Jugendspiele in Singapur: Die olympische Familie ist gefordert

In neun Monaten werden die ersten Olympischen Jugendspiele in Singapur stattfinden. Die Durchführung dieser Spiele wird auch eine Herausforderung für den IOC-Präsidenten sein - meint unser Autor Prof. Helmut Digel.

Die ersten Olympischen Jugendspiele finden 2010 in Singapur statt. Copyright: picture-alliance
Die ersten Olympischen Jugendspiele finden 2010 in Singapur statt. Copyright: picture-alliance

Er hat sie sich gewünscht, er hat sie selbst mit großem Engagement vorbereitet, er ist sich aber auch der Risiken bewusst, die bei diesen Spielen zu meistern sind. Die Ideen, die diesen Spielen zugrunde liegen, sind keine neuen Ideen. Schon lange wurden sie kritisch diskutiert, selbst der einstimmige Beschluss des IOC hat die meist sehr berechtigte Kritik an diesen Spielen nicht verstummen lassen.

Warum fügt man einem ohnehin schon überfüllten Sportkalender eine weitere sportliche Großveranstaltung hinzu? Macht es Sinn mit einer sportlichen Großveranstaltung wichtige pädagogische Ziele zu verfolgen? Wären hier nicht andere Maßnahmen sehr viel sinnvoller? Welche Bedeutung kommt einem Sieg bei den Olympischen Jugendspielen zu? Was ist die Konsequenz, wenn auch bei diesen Spielen Dopingsünder entlarvt werden? Wie innovativ gehen die olympischen Fachverbände mit diesen Spielen? Welche neuen Wettkämpfe werden dabei angeboten? Gelingt es, diese Spiele so klein zu halten, dass sie die gewünschte kulturelle Bedeutung erhalten können? Diese und andere Fragen stellen sich nach wie vor, und tragfähige Antworten sind meist noch nicht gefunden.

Die Spiele von Singapur werden deshalb ohne Zweifel auch ihre Probleme aufweisen. Nicht alles wird gelingen, wie es sich der IOC-Präsident mit dem Ausrichter, dem Organisationskomitee in Singapur vorgenommen hat. Doch sollten wir uns daran erinnern, dass auch die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit in Athen 1896, später dann in Paris und in London, eine ganze Reihe von gravierenden Fehlern aufzuweisen hatten, die typisch sind, wenn etwas Neues gewagt wird. Heute sind die Olympischen Spiele unter organisatorischen Gesichtspunkten ein Qualitäts-produkt, das unter kulturellen Gesichtspunkten einzigartig ist. Deshalb wäre es verfehlt, wenn man die Ausrichter der ersten Olympischen Spiele lediglich an Fehlern messen würde, die notwendig sind, wenn eine neue Veranstaltung sich entwickeln möchte.

Die Mitarbeiter des Organisationskomitees in Singapur sind aus der Sicht von heute bestens vorbereitet. Sie haben ein Kultur- und Erziehungsprogramm entwickelt, das als kreativ, originell, als äußerst durchdacht und in vieler Hinsicht auch als realistisch bezeichnet werden kann. Auf der Grundlage einer international vergleichenden Studie wurde zunächst die Lage der jugendlichen Athletinnen und Athleten und deren Interessen in Bezug auf die Olympischen Jugendspiele erkundet. Die Olympischen Jugendspiele werden auf dieser Grundlage ihre eigene Identität erhalten, die auch visuell eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht wird. Das Kommunikationsmedium der Jugendlichen, das Internet, wird dabei eine zentrale Rolle spielen.

Das CEP-Programm (Kultur- und Erziehungsprogramm) und dessen Philosophie werden auf fünf zentrale Themen ausgerichtet sein: Der Olympismus steht dabei im Mittelpunkt, weitere Themen sind auf „skills development“ (Karriereplanung der Athletinnen und Athleten), „well-being“ and „healthy lifestyle“ (vorrangig auf das Gesundheitsmanagement im Spitzensport), „social responsibility“ (soziale Verantwortung im weitesten Sinne) und „expression“ (Kunst, Kommunikation und digitale Medien) ausgerichtet. Alle Angebote sollen die Sprache der Jugendlichen sprechen (fun, rich variety, hands-on, values-based learning, simple messages, self-discovery, non-mandatory), und die einzelnen Projektthemen haben durchaus attraktive Titel aufzuweisen. Sie reichen vom Inselabenteuer über den Chat mit den Champions, verschiedenen Entdeckungsaktivitäten einem Weltkulturdorf bis hin zu „exploration journey“, „arts an culture“ und zum „community project“.

Für das Wettkampfprogramm zeichnen die internationalen Verbände verantwortlich. Hier ist leider zu erkennen, dass der innovative Charakter nicht jenen Wünschen entspricht, die sich das IOC vorgenommen hatte. Zu sehr sind die internationalen Verbände an ihren Jugend-Welt-meisterschaften orientiert, zu häufig werden diese Wettkämpfe lediglich als ein weiterer Wett-kampf unter mehreren betrachtet. Einige Verbände haben jedoch mit neuen Ideen gezeigt, dass es sich lohnt, über das Wettkampfprogramm zukünftig noch intensiver nachzudenken.

In den verbleibenden Wochen und Monaten wird nun das Programm noch einmal auf den Prüfstand gestellt. Es wird noch flexibler gestaltet werden. Das Programm wird vor allem darauf ausgerichtet sein, dass sich junge Hochleistungssportler, die sich durch eigene Persönlichkeits-strukturen auszeichnen, bei diesen Olympischen Jugendspielen treffen, und es wird dabei zu berücksichtigen sein, dass die jungen Athletinnen und Athleten zunächst und vor allem ihren Wettkampf zum Ziel haben, bei dem sie das Beste geben möchten. Gleichzeitig wird es jedoch durch ein besonderes organisatorisches Geschick möglich werden, dass sämtliche Teilnehmer sich in einer intensiven Weise begegnen können, sich in Workshops, Blogs, Chatrooms, face to face und virtuell austauschen können. Interessante Exkursionen werden das Programm be-gleiten. Globalität und die Relativität der Kulturen werden in eindrucksvoller Weise zur Dar-stellung gebracht sein. Aber auch dem Anti-Doping-Kampf wird eine Chance eröffnet, wie sie zuvor so nicht bestanden hat.

Das Angebot ist gemacht, ob es angenommen wird, hängt vor allem von den Teilnehmern selbst ab. Sollten die Olympischen Spiele für Jugendliche gelingen, so wird es also auf die „Olympische Familie“ selbst ankommen, ob sie bereit ist, diese Spiele zu tragen. Hierzu ist allerdings dringend erforderlich, dass die Kommunikation über die Spiele selbst aktiviert wird, dass in den Nationalen Olympischen Komitees die Spiele gelebt werden, dass die Jugendlichen um diesen besonderen Höhepunkt in ihrem jugendlichen Leistungsleben wissen und dass sie motiviert sind, daran teil-zunehmen. Besonders wichtig wird dabei die Unterstützung durch die Trainer sein. Das Kultur- und Erziehungsprogramm kann sich nur dann als tragfähig erweisen, wenn es von den Trainern selbst getragen wird. Bei den Olympischen Spielen von Singapur ist somit die internationale Trainerschaft auf dem Prüfstand. Hier kann sie beweisen, dass der Beruf des Trainers sich durch eine besondere pädagogische Qualität auszeichnet und dass sportliche Höchstleistungen immer in eine Verantwortung einzubinden sind, die weit über die sportliche Leistung hinausreicht. Wird das Kultur- und Erziehungsprogramm von den Trainern, von den Olympischen Komitees und von den internationalen Verbänden mitgetragen und mitgelebt, können die Olympischen Spiele für Jugendliche sich durchaus mit dem Merkmal der Nachhaltigkeit rühmen, das heute überall gefordert ist.


  • Die ersten Olympischen Jugendspiele finden 2010 in Singapur statt. Copyright: picture-alliance
    Die ersten Olympischen Jugendspiele finden 2010 in Singapur statt. Copyright: picture-alliance