Kinderturnstiftung iniziiert „Bewegte Kommune“

Die Gemeinde Balingen in Baden-Württemberg will 3.300 Kinder bis zehn Jahren eine bewegtere und gesündere Zukunft bieten.

"Bewegte Kommune" nennt sich das Pilotprojekt der Kinderturnstiftung Baden-Württemberg. Foto: picture-alliance
"Bewegte Kommune" nennt sich das Pilotprojekt der Kinderturnstiftung Baden-Württemberg. Foto: picture-alliance

Mitte September war es so weit: Knapp 15 Personen saßen im württembergischen Balingen an einem Tisch. Was Erzieherinnen der Kindergärten, Lehrer und Rektoren der Schulen, Vereinsmacher, Vertreter des Stadtsportverbandes und der Gemeinde sowie Gemeinderäte verbindet? Sie wollen den 3.300 Kindern bis zehn Jahren in ihrer Kommune eine bewegtere und damit gesündere Zukunft bieten. Das Pilotprojekt nennt sich „Bewegte Kommune“ und wurde von der Kinderturnstiftung Baden-Württemberg iniziiert.

In den vergangenen sechs Jahren haben der Badische (BTB) und Schwäbische Turnerbund (STB), die das Rückgrat der Stiftung bilden, viele Erfahrungen in anderen Städten gesammelt. In zehn intensiven Projekten wurden Organisationen, die beruflich oder ehrenamtlich mit Kindern und Bewegung zu tun haben, stärker vernetzt, deren Zusammenarbeit verbessert oder gemein-same Projekte neu entwickelt, so Stephan Scheel, im STB Leiter des Kinder- und Jugendsports. Statt individuellem Kirchturmdenken entstanden gemeinsame Burgen des Kinderturnens. „Es braucht oft nur wenige Anstöße damit ein Bewegungsnetzwerk entsteht“, sagt Robert Baur. Der Geschäftsführer der Stiftung und seine Mitarbeiter bieten Vereinen, Kindergärten sowie, Schulen und Gemeinden Unterstützung, Wissen und Erfahrung an.

In Balingen soll im ersten Schritt eine Bestandsaufnahme gemacht werden. Welche Kinder machen was wo? Damit wurde das Stuttgarter Institut für Kooperative Planung und Sportentwicklung (IKPS) beauftragt. Im zweiten Schritt wird eine Qualitäts- und Wirksamkeitsanalyse gemacht, damit die Arbeitsgruppe genauer weiß, wo weiterer Handlungsbedarf besteht. So könnten einzelne Angebote zwar qualitativ hochwertig sein, aber der Fitnesszustand der Kinder erweise sich beispielsweise bei der Einschulung trotzdem als kontinuierlich schlechter werdend. Vielleicht existierten Spielplätze in der 35.000-Einwohner-Gemeinde, die Drei- bis Sechsjährige animieren, aber deren Geräte für Achtjährige und Ältere uninteressant sind, sagt Scheel.

„Wir wollen in den kommenden zwei, drei Monaten gemeinsam und intensiv arbeiten, um ab Januar 2011 Maßnahmen zu entwickeln, die die Gemeinde weitere Schritte voranbringen“, skizziert Projektleiter Marcel Baars, den Ablauf des einjährigen Projektes.

Die Stiftung erbringt dafür Leistungen im Wert von 40.000 Euro. Der Gemeinderat hat bereits 16.000 Euro im Haushalt für dieses Projekt eingestellt, das im März mit einer Kinderturn-Show startete. Um ihre längerfristigen Absichten zu bekunden, hat sich die Gemeinde an der Alb um das Landeskinderturnfest 2012 beworben.

"Nur wer sich bewegt, erlebt etwas"

Weil die Stiftung flächendeckend zwischen Freiburg und Schwäbisch Hall, Wangen und Sinsheim arbeiten will, reicht ein Leuchtturmprojekt wie in Balingen nicht. Ehrgeiziges Ziel: Innerhalb von zwei Jahren soll in jedem der 40 baden-württembergischen Landkreise eine Stadt oder Gemeinde bewegt werden. „Unsere Vision ist, allen Kindern zu ermöglichen, sich gesund und sportlich zu entwickeln. Denn Bewegung steigert Wahrnehmung und Konzentration“, sagt Thomas Renner, Vorstandsvorsitzender der Kinderturnstiftung und gleichzeitig Vorstandsvorsitzender der Sparda-Bank Baden-Württemberg, die der Stiftung 1,5 Million Euro zur Verfügung gestellt hat. Renner weiter: „Nur wer sich bewegt und spielt, erlebt etwas und kann persönliche Erfolge genießen.“ Bekanntlich bewegen sich Kinder heute deutlich weniger als noch vor 30 Jahren. Klaus Bös, Leiter des Karlsruher Instituts für Sport und Sportwissenschaft sagt: „Die Fitness der Kinder hat in dieser Zeit um zehn Prozent abgenommen“.

Das besondere Augenmerk der Stiftung gilt den Drei- bis Zehnjährigen. Denn in diesem Alter werden die Grundlagen für lebenslange Bewegung gelegt, die wiederum Teil eines gesunden Lebensstiles ist. „Kinderturnen ist als die Grundlagenausbildung besonders geeignet“, erklärt Robert Baur, denn es vermittle durch seine Vielseitigkeit grundlegende motorische Fähigkeiten. Auf spielerische Art fördern qualifizierte Übungsleiter den natürlichen Bewegungsdrang. Deshalb gehe es der Stiftung darum, alle Kindern diese Grundlagenausbildung zu ermöglichen. Dann können sie gesund, intelligent, sozial gestärkt und integriert aufwachsen.

"Kinderturnen on Tour"

Seit 2009 ist die Stiftung mit ihrem ersten Projekt „Kinderturnen on Tour“ erfolgreich unterwegs. Sieben Kontinente passen dort auf 750 Quadratmeter. In dieser Kinderturn-Welt können die Jüngsten es den Tieren nachmachen: wie Kängurus hüpfen oder wie Katzen balancieren. Jedem Kontinent sind ein Tier und eine motorische Fähigkeit zugeordnet. Seit Frühjahr ist die Kinderturnstiftung wieder kreuz und quer durchs Land unterwegs. Gebucht vor allem von Vereinen, aber auch von Kindergärten, Schulen und Kommunen.

So dienten die zwei mobilen Kinderturn-Welten bisher als Aufhänger für Gespräche mit Eltern, Lehrern und Erzieherinnen. Denn Helfer und Vereinsübungsleiter schauten sich die teilnehmen-den Kids genau an, um dann auf Grund ihrer jahrelangen Erfahrung Tipps für gezieltere Bewegung zu geben.

68 Einsätze hatten die mobilen Kinderturn-Welten zwischen April und Oktober 2009. Dabei bewegten die 86 Helfer innerhalb ihrer 542 Einsatzstunden insgesamt 20400 Kinder im Alter zwischen vier und zehn Jahren. In den ersten neun Monaten dieses Jahres war Kinderturnen on Tour schon bei 70 Einsätzen.

Kinderturn-Welt im Zoo

Da Bewegung der Kinder in den Köpfen der Erwachsenen beginnt, sucht die Kinderturnstiftung jede Kontaktmöglichkeit. So wird im Stuttgarter Zoo Wilhelma mit seinen jährlich mehr als zwei Millionen Besuchern eine fest installierte Kinderturn-Welt entstehen. Seit Mitte dieses Jahres wirkt die Stiftung am Projekt „Gesund aufwachsen in Baden-Württemberg“ mit, einer Gemeinschaftsinitiative des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Senioren, der Robert Bosch Stiftung und des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg.

Auf einer sogenannten Wissensplattform für Kinderturnen bündelt die Stiftung ihr Wissen: Neue Erkenntnisse und Entwicklungen zur Bedeutung von Bewegung auf die gesunde Entwicklung von Kindern sowie Tipps und Arbeitshilfen für die tägliche Praxis.


  • "Bewegte Kommune" nennt sich das Pilotprojekt der Kinderturnstiftung Baden-Württemberg. Foto: picture-alliance
    "Bewegte Kommune" nennt sich das Pilotprojekt der Kinderturnstiftung Baden-Württemberg. Foto: picture-alliance