Neue Qualität im Anti-Doping-Kampf

Der Eishockeysport in Deutschland ist schon in vielerlei Hinsicht als Vorreiter aufgetreten. Der schnellste Mannschaftssport der Welt ist es gewesen, der hierzulande zuerst die Profiabteilungen als Kapitalgesellschaften ausgründete.

Eishockey: Vorreiter im Anti-Doping-Kampf.
Eishockey: Vorreiter im Anti-Doping-Kampf.

Der Eishockeysport ist es gewesen, dar nach dem Bosman-Urteil ein Äquivalent für die juristisch ad acta gelegte Ausbildungspauschale fand und Vereinen, die nun nicht mehr vom Verkauf ihrer Talente profitieren konnten eine gewisse Entschädigung zukommen lässt. Die Limitierung der Zahl ausländischer Spieler ist Dank eines Agreements innerhalb der Liga im Eishockey ebenfalls schon längst Praxis. Nun zeigen die Puckjäger ihren „Pioniergeist“ ebenfalls im Anti-Doping-Kampf. Als erste überhaupt hat die Sportart die Zuständigkeit für Trainings- und Wettkampfkontrollen im Profi- und Spitzensport sowie das komplette Ergebnismanagement der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) übertragen.

Der Rahmenvertrag wurde am Donnerstag in Köln unterzeichnet. In separaten "Dienstleistungsverträgen" wird explizit geregelt, wie viele Trainings- und Wettkampfkontrollen in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL), in der unter Regie der Eishockeyspielbetriebs-Gesellschaft (ESBG) ausgerichteten 2. Bundesliga und der Oberliga sowie bei den Kader-Cracks des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) vorgenommen werden. Insgesamt sieht der ab 1. Mai in Kraft tretende Vertrag für die kommende Saison rund 600 Test vor, rund 350 werden auf den DEB-Bereich entfallen, 130 auf die DEL und weitere 100 auf 2. Bundesliga und Oberliga. Die anfallenden Kosten für die höchste Spielklasse bezifferte DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke mit einem „hohen fünfstelligen Betrag“. Der Vereinbarung sieht ausdrücklich vor, dass vollständig der NADA überlassen ist, auf welche Substanzen getestet wird. Die Vertragspartner verzichten in Bezug auf die Testverfahren auf jedwede Vorgaben bzw. Einschränkungen.

"Quantensprung" und "Meilenstein"

„Dieser Vertrag ist ein Meilenstein. Das ist ein elementarer Schritt, den wir sehr begrüßen“, erklärte der NADA-Vorstandsvorsitzende Armin Baumert unmittelbar vor der Unterzeichnung. „Es ist ein Quantensprung“, unterstrich Gernot Tripcke, und DEB-Präsident Uwe Harnos nannte den Kontrakt eine „Bahn brechende Geschichte“. Diese Superlative zielten nicht nur auf die Tatsache, dass erstmals eine Sportart ihr Dopingkontrollsystem komplett in die Hände der NADA übergibt und freiwillig weit darüber hinausgeht, nur ihre Spieler und Spielerinnen der verschiedensten Nationalmannschaften testen zu lassen. Zusätzlich wird der gesamte Prozess der Ermittlungs- und Sanktionierhoheit an die NADA bzw. an das Deutsche Sportgericht (DIS) mit Sitz in Köln übertragen. „Es ist das erste Mal im deutschen Sport, dass die NADA das Ergebnis-Management übernimmt. Wir hoffen auf eine Beispielwirkung“, lobte NADA-Justiziarin Anja Berninger die Vertreter des deutschen Eishockeys, die noch vor Jahresfrist im Zuge des „Falles Florian Busch“ wiederholt wegen ihrer Mängel im Anti-Doping-Regelwerk und wegen der milden Behandlung des Eisbären-Profis von der NADA-Verantwortlichen harsch kritisiert wurden. Der Stürmer hatte im März 2008 eine Dopingkontrolle verweigert und war lediglich zu einer Geldstrafe von 5000 Euro sowie einigen Stunden Sozialarbeit verurteilt worden Die NADA hatte darauf hin sogar die Internationale Anti-Doping-Agentur (WADA) eingeschaltet und auf eine Sperre von zwei Jahren gedrängt. Derzeit wird der Fall beim Internationalen Sportgerichtshof (CAS) verhandelt, das endgültige Strafmaß für Busch wird im Mai erwartet.

Sollten demnächst bei der Auswertung einer Dopingprobe eines Spielers von der Norm abweichende Werte festgestellt werden, wir es also die NADA sein, die das Ermittlungsverfahren im Stile einer Staatsanwaltschaft einleitet, die Ermittlungen führt und dabei den betroffenen Spieler anhören wird. Sollte sich der Verstoß bestätigen, wird das Verfahren mit Hilfe des DIS fortgeführt, das zunächst einen neutralen Anti-Doping-Richter bestellt. Dem DIS wird bei DEL, 2. Bundesliga und Oberliga zugleich die Rolle als Rechtsmittelinstanz zukommen, der DEB will diesbezüglich Harnos zufolge weiter den Internationalen Sportgerichtshofe CAS bemühen.

"Mehr Neutralität ist nicht möglich"

Mit dem „Pionier-Vertrag“ ist in Sachen Doping die oft als nicht unbedingt objektiv beleumundete Verbandsgerichtsbarkeit zumindest im Eishockeysport ab sofort passe´. „Mehr Neutralität ist nicht möglich“, sagte Tripcke in Anspielung auf die Tatsache, dass künftig sowohl die Profiligen als auch der DEB das gesamte Sanktionierungsverfahren gewissermaßen "auslagern" und jedwede Entscheidung der unabhängigen Instanzen akzeptieren werden. Das Prozedere der Kontrollen, der Auswertung und Sanktionierung ist damit de facto von A bis Z der NADA übertragen und innerhalb des Eishockeysports zwischen Verband, DEL bis hin zu 2. Bundesliga und Oberliga harmonisiert. Was einerseits keineswegs selbstverständlich ist und den größten Respekt abnötigt, bringt andererseits ein ebenso erhebliches Maß an Arbeitserleichterung und Glaubwürdigkeit für die Sportart im Kampf gegen Doping mit sich. Ein Vorteil, der laut Baumert und Berninger bei der NADA die Hoffnungen nährt, dass demnächst auch andere Spielsportarten denselben Weg gehen werden. Vereinbart wurde ebenfalls, dass die deutschen Nationalmannschafts-Kandidaten in der nordamerikanischen Profiliga NHL mit Blick auf die nächsten Winterspiele 2010 in Vancouver dem Testpool angehören.

Demnächst weitere Gespräche mit Fußballern, Reitern und Boxern

"Es bleibt abzuwarten, ob unser Beispiel andere Sportarten verleitet, Ähnliches zu tun", erklärte DEB-Präsident Uwe Harnos anlässlich des sportpolitisch historischen Aktes in Köln. Armin Baumert ergänzte, es sei das "langfristige Ziel" der NADA, von möglichst allen Sportarten die Zuständigkeit für Trainings- und Wettkampfkontrollen übertragen zu bekommen. Wettkampfkontrollen unter NADA-Hoheit sind bislang die Ausnahme. Das gab bzw. gibt es lediglich bei wenigen Wettkämpfen wie den Triathlon-Weltmeisterschaften 2007 in Hamburg sowie bei den Motorsportlern, den Gewichthebern und nun bei den Eishockeyspielern. Entsprechend ist die wichtigste deutsche Instanz im Ringen um einen sauberen Sport bemüht, weitere Verträge nach dem Vorbild on DEB, DEL und ESBG abzuschließen. Am 28. April steht das nächste Gespräch mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) über das weitere gemeinsame Vorgehen im Anti-Doping-Kampf auf dem Programm. Zwei Tage später gibt es einen Termin bei der Reiterlichen Vereinigung (FN), bei dem auch die künftigen Kontrollmechanismen bei den jährlich 37 in Deutschland stattfindenden Reitturnieren zur Sprache kommen sollen. Überdies sei die NADA auch in Gesprächen mit den Profi-Boxställen der Promoter Wilfried Sauerland und Klaus-Peter Kohl. "Uns sind alle Parteien und Allianzen recht", so der NADA-Vorstandsvorsitzende.

Spiel-Ergebnisse von Dopingfällen unbeeinträchtigt

So sehr sich die neue Anti-Doping-Ordnung (ADO) der Eishockey-Profiligen nun am aktuellen WADA- und NADA-Code orientiert, wird es in einem Punkt weiterhin bei den bisherigen Regelungen bleiben. Sollten Spieler in der DEL als Dopingsünder überführt werden, wird dies auch in der nächsten Saison keinerlei Auswirkungen auf das Ergebnis des Matches haben, in dem sie zum Einsatz kamen oder auf dem Spielberichtsbogen standen. „Selbstverständlich werden diese Spieler nach den NADA-Regularien bestraft, und es kann happige Geldstrafen für ihre Vereine geben. An der Wertung des Spiels aber wird sich nichts ändern“, erklärte Gernot Tripcke. Der DEL-Geschäftsführer begründete dies mit der „Macht des Faktischen“ im schnelllebigen Ligabetrieb. Bis genaue Ergebnisse von A- respektive B-Probe eines Spielers vorliegen, könne es gut sein, dass beispielsweise in den Playoffs bereits das Halbfinale beendet und schon die Finalserie begonnen hat. Man könne wegen eines in einem der Halbfinalspiele positiv getesteten Profis schließlich nicht die ganze Serie wiederholen und womöglich bereits ausgespielte Final-Partien annullieren und neu ansetzen, führte Tripcke ganz praktische Hindernisse für nachträgliche Korrekturen ins Feld. NADA-Justiziarin Anja Berninger bestätigte, dass für die Ligen derartige Freiräume existieren und diese Praxis mit den Vorschriften vereinbar sei. Ob Dopingfälle auf ein Spielergebnis Einfluss haben und wie das betroffene Team bestraft wird, liege rechtlich im Ermessen der jeweiligen Liga bzw. des betreffenden Verbandes.

DEL und ESBG haben sich der Einfachheit und Übersichtlichkeit wegen darauf verständigt, ab der Eiszeit 2009/10 im Falle des Falles sowohl in der DEL als auch in der 2. Bundesliga und in der Oberliga einheitlich die ADO zu bemühen. Einem Rechtsstreit, wie momentan in der 2. Bundesliga zwischen den Bietigheim Steelers und der ESBG anhängig, würde damit die Grundlage entzogen. Nach dem Spiel gegen den EHC München war Ende Oktober 2008 der Biethigheimer Keeper Patrick Koslow positiv auf Kokain gestestet worden. Der Torhüter wurde suspendiert und bestraft. Seine Mannschaft hatte das Match nach Penaltyschießen mit 2:3 verloren, doch der gewonnene Punkt wurde den Steelers von der Ligenleitung anschließend aberkannt. Dagegen klagte der Verein und kann sich nun immerhin zugute halten, bei ESBG-Geschäftsführer Oliver Seeliger praktische Konsequenzen veranlasst zu haben. „Wir werden unseren Durchführungsbestimmungen künftig nicht mehr die Spielordnung des DEB, sondern die ADO zugrunde legen und dann so verfahren wie in der DEL üblich“, sagte Seeliger. „Das macht die Sache auch für die Fans übersichtlicher.“


  • Eishockey: Vorreiter im Anti-Doping-Kampf.
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