Neue Wege der Nachwuchsförderung

Der Sportausschuss des Deutschen Bundestages debattierte über neue Wege der Nachwuchsförderung für den Spitzensport.

 

Zeit für neue Wege in der sportlichen Nachwuchsförderung? Copyright: picture-alliance/dpa
Zeit für neue Wege in der sportlichen Nachwuchsförderung? Copyright: picture-alliance/dpa

Einig waren sich alle Diskussionsteilnehmer, was DOSB-Leistungssportdirektor Bernhard Schwank über die Wirksamkeit der Nachwuchsförderung formulierte: Sie müsse sich am späteren Erfolg der Geförderten messen lassen. Ziel sei der Aufbau eines Potenzials an Top-Athleten. Schwank stellte das im April 2005 vorgelegte Nachwuchsförderkonzept zur Diskussion und hinterfragte unter dem Blickwinkel der Erfolgsausrichtung und der Effektivierung einige Bausteine. Der Bereich Leistungssport des DOSB wolle sich an die Spitze der Diskussion stellen, um mit den Ländern ein gemeinsames Steuerungsmodell für ganz Deutschland zu erarbeiten, unterstrich er. 

Nur jeder 400. kann in den A-Kader wechseln

„Die geförderten Nachwuchssportler sind zum großen Teil nicht diejenigen, die später im Senioren-Alter die Medaillen gewinnen“, erklärte Schwank. Das statistische Basismaterial: Bei 34.500 geförderten Landeskadermitgliedern liegt die Fluktuation bei 50 Prozent. Nur jeder 400. D-Kader kann später tatsächlich in den A-Kader überwechseln. Die Drop-out-Quote in den Eliteschulen des Sports mit derzeit 11.278 Schülerinnen und Schülern beträgt 18 Prozent, in den Vereinen liegt sie bei 17 Prozent. „Je jünger, desto erfolgreicher sind deutsche Spitzensportler“, resümierte Schwank. „Je älter, desto stärker bleibt der Erfolg aus. Diese Schere scheint sich noch weiter zu öffnen.“ Und für die Olympiamannschaften zeichnet sich dieses Gesamtbild: „Der Medaillengewinner kommt wesentlich später in die Eliteschulen als derjenige, der den olympischen Wettkampf ohne Medaille beendet.“ 

Vielseitige, sportübergreifende Ausbildung ist wichtig

Das führe, so Bernhard Schwank, zu dem Zwischenergebnis: Frühzeitige Erfolge hätten für den Spitzensport im Erwachsenen-Bereich keinen begünstigenden Charakter. Überhaupt könne man feststellen, dass hierzulande Trainer und Fördereinrichtungen der Länder an kurzfristigen Erfolgen im Kindes- und Jugendalter orientiert und dabei langfristige individuelle Prozesserfolge nicht das oberste Prinzip seien. Die zu frühe Förderung werde daher von vielen als „neuralgischer Punkt“ des komplexen Fördersystems beschrieben. Die USA, Australien und Schweden hingegen strebten im Gegensatz dazu keine frühzeitigen Juniorenerfolge an. Nahezu 300 Studien auf nationaler und internationaler Ebene hätten ergeben: Eine vielseitige sportartübergreifende Ausbildung im Kindes- und Jugendalter sei wichtig; eine zu frühe Spezialisierung sollte nicht mehr gewollt sein.  

Schwank für ein gemeinsames Steuerungsmodell der Länder

„Das ist ein Problemaufriss, dem wir uns jetzt stellen müssen“, erklärte Bernhard Schwank. Er plädierte dafür, die Vereine in den Mittelpunkt stellen und sie bei der Leistungserstellung tatkräftig zu unterstützen. Ziel sei, ein anderes Funktionsprofil für den Nachwuchs zu bekommen. „Wir müssen zur Diskussion stellen, ob wir einen Veränderungsbedarf haben. Das kann nur im Dialog mit Fachverbänden, Landessportbünden und weiteren Beteiligten geschehen. Wir sollten mit den Ländern ein gemeinsames Steuerungsmodell erarbeiten. Ohne wird es nicht gehen.“ Nach Schwanks Worten gebe es am Ende des Diskussionsprozesses drei Wege: „Das jetzige Nachwuchsförderkonzept bleibt erhalten. Oder wir unternehmen kleine Schritte, um das Modell zu verändern. Oder wir gehen einen neuen Weg, unternehmen einen Paradigmenwechsel und schaffen ein einheitliches Fördermodell, das sich an den Ergebnissen der wissenschaftlichen Evaluation orientiert.“ 

Dagmar Freitag, sportpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, lobte die „schonungslose Darstellung“ der Nachwuchs-Problematik und sprach sich für einen inhaltlichen Wandel der Talentförderung aus. Detlef Parr (FDP) forderte, der organisierte Sport müsse stärker als bisher die „wissenschaftliche Kompetenz“ bündeln. Für die Nordrhein-westfälische Stiftung zur Nachwuchsförderung im Leistungssport erklärte Heide Ecker-Rosenthal, 1972 Olympiasiegerin im Weitsprung und in der Sprintstaffel, Sporttalente sollten nicht zu früh spezialisiert werden: „Frühe große Erfolge führen bei den jungen Leuten zu einer Sättigung.“

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