mit der Preisträgerin Ingrid Mickler-Becker. Foto: Martin Lengemann. DIE WELT.
Prof. Jürgen Hubbert (l.) und Hans-Ludwig Grüschow mit der Preisträgerin Ingrid Mickler-Becker. Foto: Martin Lengemann. DIE WELT.

Ingrid Mickler-Becker, Persönliches Mitglied des Nationalen Olympischen Komitees, ist Preisträgerin der "Goldenen Sportpyramide 2005". Bundesinnenminister Otto Schily und der Stiftungsratsvorsitzende Prof. Jürgen Hubbert verliehen am 27. Mai im Rahmen einer Benefiz-Gala vor 320 geladenen Gästen im Berliner Traditions-Hotel Adlon den "life-time-award" der Stiftung Deutsche Sporthilfe an die frühere Weltklasse-Leicht­athletin Ingrid Mickler-Becker.

Die Jury habe eine würdige Preisträgerin mit einer außergewöhnlichen sportlichen, beruflichen und ehrenamtlichen Biografie ausgewählt, hob Schily in seiner Laudatio hervor. Zwei Olympiasiege, zwei Europameistertitel, je ein Welt- und Europarekord sowie 13 deutsche Rekorde sind Ausdruck des vielfältigen Bewegungstalentes der einzigen deutschen Athletin, die den beruflichen Aufstieg bis zum Rang einer Staatssekretärin in einer Landesregierung geschafft hat. Nach ihrer aktiven Karriere hat sich Ingrid Mickler-Becker insbesondere um den Nach­wuchs und die Rolle der Frau im Sport verdient gemacht.

Die sechzehnköpfige Jury unter Vorsitz des früheren Mercedes-Chefs Professor Jürgen Hubbert hatte sich Ende März in geheimer Wahl für Deutschlands vielseitigste Leichtathletin entschieden. Neben den zehn Mitgliedern des Stiftungsrats gehören die bisherigen Preisträger Hans Günter Winkler, Rosi Mittermaier-Neureuther, Uwe Seeler, Manfred Germar und Roland Matthes sowie der Sporthilfe-Vorsitzende Hans-Ludwig Grüschow der Jury an. Das mit der Auszeichnung verbundene Preisgeld in Höhe von 25.000 Euro investieren die Geehrten traditionell in den Nachwuchssport.

Präsentiert wurde das gesellschaftliche Top-Ereignis am Vorabend des DFB-Pokalfinales von SWR-Sportchef Michael Antwerpes. Der Schauspieler Otto Sander las aus dem Werk von Joachim Ringelnatz, der amerikanische Pantomimekünstler Peter Shub verlieh der Zeremonie die besondere künstlerische Note. Unter den 320 geladenen Gästen befanden sich Vertreter aus Wirtschaft, Show und Politik wie der ehemalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher oder die Verlegerin Friede Springer. Der neuen Preisträgerin gaben zahlreiche prominente Spitzensportler die Ehre, u.a.

Ronny Ackermann, Rudi Altig, Robert Bartko, Heiner Brand, Eberhard Gienger, Dr. Michael Gross, Georg Hackl, Christoph Langen, Martin Lauer, Sven Ottke, Claudia Pechstein, Kati Wilhelm sowie die Vorjahres-Preisträger. "Mit der durch Bundespräsident Horst Köhler bereits im Februar erfolgten posthumen Ehrung von Max Schmeling und der nun erfolgten sechsten Verleihung im Hotel Adlon hat die "Goldene Sportpyramide" ihre Alleinstellung in Deutschland eindrücklich unter Beweis gestellt", sagte Sporthilfe-Chef Hans-Ludwig Grüschow bei der Benefiz-Gala, die für die Sporthilfe wiederum einen Erlös von 100.000 Euro erbringen wird.

 

Zur Person der Preisträgerin

Ingrid Mickler-Becker ist eine der profiliertesten Sportpolitikerinnen im Lande. Wenn man die heute 62-jährige Diplom-Sportlehrerin und Diplom-Pädagogin, die bis 1987 als Gymnasiallehrerin für Sport und Sozialkunde in Mainz tätig war, in den Sitzungen des Sporthilfe-Gutachterausschusses erlebt, dem sie seit 1987 angehört, wird schnell klar: Diese Frau ist eine engagierte Verfechterin erfolgreicher Nachwuchsförderung im deutschen Spitzensport.

Die am 26. September 1942 in Geseke geborene und heute im rheinhessischen Zornheim lebende Preisträgerin war zunächst im heimischen Turnverein aktiv, ehe sie mit 16 Jahren zur Leichtathletik kam. Ihre Leistungsentwicklung war für damalige Verhältnisse rasant. Im Training war sie zwar nicht immer die Fleißigste, sie bezeichnete sich gerne als "Minimalistin", Sport müsse auch Spaß sein. Aber dem Erfolg war sie stets verpflichtet. Als sie 1960 mit drei Teamkolleginnen vom VfL Geseke zu den deutschen Jugendmeisterschaften nach Neuwied fuhr und dort mit 1,68 Meter im Hochsprung einen deutschen

Jugend- und Frauenrekord aufstellte, wurde ihr erst später bewusst, dass sie damit auch die Olympianorm erreicht hatte. Als 17-jährige Jugendliche brauchte sie eine Ausnahmegenehmigung, um als Jüngste der gesamtdeutschen Olympiamannschaft überhaupt in Rom starten zu dürfen.

Ihre ersten Olympischen Spiele waren eine Initialzündung, drei weitere Olympiateilnahmen kamen hinzu. In Rom belegte sie mit 1,65 Meter im Hochsprung Rang neun, im selben Jahr steigerte sie den deutschen Rekord im Hochsprung auf 1,71 Meter. Elf deutsche Meistertitel stehen zu Buche: im Hochsprung (1960, 1961, 1962), im Weitsprung (1965, 1966, 1967), im Fünfkampf (1962, 1965, 1967) und über 100 Meter Sprint (1968, 1970).

Dreizehn deutsche Rekorde stellte sie in den knapp fünfzehn Jahren ihrer aktiven Leichtathletik-Karriere auf. Sechs Medaillen bei internationalen Wettkämpfen und je ein Welt- und Europarekord sind ein imponierender Beleg für die Leistungsfähigkeit einer der überragenden Leichtathletinnen der deutschen Sportgeschichte.

1964 bei ihrer zweiten Olympiateilnahme in Tokio verfehlte sie als Weitsprung-Vierte mit 6,40 Meter nur um einen Zentimeter eine Medaille. Im Fünfkampf kam sie auf den achten Platz. 1968 wurde dann ihr erfolgreichstes Jahr, der Olympiasieg im Fünfkampf mit deutschem Rekord im abschließenden 200-Meter-Lauf war Höhepunkt der Karriere (Platz fünf im Weitsprung und Platz sechs in der 4x100-Meter-Staffel komplettierten die Bilanz). Die deutschen Sportjournalisten wählten sie 1968 und 1971, ihrem erfolgreichsten Jahr bei Europameisterschaften, zweimal zur "Sportlerin des Jahres". 1969 verlieh ihr der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) für ihr vorbildhaftes Auftreten den Rudolf-Harbig-Preis.

1971 gewann Ingrid Mickler-Becker bei den Europameisterschaften in Helsinki jeweils Gold im Weitsprung und in der 4x100-Meter-Staffel sowie Silber über 100 Meter Sprint. Im Jahre 1972 verabschiedete sie sich mit ihrer zweiten olympischen Goldmedaille von der internationalen Bühne. In zweiter Position laufend verhalf sie dem bundesdeutschen Quartett (mit Christiane Krause, Annegret Richter und Schlussläuferin Heide Ecker-Rosendahl) in Weltrekordzeit (42,81 Sekunden) zum Sieg über die favorisierten DDR-Kolleginnen. Nach vier Olympia-Teilnahmen und 36 Berufungen in die Nationalmannschaft (61 Wettbewerbe) beendete sie ihre aktive Karriere, blieb aber dem deutschen Sport in verschiedenen Funktionen erhalten.

Sie profilierte sich in führenden Positionen des Deutschen Sport-Bundes

(DSB) und des Landessportbundes (LSB) von Rheinland-Pfalz, wo sie seit der Heirat mit dem Jugendfreund Friedel Mickler seit 1969 lebt. Lange Jahre war sie Präsidiumsmitglied des LSB und des Rheinhessischen Sportbundes, 1986/87 leitete sie als Aufsichtsratsvorsitzende die Mediengesellschaft des LSB, dem LSB-Ausschuss "Frau im Sport" stand sie als Vorsitzende vor. "Frauen in Führungspositionen im Sport" ist ihr Lieblingsthema und Herzensangelegenheit zugleich. Seit 1977 ist sie persönliches Mitglied des Nationalen Olympischen Komitees (NOK). Im Gutachterausschuss der Stiftung Deutsche Sporthilfe wacht sie seit 1987 über die Förderung deutscher Athleten.

Seit 1968 engagiert sich Ingrid Mickler-Becker auch aktiv in der Politik, arbeitet im Bundesfachausschuss Sport und im Landesfrauenbeirat der CDU mit. Den Höhepunkt ihrer politischen Karriere erreichte sie 1990, als sie als Staatssekretärin in das Ministerium für Soziales, Arbeit, Jugend, Familie und Sport in Rheinland-Pfalz berufen wurde. Seit 1992 ist sie im Dienste einer amerikanisch-schweizerischen Beratungsfirma in der Personalberatung tätig, in die sie ihre soziologischen Kenntnisse einbringen konnte. Sie engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich im sozialen Bereich, u.a. mit Benefizveranstaltungen für ein Waisenhaus in Guatemala.

Gemeinsam mit Ehemann und Sohn ist sie heute leidenschaftlich dem Virus "Golf" erlegen und nimmt bei einem Handicap von 9,5 gekonnt den Golfschläger in die Hand - nicht nur bei den Sporthilfe-Benefizturnieren.

"Der Sport hat mich unheimlich geprägt", sagt sie, "dabei habe ich gelernt, dass sich Anstrengen lohnt." Sie hat dabei aber stets über den Tellerrand hinausgeschaut und ist zu einem über den Sport hinaus wirkenden Vorbild geworden. Für das heute so aktuelle Thema "Duale Karriereplanung" war sie schon früh ein leuchtendes Beispiel: es gelang ihr, den Sport und ihre berufliche Ausbildung in idealer Weise miteinander in Einklang zu bringen.

So erhielt sie, nur ein Jahr nach ihrem zweiten Olympiasieg, den Preis des Kultusministers des Landes Rheinland-Pfalz für das beste Examen 1973 an der Universität Mainz.

 

Auszug aus der Laudatio von Otto Schily:

Als zweifache Olympiasiegerin, zweifache Europameisterin sowie vielmalige deutsche Meisterin ist sie ist eine der herausragenden deutschen Athletinnen. Außerdem überzeugt sie durch ihre beruflichen Leistungen und ihr ehrenamtliches Engagement. Mit ihr können wir die Reihe der bisherigen Preisträger der Goldenen Sportpyramide mit Hans Günter Winkler, Rosi Mittermaier-Neureuther, Uwe Seeler, Manfred Germar, Roland Matthes und nicht zuletzt unseres posthum geehrten Jahrhundert-Idols Max Schmeling hochrangig fortsetzen.

Ein besonderer Wesenszug der zweifachen Olympiasiegerin - neben ihrer Begeisterungsfähigkeit - ist ihre Dankbarkeit. Sie ist, so sagt sie es immer wieder, dankbar für ein "tolles Leben". Dankbar dafür, dass sie über den Sport die Welt kennen lernen konnte, und der Sport ihr bewusst gemacht hat, dass es lohnt, sich auch für den beruflichen Werdegang anzustrengen.

Ihr Engagement für und im Sport war stets außerordentlich groß. Besonders am Herzen liegen ihr zwei ganz wichtige Aufgaben: die persönliche Mitgliedschaft im NOK und ihre Arbeit im Gutachterausschuss der Stiftung "Deutsche Sporthilfe". Wie wichtig die Sporthilfe-Förderung für unsere jungen Athletinnen und Athleten ist, weiß sie angesichts der hohen professionellen Anforderungen heutzutage sehr genau.

 

Kontakt:

Stiftung Deutsche Sporthilfe

Hans-Joachim Elz

Burnitzstraße 42

60596 Frankfurt am Main

Tel: 069 - 67803 - 50/51

Fax: 069 - 67803 - 80

E-mail: hans-joachim.elz@sporthilfe.de

Internet: www.sporthilfe.de


  • Prof. Jürgen Hubbert (l.) und Hans-Ludwig Grüschow mit der Preisträgerin Ingrid Mickler-Becker. Foto: Martin Lengemann. DIE WELT.
    Prof. Jürgen Hubbert (l.) und Hans-Ludwig Grüschow mit der Preisträgerin Ingrid Mickler-Becker. Foto: Martin Lengemann. DIE WELT.