Internationaler Sportrechts-Kongress über Korruption und Doping in Berlin

Einen Königsweg für die Bekämpfung von Korruption und Doping im Sport gibt es nicht, erfolgversprechende Modelle könnten jedoch Vermeidungs-Strategien aufzeigen, die in den letzten Jahren im Wirtschaftsleben praktiziert wurden.

"Doping ist ein Problem des gesamten Sports", erklärte DLV-Präsident Dr. Clemens Prokop auf dem Sportrechtskongress in Berlin. Copyright: picture-alliance/dpa
"Doping ist ein Problem des gesamten Sports", erklärte DLV-Präsident Dr. Clemens Prokop auf dem Sportrechtskongress in Berlin. Copyright: picture-alliance/dpa

Das ist ein Fazit der internationalen Expertentagung „Sports and Law“, die von der Internationalen Sportrechtler-Vereinigung (ISLA) gemeinsam mit der „Sport für alle“-Organisation TAFISA, dem Weltrat für Sportwissenschaft und Körpererziehung ICSSPE und dem Landessportbund Berlin ausgerichtet wurde. „Um ein vollständiges Bild über das Ausmaß des bedrohlichen Schattenfelds zu bekommen, benötigen wir eine interdisziplinäre Zusammenarbeit“, resümierte Prof. Gudrun Doll-Tepper, ICSSPE-Präsidentin und DOSB-Vizepräsidentin, am Ende der zweitägigen Vortrags- und Diskussionsfolge über brandaktuelle Phänomene von Korruption und Doping als nicht gewollte Begleiter des Sports. „Allein aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven, die nicht vernetzt sind, können wir das Puzzle nicht zusammensetzen.“ 

DLV-Präsident Prokop fordert "Glaubwürdigkeitsoffensive"

„Doping ist ein Problem des gesamten Sports“, erklärte der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, Dr. Clemens Prokop. „Es wäre der größte Fehler, das Dopingproblem wegen der aktuellen Bekenntnisse allein auf den Radsport zu begrenzen.“ Allerdings könnte man für die Leichtathletik „eine derartige Systematik, wie sie im Radsport erkennbar ist“, ausschließen. Dr. Prokop forderte vom deutschen Sport eine „Glaubwürdigkeitsoffensive“, um damit entschieden die Werte des Sports zu verteidigen - anderenfalls steigerten sich die „spürbaren Zerfallserscheinungen“ in nicht vorstellbarem Maße, was historisch begründbar sei. Eminent wichtig sei es nunmehr, die entscheidenden Schwächen im Kontrollsystem abzustellen: „Quantität und Qualität sind noch nicht optimal.“ Gerade begonnen seien die DLV-Pilotprojekte mit der NADA, die unter anderem einen Abgleich von Profilen vorsehen.

Sportausschussvorsitzender Danckert für sportrechtliche Amnestie 

Der Vorsitzende des Sportausschusses des Deutschen Bundestages, Dr. Peter
Danckert, forderte erneut eine Art sportrechtlicher Amnestie, um damit aussagebereiten aktiven Sportlern den Ausstieg aus dem Dopingsystem zu ermöglichen. „Wir wollen hinter die Strukturen kommen und brauchen deshalb ein Bild von der Fläche“, unterstrich der SPD-Politiker. „Deshalb müssen Regeln aufgestellt werden, dass aktuell dopende Athleten alles offen legen können, ohne dass sie ihre berufliche und sportliche Karriere opfern.“ Die Kronzeugenregelung im Welt-Antidoping-Code, die Strafrabatte bis zu 50 Prozent vorsieht, sei insgesamt gesehen nicht tauglich. Dr. Danckert: „Die Sportler wollen Schluss machen mit dem verlogenen Leben, und der Sport muss ein Interesse daran haben zu erfahren, was wirklich ist. Um tatsächlich an die Hintermänner des kriminellen Doping-Umfeldes kommen zu können, brauchen wir diesen Verzicht auf sportrechtliche Sanktionen.“  

Der DLV-Präsident sprach sich gegen eine Amnestie aus und verteidigte die Kronzeugenregelung im WADA-Code. Allerdings müssten zusätzliche Anreize geschaffen werden, damit Athleten ihre Geständnisse glaubwürdig darstellen und über die Verstrickung von Ärzten, Trainern, Betreuern und Funktionären umfassend aufklären. Einen Verzicht auf sportrechtliche Sanktionen könne es jedoch nicht geben, unterstrich Dr. Prokop.

Ehemalige BDR-Präsidentin Schenk: "Anspruch und Wirklichkeit in Übereinstimmung bringen" 

Genauso sieht es die ehemalige Präsidentin des Bundes Deutscher Radfahrer, Rechtsanwältin Sylvia Schenk, die ehrenamtlich für Transparency International tätig ist. „Die Strukturen, die Korruption begünstigen, begünstigen auch Doping“, führte sie aus. „Wir können Doping nicht völlig ausschließen, aber deutliche Signale geben, etwas verändern zu wollen. Der Sport in Deutschland hinkt der gesellschaftlichen Entwicklung hinterher - deshalb sollten wir Anspruch und Wirklichkeit in Übereinstimmung bringen. Im Profi- wie im Amateursport gibt es einen guten Nährboden für Doping und Korruption.“ Überhaupt dürfe sich der Sport nicht mit den aktuellen „Scheingeständnissen“ von Radsportlern zufrieden geben, die bisher nur verjährte Dopingverstöße zugegeben hätten. Nötig sei ein „Strukturwandel“ - das bedeute auch, „auf breiter Ebene Personen auszutauschen“. „In der Öffentlichkeit kann es keiner glauben, dass diejenigen, die sich seit Jahren in der Abhängigkeit von einander und in diesem Lügengebäude bestens eingerichtet haben, nun den Schalter umlegen und alles transparent machen wollen“, kritisierte Sylvia Schenk. „Es geht nur mit neuen Köpfen und mit klaren Strukturen.“ Dazu gehörten das Vier-Augen-Prinzip, die Rotation von betreuenden Ärzten, ein externer Ombudsmann, der so genannte „Whistleblower“-Schutz, die Offenlegung von Blutwerten, eine hohen Kontrolldichte und eine bessere internationale Zusammenarbeit. 

Verantwortliche für Dopingbekämpfung könnten vieles aus der allgemeinen Korruption in Staat und Wirtschaft lernen, betonte die Bielefelder Strafrechtlerin und Kriminologin Prof. Britta Bannenberg. „Es fehlt im Sport an der Wahrnehmung, dass Hochleistungssport Wirtschaftsleben pur ist“, erklärte sie und beanstandete eine „Normalität der Vertuschung“. Die Mentalität, es machten doch alle, führte letztendlich zu einem „Regelbruch als Dauerverstoß“. „Wer Mittel einsetzt, die nicht mit dem Zweck übereinstimmen, macht den Zweck kaputt“, stellte Frau Prof. Bannenberg heraus und nannte diese Handlungsschritte als Ausweg aus der Dopingkrise: Nachdenken über die Struktur der Radsportteams, Ausstieg des Fernsehens aus der Tour-de-France-Livebericht-erstattung, Neuaufbau aller Sportteams „mit Aktiven einer anderen Sozialisation“ sowie ein Mentalitäts- und Generationswechsel bei Funktionären und Managern, „damit alte Seilschaften nicht mehr die Macht haben“. Um Insiderwissen zu generieren sollte der organisierte Sport sehr schnell eine Telefon-Hotline einrichten, dabei Anonymität zusichern, und in einer zweiten Phase einen Vertrauensanwalt bereitstellen. 

„Der Sport ist das soziale Bindegewebe in der Gesellschaft“, erklärte Prof. Winfried Banzer, Sportmediziner der Universität Frankfurt/Main und DOSB-Gesundheitsexperte, und forderte die „Rückkehr zu Transparenz und Aufrichtigkeit im Leistungssport“ sowie einen „Reinigungsprozess in der Sportmedizin“. In seinem Referat über Doping im Kindes- und Jugendalter stellte er aktuelle Umfragen vor, nach denen bereits drei bis acht Prozent der Acht- bis 18-Jährigen dopen. Eine Umfrage bei 2.700 Ärzten im Jahr 2005 habe ans Licht gebracht, dass 61 Prozent der Mediziner bereits von Patienten konkret auf Doping angesprochen wurden. 

Leitthema: "Sauberkeit im Sport - eine Illusion" konnte nicht abschließend beantwortet werden

Zu Beginn des Kongresses referierte Dr. Bernd Wolfarth (TU München) über das Dopingkontrollsystem am Beispiel der Olympischen Winterspiele in Athen. Rechtsanwalt Dr. Christian Krähe (Konstanz) brachte einen aktuellen Sachstandsbericht zur beabsichtigten Novellierung des Welt-Antidoping-Codes. Der Zusammenhang zwischen strafrechtlichen und sportrechtlichen Dopingsanktionen (Lauri Tarasti, Helsinki) und die Problematik der Konkurrentenklage bei Dopingverdacht (Dr. Stefan Netzle, Zürich) waren Themen von Fachvorträgen, die den in- und ausländischen Rechtsexperten Zündstoff für Diskussionen boten. Aus Paris angereist war Paul Marriott-Lloyd, Spezialist für Antidoping-Programme bei der UNESCO, der die inzwischen für Deutschland und andere Nationen völkerrechtlich verbindliche Internationale Konvention gegen Doping im Sport erläuterte.  

Die Fragestellung im Leitthema der Veranstaltung, „Sauberkeit im Sport - eine Illusion?“, konnte am Ende nicht abschließend beantwortet werden; neben viel Pessimismus waren jedoch bei den Teilnehmern Hoffnungsfunken und die Bereitschaft zu einschneidenden Reformen an den Stellschrauben des Sports erkennbar. Bei der Verabschiedung kündigte Prof. Gudrun Doll-Tepper an, dass 2008 oder 2009 der dritte Kongress dieser Art wiederum in Berlin stattfinden werde.


  • "Doping ist ein Problem des gesamten Sports", erklärte DLV-Präsident Dr. Clemens Prokop auf dem Sportrechtskongress in Berlin. Copyright: picture-alliance/dpa
    "Doping ist ein Problem des gesamten Sports", erklärte DLV-Präsident Dr. Clemens Prokop auf dem Sportrechtskongress in Berlin. Copyright: picture-alliance/dpa