Mehr Vorsorgeuntersuchungen angemahnt

Die deutschen Kaderathletinen und Kaderathleten sollten stärker als bisher den vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) angebotenen leistungssportlichen Vorsorgeuntersuchungen nachkommen.

Leistungssportler sollten verstärkt medizinische Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen, dafür plädiert Bernd Wolfarth. Copyright: picture-alliance
Leistungssportler sollten verstärkt medizinische Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen, dafür plädiert Bernd Wolfarth. Copyright: picture-alliance

So sagt Dr. Bernd Wolfarth, leitender Arzt des deutschen Teams bei den Olympischen Winterspielen in Vancouver. Er appelliert an Trainer und Betreuer, speziell junge Athleten auf diese Möglichkeit hinzuweisen.

„Was die medizinische Vorsorge betrifft, müssen wir gerade im Spitzensport Vorbild sein“, sagte Wolfarth, leitender Oberarzt des Zentrums für Prävention und Sportmedizin der Technischen Universität München und seit Mitte 2009 zugleich Leiter des Fachbereichs Sportmedizin des Instituts für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) in Leipzig. Von den fast 4.000 deutschen Athleten in den verschiedenen Bundeskadern nehmen derzeit nur etwa die Hälfte die speziell auf diese Gruppe abgestellten jährlichen Untersuchungen in Anspruch.

„Dieser Anteil müsse ausgebaut werden“, sagt der 44-Jährige, der seit etwa 15 Jahren die Biathlon-Nationalmannschaft medizinisch betreut und 2006 vom Deutschen Ski-Verband (DSV) zum leitenden Verbandsarzt bestimmt wurde. Wolfarth war früher Leichtathlet und brachte es 1983 bis zum badischen Jugendmeister über 2000 Meter Hindernis. „Das war für mich der Ausgangspunkt“, sagt er heute. „Damals habe ich als aktiver Sportler erkannt, wie wichtig solche Untersuchungen sind.“

Insgesamt existieren bundesweit derzeit 24 vom DOSB offiziell lizenzierte sportmedizinische Untersuchungszentren. Während im größten davon in München jährlich 400 bis 500 der insgesamt rund 2.500 Grunduntersuchungen vorgenommen werden, waren es in Leipzig zuletzt etwa 150. Auch am IAT will Wolfarth nun mit gutem Beispiel vorangehen und diese Quote deutlich steigern.

Das soll nicht zuletzt vor dem Hintergrund verbesserter Rahmenbedingungen an dieser zentralen Forschungseinrichtung des deutschen Spitzensports gelingen. Zu den bislang zwei Ärzten und drei medizinisch-technischen Assistentinnen kamen zwei Ärzte hinzu,  Wolfarth und der frühere Biathlon-Europameister und Olympiateilnehmer Jan Wüstenfeld. Zudem wurde das Team um eine Arzthelferin erweitert.

Betreuung von Athleten aus 19 Verbänden und 23 Sportarten

Von Dezember an werden im Erdgeschoss des IAT die räumlichen Bedingungen für die medizinische Abteilung verbessert. Spätestens ab dem Frühjahr 2010, so hofft der neue Chef, werde die Entwicklung hin zu einer „modernen, serviceorientierten Ambulanz für Sportmedizin mit neu gestalteter Anmeldung“ abgeschlossen sein. Für mehr Qualität im Leistungsangebot sollen zum Beispiel Investitionen in die Echokardiografie, in Messgeräte für die Lungenfunktionen, in die EDV und in Technik zur schnelleren Auswertung von Untersuchungs- und Messdaten sowie zur schnelleren Kommunikation mit den anderen Fachbereichen des IAT sowie den Trainern und Betreuern der untersuchten Athleten sorgen.

Zu den Aufgaben zählen nicht nur die regelmäßigen medizinischen Grunduntersuchungen für die Kaderathleten aus der Region und die „systematische medizinische Basisarbeit“ für Athleten aus 19 Spitzenverbänden und insgesamt 23 Sportarten, die aktuell vom IAT mit prozessbegleitender Trainings- und Wettkampfforschung unterstützt werden. Darüber hinaus arbeitet Wolfahrths Team gezielt leistungsdiagnostisch. Laboruntersuchungen, Laktat-Tests, Herzfrequenz-messungen oder Langzeit-EKGs in verschiedenen Sportarten und Altersgruppen dienen beispielsweise dazu, medizinische Probleme frühzeitig zu erkennen und zusätzlich die Anpassung des Herz-Kreislauf-Systems auf die leistungssportlichen Belastung genauer zu beschreiben.

Spagat zwischen München, Leipzig, Biathlon-Weltcups und Olympia

Die Daten werden mit weiteren IAT-Experten und den Trainern interpretiert, um daraus „wissenschaftlich fundierte Trainingsempfehlungen abzuleiten“. Für die Top-Athleten aus den Stützpunkten in Oberhof und Oberwiesenthal heißt das auch, dass sie für diese Untersuchungen nicht mehr nach München reisen müssen.

Wolfarths Vertrag sieht vor, dass er sich zu einem Viertel seiner Arbeitszeit in Leipzig aufhält und die anderen 75 Prozent weiterhin in München oder bei den deutschen Biathleten arbeitet, die er im Dezember zu den Weltcups nach Hochfilzen/Österreich und Pokljuka/Slowenien begleiten wird. Entsprechend froh ist Bernd Wolfarth, dass er in Anne Berbalk über eine erfahrene Stellvertreterin vor Ort verfügt und mit Jan Wüstenfeld seit dem 1. Oktober am IAT einen Assistenten im Team hat, der „zu 100 Prozent in Leipzig arbeitet und damit die alltägliche Versorgung des Leistungssports vor Ort gewährleistet“. Bei den Biathleten vertritt ihn im Fall der Fälle Dr. Klaus Marquardt, ein weiterer Kollege aus seinem eingespielten Ärzte-Team.

Mitarbeit bei der Bewerbung München 2018

„Organisation ist alles“, sagt Bernd Wolfarth, für den in den kommenden Wochen die Vorbereitung des deutschen Ärzte- und Physiotherapeuten-Teams auf die Olympischen Winterspiele immer mehr in den Mittelpunkt rücken wird.

Überdies wurde er vom DOSB-Präsidium zum Vertreter „in die Fachgruppe Sicherheit und Medizin“ der Bewerbungsgesellschaft „München 2018“ bestellt. Für das „große Bidbook“, das die Münchner im Rennen um die Austragung der Winterspiele 2018 bis Ende nächsten Jahres für das Internationale Olympische Komitee (IOC) erstellen müssen, wird Wolfarth den sportspezifischen medizinischen Teil der Bewerbungsunterlagen beisteuern.

Das ist für den verheirateten Vater zweier Kinder jedoch noch Zukunftsmusik. An einem seiner wenigen freien Wochenenden konnte er jüngst seiner Frau Lucia und den beiden Kindern Celine (13) und Yannick (16) endlich einmal seine Wahlheimat in Sachsen zeigen. Diese fanden seine „Leipziger Wohngemeinschaft“ spannend, in der er während seiner Aufenthalte in Leipzig mit Kollege Jan Wüstenfeld und dessen Freundin, der Ex-Biathletin Katja Beer, lebt.


  • Leistungssportler sollten verstärkt medizinische Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen, dafür plädiert Bernd Wolfarth. Copyright: picture-alliance
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