Kuchen nach dem Turnen - PSV Sömmerda vereint Bewegung und Teilhabe

Gymnastikgruppe des PSV Sömmerda mit Übungsleiterin Ingrid Wiegel
Gymnastikgruppe des PSV Sömmerda mit Übungsleiterin Ingrid Wiegel

Es ist warm an diesem Dienstagnachmittag im August. Ingrid Wiegel (Bild 3.v.l.), 65 Jahre, tritt in die Pedale, um rechtzeitig im Bürgerzentrum „Bertha von Suttner“ in Sömmerda einzutreffen. Eigentlich beginnt die Gymnastikgruppe des PSV Sömmerda erst um 14 Uhr mit der gemeinsamen Bewegung, doch sie weiß, ihre Schützlinge sind überpünktlich. Vor geschlossener Tür wartet bereits Elsa Wanyschew, Spätaussiedlerin aus Russland. Nach einer herzlichen Umarmung und der Nachfrage nach dem Wohlbefinden, biegt auch schon Edith Gräser um die Ecke. Die 79-Jährige kommt jeden Dienstag. Zum einen wegen der Fitness, zum anderen wegen dem sozialen Kontakt und der gesellschaftlichen Teilhabe. Zu Hause wäre sie allein. Heute verkündet sie, dass sie Kuchen gebacken hat und Ingrid Wiegel herzlich eingeladen ist. Dann geht die „bunte Mischung von 25 Seniorinnen“, so Ingrid Wiegel, in den kleinen Turnraum. Einheimische und Migrantinnen aus Russland, Kasachstan und der Ukraine halten sich bei lauter Musik gemeinsam fit. Berührungsängste oder Hemmungen wegen Sprachbarrieren und Herkunft sind hier Fehlanzeige. Respekt und Wahrung kultureller Vielfalt, so lautet das Motto. Seit 2009 unterbreitet der PSV Sömmerda als „Anerkannter Stützpunktverein Sport durch Integration“ das Angebot. Entstanden ist es durch eine Anfrage von Karola Krieger vom Bund der Vertriebenen in Sömmerda. Einzige Bedingung zur Teilnahme ist die Mitgliedschaft im Verein, mit drei Euro pro Monat jedoch für jeden machbar. Das Interesse seitens des Vereins war schnell geweckt, vor allem die stellvertretende Vorsitzende Ingrid Wiegel forcierte die praktische Umsetzung. Schließlich bestand die Gymnastikgruppe bereits und das Wohngebiet „Neue Zeit“, in dem viele Aussiedler zu Hause sind, ist nicht weit entfernt von der Trainingsstätte. Schon nach kurzer Zeit kamen die ersten Interessenten. Inzwischen gibt es ein „kleines“ Problem, längst kann der Turnraum keine neuen Gymnastinnen in die Integrationsgruppe mehr aufnehmen, es wird einfach zu eng. „Aber ich biete am Mittwoch Aerobic und am Donnerstag noch einmal Gymnastik an“, freut sich Ingrid Wiegel über den Zuspruch. Dass auch diese Kurse hohen Zulauf haben, zeigt dass das Konzept des PSV Sömmerda aufgeht. Denn für die Migrantinnen ist es selbstverständlich auch an anderen Tagen die „normalen“ Sportangebote zu nutzen. Am Montag bewegt Wiegel deutsche und russische Kinder gemeinsam beim Gerätturnen. „Die Integration ist bei uns gelungen“, freut sich die resolute Rentnerin. Ausnahmen macht sie sowieso keine, wird während des Trainings geschwatzt, werden die Teilnehmerinnen sofort zur Disziplin ermahnt. Auch auf technisch korrekte Ausführung der Übungen achtet die Übungsleiterin mit der B-Lizenz „Prävention im Sport“ strengstens. Dass bei Partnerübungen deutsche und russische Frauen gemeinsam ihre Rückenmuskulatur stärken, war am Anfang beabsichtigt, inzwischen ist es Normalität. Und als Ingrid Wiegel das Lieblingslied der Gymnastikgruppe, den „Fledermaus-Song“, in das Radio einlegt, singen und tanzen sie alle gemeinsam in einem Rhythmus. Die Choreografie hatten sie für das letzte Seniorensportfest einstudiert. Denn beim PSV Sömmerda zählen nicht nur die sportlichen Erfolge, sondern auch zahlreiche Aktivitäten zur Bereicherung des gesellschaftlichen Lebens der Stadt. So wird neben den seit 1994 regelmäßig stattfindenden Familiensportfesten und der Unterstützung des Streetballturniers "My Way Fair Play" auch das Seniorensportfest veranstaltet. Der PSV Sömmerda - ein lebendiger Mehrspartenverein mit über 300 Mitgliedern in den Abteilungen Ju-Jutsu, Kickboxen, Karate, Turnen/Gymnastik, Volleyball und der Schützengilde. Text und Foto: Silvia Otto


  • Gymnastikgruppe des PSV Sömmerda mit Übungsleiterin Ingrid Wiegel
    Gymnastikgruppe des PSV Sömmerda mit Übungsleiterin Ingrid Wiegel